ERR HOLETSCHEK, IM JANUAR WURDEN SIE ZUM GESUNDHEITSMINISTER BERUFEN - FAST AM HÖHEPUNKT EINER PANDEMIE,DIE MEDIAL MIT DER SPANISCHEN GRIPPE ODER GAR DER PEST VERGLICHEN WIRD. BIRGT DIES NICHT EINEN ENORM HOHEN ERWARTUNGSDRUCK?
Ich war bereits ab Februar vergangenen Jahres Bau-Staatssekretär und ab August Staatssekretär für Gesundheit und Pflege. Ich habe also schon ab der ersten Welle gespürt, wie herausfordernd diese Zeit ist. Ich bin der Aufgabe daher mit großem Respekt und großer Demut entgegengetreten. Ich freue mich aber auch sehr über das Vertrauen. Wichtig ist, dass man gute Mitarbeiter hat. Allein schafft man das nicht.
SIE VERFÜGEN ÜBER LANGJÄHRIGE ERFAHRUNGEN AUF VIELEN POLITISCHEN EBENEN: VON DER KOMMUNALPOLITIK ÜBER DEN LANDTAG BIS HIN DEN BUNDESTAG ODER AN DER SPITZE VERSCHIEDENER BAYERISCHER SPITZENVERBÄNDE. HILFT IHNEN DAS HEUTE ODER SIND DIE ERWARTUNGEN VON ALLEN SEITEN PRAKTISCH UNERFÜLLBAR?
Das sehe ich ganz realistisch – ich versuche immer meinen eigenen Weg zu gehen. Man muss authentisch bleiben und versuchen, geradeaus zu gehen. Das Schöne daran, älter zu werden, ist, dass man sich selbst nicht mehr unbedingt etwas beweisen muss. Andere Dinge treten in den Vordergrund und das ist auch ganz gut so.
TROTZ AUSGEREIFTER HYGIENEKONZEPTE BLIEBEN GASTGEWERBLICHE BETRIEBE IN BAYERN ÜBER SECHS MONATE GESCHLOSSEN, WÄHREND ANDERE LÄNDER VIEL FRÜHER GEÖFFNET HABEN. DENKEN SIE, DASS ALLE MAßNAHMEN IMMER ANGEMESSEN WAREN?
Das kann man schlecht sagen. Im Nachhinein ist man natürlich immer schlauer. Wenn man aus heutiger Sicht beispielsweise über die Impfstoff-Beschaffung nachdenkt, wäre es besser gewesen, die Impfstoffe schneller und großzügiger zu bestellen. Und sicher gibt es auch andere Bereiche, in denen man jetzt andere Entscheidungen treffen würde. Ich will niemanden aus der Verantwortung entlassen, aber ich sage klar: Man muss Fehler auch zulassen können, denn sie passieren. Wenn man das nicht macht, wird keiner mehr Verantwortung übernehmen und immer auf der sicheren Seite sein wollen. Dadurch wird vieles noch komplizierter.
SIE HABEN IMMER MIT DEN MENSCHEN GEREDET, SIE VOR ORT INFORMIERT UND SIND NICHT ERST SEIT IHRER ZEIT ALS BÜRGERBEAUFTRAGTER EIN POLITIKER "ZUM ANFASSEN"; WIE GEHEN SIE PERSÖNLICH MIT DER KONTAKTBESCHRÄNKUNG UM?
Ich muss zugeben, das war am Anfang schon schwierig. Wir haben uns an die Telefonkonferenzen erst einmal gewöhnen müssen. Ich habe den direkten Kontakt schon vermisst. Ich hoffe, diese Distanz hebt sich wieder auf. Videokonferenzen haben es uns dennoch zumindest ein bisschen ermöglicht, in Kontakt zu bleiben. Und ich glaube, sie werden in vielen Bereichen auch weiter genutzt.
ETLICHE STIMMEN BEHAUPTEN, DEUTSCHLAND SEI "EHER HOLPRIG" IN DIE BEKÄMPFUNG DER PANDEMIE GESTARTET UND AUCH DANACH SOLL NICHT ALLES "GANZ RUND GELAUFEN" SEIN. WELCHE LEHREN SOLLTEN WIR DARAUS ZIEHEN?
Beispielsweise beim Thema Pflege müssen wir wirklich etwas tun. Und zwar nachhaltig und schnell. Nicht nur darüber reden, sondern es auch umsetzen und die Situation wirklich verbessern. Und auch in den Bereichen Bürokratie, Flexibilisierung und Pragmatismus herrscht Handlungsbedarf: Man sollte wieder flexibel und pragmatisch an die Dinge rangehen. Es würde sich lohnen, hier eine Zäsur zu machen, um zu versuchen, gemeinsam nach vorne zu kommen.
MACHEN SIE UNS MUT: WANN WERDEN WIR WIEDER EIN VERGLEICHSWEISE "NORMALES" LEBEN FÜHREN KÖNNEN?
Das ist schwer zu sagen. Leider mussten wir die Modellstädte stoppen, noch bevor sie begonnen hatten. Aber ich glaube, wir bewegen uns vorwärts. Seit dem 7. Juni können auch die Betriebsärzte impfen. Auch touristische Angebote und Außengastronomie sind jetzt schon wieder möglich. Das alles hilft, macht Mut und gibt Hoffnung. Ich denke, wenn es jetzt so weitergeht, dann sind dies die ersten Schritte in die Normalität – kleine, aber es geht voran und das ist das Wichtige. Die Themen Abstand und Hygiene werden uns aber sicherlich noch länger begleiten. Das ist aus meiner Sicht auch in Ordnung: Schließlich haben wir jetzt auch weniger Grippeinfektionen und sonstige Erkrankungen.
UND WAS WERDEN SIE DANN ALS ERSTES MACHEN?
Ich würde gerne mal wieder mehrere Freunde einladen und den Grill anschmeißen. Dann freue ich mich auf einen schönen gemeinsamen Abend, geselliges feiern und gute Gespräche
Das Interview führten Dr. Thomas Geppert und Frank-Ulrich John.
ZUR PERSON:
Klaus Holetschek (CSU) war von 1998 bis 2002 Mitglied des Bundestags, 2002 wurde er Bürgermeister von Bad Wörishofen, bevor er 2013 Mitglied des Bayerischen Landtags wurde. Ab 2018 war er Bürgerbeauftragter der Bayerischen Staatsregierung. Im Februar 2020 wurde Holetschek Staatssekretär im Bayerischen Bau- und Verkehrsministerium und im August 2020 Staatssekretär des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege. Seit Januar 2021 ist der studierte Jurist Staatsminister.