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rau Staatsministerin, das Gastgewerbe kann ohne regionaltypische Produkte nicht „leben“, das Thema Ernährung ist untrennbar mit unserer Branche verbunden, zudem lieben Touristen die von unseren Landwirten gepflegte Kulturlandschaft. Welche Bedeutung haben für Sie Hotellerie und Gastronomie in Bayern als Ministerin, aber auch ganz persönlich?
Ich stamme selbst aus einem Wirtsfamilie, deshalb fühle ich mich mit der Gastro-Branche eng verbunden. Unsere Wirtshäuser sind für mich Schaufenster regionaler Genüsse. Kein anderes Gewerbe kann den Menschen besser die regionaltypischen Spezialitäten präsentieren und gleichzeitig ein Gefühl von Heimat vermitteln. Bayern ist weltbekannt für seine Gastlichkeit. Das verdanken wir ganz maßgeblich unseren vielen familiengeführten Betrieben, deren Herzlichkeit die Gastronomie im Freistaat prägt. Damit eng verknüpft sehe ich unsere heimische Landwirtschaft. Unsere Bäuerinnen und Bauern erzeugen hochwertigste Produkte, die in unseren Wirtshäusern mit großem Können weiter veredelt werden. Als Landwirtschaftsministerin möchte ich einen Beitrag leisten, dass Landwirtschaft und Gastronomie noch enger zusammenarbeiten.
Wenn wir die symbolische Bedeutung des Gastgewerbes einmal verlassen, wie sehen Sie die Bedeutung der Branche als Wirtschaftskraft und Jobmotor für unseren Freistaat?
Das Gastgewerbe ist ein entscheidender Wirtschaftsfaktor im Freistaat, vor allem in den ländlichen Regionen. Unsere Gastronomiebetriebe sichern nicht nur unverzichtbare Arbeits- und attraktive Ausbildungsplätze. Sie sind auch ein wichtiger Absatzmarkt für andere Wirtschaftsbereiche, etwa die Land- und Ernährungswirtschaft. Ohne unsere Gastronomiebetriebe wäre eine zukunftsfähige Entwicklung unserer ländlichen Räume nicht vorstellbar.
Laut Bayerischer Verfassung sollen gleichwertige Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen in Stadt und Land gefördert und gesichert werden. Welche Rolle spielt hierbei das Gastgewerbe, insbesondere hinsichtlich der Stärkung des ländlichen Raums?
Das Gastgewerbe leistet einen unschätzbaren Beitrag zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Stadt und Land. Denn unsere Gastronomiebetriebe sichern als fester Bestandteil unserer gelebten bayerischen Kultur den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unseren Dörfern. Ohne Wirtshäuser, Bäcker oder Metzger wären unsere Dörfer viel ärmer an Lebensqualität. Deshalb ist es mein Ziel, möglichst viele dieser Betriebe zu erhalten oder wiederzubeleben. Hier schaffen wir mit unseren Förderprogrammen und Initiativen gezielt attraktive Anreize.
Wir haben – gefördert durch den Freistaat Bayern – die Kampagne „Zukunft für das bayerische Gastgewebe“ gestartet. Ziel ist es, zukunftsfähige Ideen für Gastwirte aufzuzeigen. Ihr Ministerium bietet ja auch eine ganze Reihe von Unterstützungsmaßnahmen für Gastronomen und Hoteliers.
Mein Haus unterstützt das Gastgewerbe mit zahlreichen Initiativen, auch in Kooperation mit dem DEHOGA Bayern. Den zunehmenden Verbrauchertrend hin zu Frische, Qualität und kurzen Wegen greifen wir gemeinsam auf und bieten verstärkt regionale Produkte an. Als Paradebeispiel möchte ich die Klassifizierung „Ausgezeichnete Bayerische Küche“ nennen. Unter dem Motto „Regional. Saisonal. Original.“ haben sich bis heute mehr als 120 bayerische Wirtshäuser klassifizieren lassen. Gerade für Bayern mit seiner besonderen Spezialitätenvielfalt ist das eine Chance, die es zu nutzen gilt! Mit unserer Internetplattform „Wirt sucht Bauer“ bringen wir interessierte Wirte mit den Produzenten vor Ort direkt zusammen. Und mit der 2013 gestarteten Initiative „Bayern Brand“ sowie der vom Freistaat unterstützten „Weinbar Frank“ in der Münchner Residenz möchte ich das Bewusstsein der Verbraucher für die Spitzenprodukte der heimischen Edelbrenner und fränkischen Winzer schärfen und die Verwendung in der Gastronomie voranbringen. Das sind nur einige Beispiele.
Die Gastronomie hat für Bayern eine systemrelevante Bedeutung, „stirbt das Wirtshaus, stirbt der Ort“, so das Ergebnis einer Studie. Jetzt hat Ihr Ministerium im Rahmen der Dorferneuerung neue Möglichkeiten zur Förderung von Kleinstunternehmen geschaffen. Wie sieht es diesbezüglich mit Gastwirtschaften aus?
Wirtshäuser haben in den ländlichen Regionen eine sehr große Bedeutung. Für lebendige Dörfer und intakte Dorfgemeinschaften sind sie unentbehrlich: als Treffpunkte, an denen Menschen zusammenkommen und sich miteinander austauschen oder neue Ideen entwickeln. In unseren Dorferneuerungsprojekten, die derzeit immerhin in rund 2000 bayerischen Dörfern laufen, haben wir deshalb Fördermöglichkeiten für Dorfwirtschaften geschaffen. Seit längerem fördern wir bereits dorfgerechte Bau- und Gestaltungsmaßnahmen an den Gebäuden und im Gebäudeumfeld. Neu ist die Fördermöglichkeit für Gastwirtschaften als Kleinstunternehmen der Grundversorgung. Für diese sind bis zu 200 000 Euro Zuschuss möglich.
Welche Initiativen planen Sie, um das Miteinander von Land- und Gastwirtschaft weiter zu stärken?
Wir werden an den bewährten Kooperationen festhalten, sie weiter ausbauen und – wo nötig – auch verbessern. Konkret haben wir zum Beispiel im November zum zweiten Mal unseren Gastro-Regio-Tag geplant. Unter dem Motto „Wirt sucht Bauer“ und „Bauer sucht Wirt“ können sich dort Land- und Gastwirte treffen, kennenlernen und austauschen – und im besten Fall sogar gleich Lieferbeziehungen aufbauen.
ZUR PERSON
Michaela Kaniber wurde am 14. September 1977 in Bad Reichenhall geboren, ist römisch-katholisch, verheiratet und hat drei Töchter. Von 1993 bis 1996 absolvierte sie eine Ausbildung zur Steuerfachangestellten und war danach unter anderem bei der Steuerkanzlei Datag / Ernst & Young sowie im Gastronomiebetrieb ihrer Familie in Bad Reichenhall tätig. Seit September 2013 ist Kaniber Mitglied des Bayerischen Landtags. Am 21. März 2018 wurde sie zur Bayerischen Staatsministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ernannt.