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imon Schlachter ist ein Phänomen. Der in Füssen geborene Allgäuer erkochte sich 2020 nach acht Monaten seinen ersten Michelin Stern – und ist einer der jüngsten Sterneköche Bayerns. Bereits als Zwölfjähriger teilte er seiner Familie mit, dass er bereit sei, sich in Zukunft um den Betrieb zu kümmern
In der siebten Klasse unterzeichnete er seinen Ausbildungsvertrag am Münchner Hotel Königshof und tat sich mit den vorgegebenen Arbeitsstunden schwer, denn Simon wollte partout keinen Feierabend machen. Simon wollte Koch werden – und das auf hohem Niveau. Zehn Jahre lang lernte er das Handwerk – ausschließlich in Sterneküchen, mitunter in einem Drei-Sterne-Betrieb bei Andreas Caminada im Schloss Schauenstein in Graubünden.
Er besuchte die Hotelfachschule, um seinen Küchenmeister und Betriebswirt zu machen und reiste mit seiner Lebensgefährtin durch die Garküchen Asiens. Wohl wissend, dass er im Anschluss an seine Wanderjahre in den elterlichen Betrieb einsteigen würde. Und das tat er 2017 dann auch und läutete zwei Jahre später den Einstieg der neuen Generation ein.
Gastgeber Bayern trifft Simon Schlachter in einer Kulisse, die malerischer nicht sein könnte: im Ostallgäu auf dem Pfrontner Berg „Falkenstein“. Die Blicke ins Tal und auf die Allgäuer Alpen lassen das Herz höherschlagen. Hier auf 1.250 Metern ist Simon im Hotel- und Restaurantbetrieb seiner Eltern aufgewachsen und hier hat er sich 2017 seinen Traum vom eigenen Gourmetrestaurant „Pavo“ erfüllt und 2019 den Umbau des ehemaligen Burghotels Falkenstein zum „Boutiquehotel Blaue Burg“ eingeleitet.
Das war für mich laut Erzählung der Eltern eigentlich schon als Kind klar. Ich bin in einem Gaststättenbetrieb aufgewachsen und habe mit drei Jahren die Backofenklappe runter geklappt, um auf die Höhe des Gasherds zu kommen. Da stand ich dann, habe mir Jamie-Oliver-Serien angeschaut und versucht, die Gerichte nachzukochen. Teilweise ist es etwas geworden, teilweise nicht. Ich bin in der Welt der Gastronomie und mit unseren Gästen aufgewachsen, diese Welt macht mir einfach Spaß. Ich habe keinen eintönigen Job, sondern jeden Tag kommt etwas Neues dazu, ich kann mich weiterentwickeln und Veränderungen mitmachen. Ich sag immer: „Let the show begin!“
Gut! Ich habe so viel gelernt, dass es für eine Drei minus reicht (lacht). In der siebten Klasse hatte ich bereits meinen Ausbildungsvertrag in München unterzeichnet. Es hieß von Zuhause aus nie, dass ich Koch werden muss, ich hatte die freie Wahl. Aber meinen Eltern war es wichtig, dass ich, wenn ich mich für diesen Weg entscheide, raus gehe und die Ausbildung nicht im elterlichen Betrieb mache.
Da war schon sehr viel Freude dabei, weil wir innerhalb von acht Monaten den Stern erkocht haben. Wir haben es in Zeiten von Corona über den Facebook-Livestream erfahren. Danach stand mein Telefon nicht mehr still, alle haben gratuliert. Mein Team hatte bis zu dem Zeitpunkt keine Sterneerfahrung und reagierte mit „Oh, sch**ße! Jetzt haben wir einen Stern, was müssen wir jetzt alles verändern!?“Meine Antwort war: „Nichts! Wir machen so weiter wie gestern.“ Es ist ein Miteinander, und das Pavo ist unser Spaßprojekt.
Zusammenkommen und sich einfach entspannt berieseln lassen. Wir haben nicht das typische „straighte“ Sterne-Restaurant mit Tischdecke und Tischbesen. Ich habe es oft in anderen Restaurants beobachtet. Der Hauptgang wird eingesetzt, dann wird angestoßen und dann wird es beim Essen im Raum sehr ruhig. Im Pavo pflegen wir ein „Sharing-Prinzip“. Unsere Gäste tauschen sich aus, während sie essen. Wir bringen 18 Kleinigkeiten in sechs Gängen auf den Tisch. Bei uns wird alles in die Mitte gestellt. Mal hast du dein eigenes Schälchen, mal teilst du. Der Gast soll sich wohl fühlen, probieren und einfach entspannen. Das größte Lob sind die wiederkehrenden Gäste. Und weil unser Konzept eben nicht so steif ist, ziehen wir auch viele junge Leute an. Neulich hatten wir zwei jüngere Gäste, die sind mit dem Fahrrad den Berg hochgefahren, haben sich dann kurz im WC umgezogen und saßen dann bei uns im Pavo. Sowas feiere ich (lacht).
Auf den super Kontakt zu allen Küchenchefs, von denen ich lernen durfte. Ich sag immer „Du musst das Haus ordentlich verlassen, denn man sieht sich immer zweimal im Leben.“ Und auch wenn es manchmal nicht einfach war: Am Ende sind wir alle Menschen und alle irgendwie gleich. Ich bin dankbar für meine Lehrjahre, die mich mein Leben lang prägen werden. Mir war klar: Das, was man in der Zeit lernt, ist die Basis, auf die man später aufbaut. In Hamburg beim Ali Güngörmüs habe ich viel über Fisch gelernt. In Zürich habe ich die Molekularküche kennen gelernt. In Konstanz habe ich mein Wissen über Fleisch und die Patisserie weiter vertieft. Und egal, welchen Posten ich jetzt in der Küche übernehme: Die Abwechslung macht mir Spaß.
Ich hatte immer den vollen Rückhalt meiner Familie. Bereits in jungen Jahren durfte ich wirtschaftliche Entscheidungen treffen und bestimmen, welchen Ofen wir kaufen. Es ist ein Miteinander, alle bringen Ideen ein und manche setzen sich dann durch. Beim Umbau hatten wir dann hatten eine „brutale“ Baustelle und die Baukosten sind übers Ziel hinausgeschossen. Aber wir haben bewusst entschieden zu investieren. Die Eltern haben meiner Freundin Sabrina und mir die Verantwortung zugetraut und wir haben freie Hand bekommen: „Macht was ihr wollt, solange die Zahlen stimmen, ist doch alles gut.“
Zu 100 Prozent. Das Wichtigste ist die Crew. Man ist nur so stark wie das Team im Hintergrund. Wir haben eingeführt, ein 13. Monatsgehalt zu zahlen. Ich kann noch so tolle Ideen haben, im Hintergrund brauche ich die Top-Leute, die es auch umsetzen können. Ich bin manchmal auch nicht der Einfachste. Aber die wissen, dass ich dann „meine fünf Minuten“ habe, und danach geht’s wieder weiter. Wir stehen jeden Tag acht, neun Stunden zusammen, da muss die Atmosphäre harmonisch sein.
Wir beziehen heute noch unser Wasser durch die von Ludwig erbauten Wasserleitungen und in der Ruine steht der Hochbehälter, der den Wasserdruck ausmacht. Die Straße zu uns hat er damals für die Pferdekutschen angelegt. Wir haben sie später ausgebaut und geteert. Nach wie vor ist die Burgruine ein beliebtes Ausflugsziel und Anziehungspunkt, worüber wir uns natürlich freuen. Die Lage ist einfach top.
Am Ende durch die Lektionen meiner Wanderjahre. Irgendwann fängt man dann an, seinen eigenen Stil zu entwickeln. Mir war es immer wichtig, keine Kopie zu sein, sondern mein eigenes Ding zu machen, eine eigene Handschrift reinzubringen. In Südostasien habe ich mit meiner Freundin in Garküchen zugeschaut und an Kochkursen teilgenommen. Es war faszinierend, was die Menschen aus den einfachsten Produkten rausholen. Das hat mich dazu inspiriert, in meiner Allgäuer Küche auch einen asiatischen Touch einzubringen. Das ist modern, lässig, funktioniert, macht Spaß und schmeckt mir und den Gästen auch.
Den Mut haben, es zu tun und sich zu trauen! Nicht jeder ist für die Sterne-Gastronomie geeignet, da sollte schon ein grundlegender Wille vorhanden sein und es gibt sicherlich noch die „schwarzen Schafe“, aber in der heutigen Zeit ist der Umgang doch schon deutlich humaner geworden. Die Mischung aus Sterneküche und normaler Küche finde ich sehr wichtig. So lernt man die Basis und darüber hinaus noch mehr. Und auch wenn wir gerne unsere eigenen Talente so lange halten, wie es geht, fördern wir sie und unterstützen sie auch auf ihrem eigenen Weg – vielleicht kommen sie ja in ein paar Jahren wieder zu uns zurück.
Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht, für mich sind alle Gäste gleich. Wir haben so tolle Gäste, mir ist das echt wurscht. Ich würde vermutlich die wenigsten Promis unter ihnen erkennen (lacht).
Ich sehe das so: Der Gast selbst hat es daheim sehr schön. Viele haben in der Coronazeit bei sich umgebaut, die Wohnungen schön gemacht. Der Gast will in ein Hotel kommen und erwartet schon ab einem bestimmten Preis, dass das Hand und Fuß hat. Bei uns im Pavo machen wir uns Notizen und versuchen, die wiederkehrenden Gäste auch in ihren Vorlieben zu bedienen. Und dadurch, dass wir auch ein kleineres Boutique Hotel im Angebot haben, können wir uns so manches erlauben. Zum Beispiel freuen sich die Damen über Föhne von Dyson. Manch ein Ehemann muss dann zu Weihnachten einen entsprechenden Föhn für daheim kaufen – das ist schon oft passiert (lacht).
Infos und Reservierungen: www.blaueburg.com
Zur Person:
2007 startete Simon Schlachters Weg mit der Ausbildung im Restaurant Königshof in München (ein Michelin Stern). Danach folgten über einen Zeitraum von sieben Jahren die Stationen: Le Canard bei Ali Güngörmüş, Hamburg (ein Michelin Stern), The Restaurant bei Heiko Nieder im The Dolder Grand in Zürich (zwei Michelin Sterne), Ophelia bei Dirk Hoberg in Konstanz (ein Michelin Stern), Schloss Schauenstein bei Andreas Caminada, Fürstenau (drei Michelin Sterne) und das Restaurant IGNIV by Andreas Caminada in Bad Ragaz (zwei Michelin Sterne). Seit 2017 ist Simon zurück auf dem „heimischen Berg“ in Pfronten und Chef de Cuisine des Fine-Dining Restaurants „Pavo“ und des Gourmetrestaurants „1250“ mit Alpiner Küche. Seit 2022 ist er Mitglied bei Jeunes Restaurateurs (JRE), der Vereinigung junger Restaurantbesitzer und Köche der gehobenen Gastronomie. Etwas oberhalb des Betriebs gelegen steht die Burgruine Falkenstein, ein Überbleibsel aus dem Mittelalter. Hier wollte König Ludwig II. seinerzeit ein Schloss im Stile Neuschwansteins errichten, verstarb jedoch vor Baubeginn.