err Staatsminister Aiwanger, als klar wurde, dass ab Mitte März die Wirtschaft heruntergefahren werden muss und im Zuge dessen viele Hotel- und Gastronomiebetriebe schließen mussten: Wie erging es Ihnen als Wirtschafts- und Tourismusminister?
Mir war damals klar, dass das Gastgewerbe vor schwierigen Monaten stehen wird. Wir haben die Corona-Soforthilfe rasch auf den Weg gebracht, auch um die Wirte und Hoteliers zu unterstützen. Zudem haben wir auf Schnellkredite gepocht, die über die LfA liefen. Der Lockdown war leider aus Infektionsschutzgründen notwendig. Doch ich hätte mir gewünscht, dass die Lockerungen schneller kommen. Wenn ich leere Wirtshäuser und Biergarten sehe, dann blutet mir das Herz.
Was war für Sie die schwerste Entscheidung in dieser Zeit?
Ederer: Hinter uns liegen Wochen des wirtschaftlichen Stillstands, die sich so noch vor ein paar Monaten kaum jemand hat vorstellen können. Einerseits war schnell klar, dass die Entwicklung der Neuinfektionen radikale Schritte unausweichlich macht. Andererseits war mir von Anfang an bewusst, dass wir den betroffenen Betrieben und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen schweren Schlag versetzen. Jede Entscheidung, mit der wir die Unternehmen beschränkt haben, ist mir schwergefallen, vor allem natürlich die Schließung der Wirtschaften und Hotels. Wir haben die bayerische Gemütlichkeit und Gastfreundschaft für ein paar Wochen sozusagen auf Eis gelegt. Jetzt sind wir dabei, sie Schritt für Schritt wieder aufzutauen. Ich bewundere die große Solidarität, mit der unsere Wirte und Hoteliers, ihre vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Schließungen mitgetragen haben. Sie alle haben einen großen Beitrag zur gesellschaftlichen Solidarität und zur raschen Eindämmung der Pandemie geleistet. Als verantwortlicher Minister war es mir wichtig, dass wir den betroffenen Unternehmen so schnell wie möglich eine zeitliche Perspektive für den Neustart gegeben haben.
Besonders betroffen ist das Gastgewerbe. Was waren für Sie die Meilensteine im Rahmen Ihres Krisenmanagements?
Wie gesagt, ich hatte von Anfang an immer im Hinterkopf, dass wir so schnell wie irgendwie möglich den Neustart für das Gastgewerbe hinbekommen. Manches hätte ich mir etwas schneller gewünscht, aber jetzt geht mein Blick vor allem nach vorne. Wir müssen schauen, wie und wann wir für die Speisewirtschaften Lockerungen in den Vorschriften umsetzen können. Ich denke hier vor allem an die Öffnungszeiten oder an die Abstände im Freien. Der Sommer steht vor der Tür. Wir sollten unseren Wirten die Chance geben, zumindest einen Teil des entgangenen Umsatzes in den nächsten Wochen nachzuholen. Und wir brauchen vor allem für die Betriebe, die bislang noch nicht öffnen dürfen, eine klare zeitliche Zukunftsperspektive.
Gab es auch Enttäuschungen?
Ich hätte mir gewünscht, dass die Wiedereröffnung der Gastronomie auf eine noch größere Resonanz bei den Menschen gestoßen wäre. Bei einigen Wirten ist der Neustart ganz ordentlich gelaufen, andere hätten sich mehr Gäste erhofft. Leider eignet sich auch nicht jedes Lokal gleich gut, um mit den Abstandsregeln eine vernünftige Sitzordnung zu schaffen. Ich bin mir aber sicher, dass wir insgesamt auf einem guten Weg sind. Seit dem 30. Mai sind Hotels und Freizeiteinrichtungen in Bayern wieder geöffnet. Das dürfte auch in der Gastronomie für mehr Umsatz sorgen. Die Pfingstferien haben zusätzlichen Schwung gebracht. Viele Bayern werden den Sommer im eigenen Land verbringen, Gäste aus anderen Bundesländern bei uns Urlaub machen. Ich bin guter Dinge, dass sich die Lage bald weiter bessern wird.
Sie kämpfen seit langem für die Angleichung der Umsatzsteuer – ab Juli ist es nun endlich soweit. Was erhoffen Sie sich durch Sie und werden Sie sich für eine Entfristung einsetzen?
Es ist ein großer Erfolg, dass wir im Rahmen des Corona-Steuerhilfegesetzes die Absenkung der Mehrwertsteuer auf Speisen für ein Jahr erreicht haben. Unsere bayerischen Gastgeber brauchen diese finanziellen Spielräume dringender denn je. Die geplante Reduktion der Mehrwertsteuer im Rahmen des Konjunkturpakets bringt zusätzliche Entlastung bis Jahresende. Ich kann Ihnen versichern, dass wir uns von Bayern aus nach Kräften für eine Entfristung oder zumindest für eine Verlängerung der Absenkungen stark machen werden. Ich will aber nicht verhehlen, dass wir hier mancherorts noch viel Überzeugungsarbeit leisten müssen. Das Thema Mehrwertsteuersenkung genießt nicht in allen Ländern so hohe politische Priorität wie bei uns in Bayern.
Das Konjunkturpaket der Bundesregierung kann sich ja durchaus sehen lassen. Doch angesichts der Tatsache, dass manche Bereiche noch gar keine Perspektive haben und die bis jetzt bekannten Überbrückungshilfen nicht ausreichen werden: Was planen Sie zusätzlich von bayerischer Seite als Ergänzung?
Der Bundesregierung ist mit dem Konjunkturpaket ein ganz guter Wurf gelungen. Da ist zum einen die Mehrwertsteuersenkung, über die wir schon gesprochen haben. Da ist zum anderen aber auch das Programm für Überbrückungshilfen, das gerade der Gastronomie und Hotellerie etwas Luft verschaffen dürfte. Hinzu kommen weitere entlastende Maßnahmen wie die Deckelung der Sozialversicherungsbeiträge oder der erweiterte steuerliche Verlustrücktrag. Ich denke, dass die einzelnen Puzzleteile insgesamt ein ganz ordentliches Bild ergeben. Wir in Bayern sind den Betrieben vor allem mit unserer Soforthilfe und den Produkten der LfA Förderbank Bayern erfolgreich zur Seite gesprungen. Inwieweit für die Zukunft weitere, ergänzende Maßnahmen erforderlich sind, werden wir sehen. Erst einmal müssen wir abwarten, wie sich das Pandemiegeschehen künftig entwickelt und inwieweit die Maßnahmen des Bundes greifen.
Andere Länder haben weitgehende Lockerungen beschlossen, wie reagieren Sie darauf beim Wiederhochfahren des bayerischen Gastgewerbes?
Bayern hatte lange Zeit mit die höchsten Zuwachsraten bei den Corona-Neuinfektionen in Deutschland. Das hat viel mit den Faschingsferien und der räumlichen Nähe zu Tirol und Italien zu tun. Andere Bundesländer waren hier weit weniger betroffen als wir. Entsprechend konnten diese schneller die Beschränkungen für die Wirtschaft zurückfahren, ohne ein Wiederaufflammen der Infektionszahlen zu riskieren. Mittlerweile haben wir Corona in Bayern gut im Griff. Die Zahl der akut Erkrankten geht ebenso kontinuierlich zurück wie die Zahl der Neuansteckungen. Insofern bin ich optimistisch, dass wir auch in Bayern weitere Erleichterungen für Gastronomie und Hotellerie möglich machen können. Unsere Betriebe stehen in Konkurrenz mit anderen deutschen und ausländischen Destinationen. Als Tourismusminister ist es mir ausgesprochen wichtig, hier zügig zu wettbewerbsfähigen Rahmenbedingungen beizutragen.
Wie schätzen Sie die wirtschaftlichen Folgeschäden dieser Krise auf das bayerische Gastgewerbe und den Tourismus ein?
Wir haben zwar den Neustart geschafft, für eine Entwarnung für das bayerische Gastgewerbe und den Tourismus ist es aber noch zu früh. Ich hoffe auf einen guten Sommer und einen vielleicht noch besseren Herbst. Die Menschen sehnen sich nach Normalität und Abwechslung und bleiben unter den jetzigen Bedingungen gerne in heimischen Gefilden. Damit können wir den langfristigen wirtschaftlichen Schaden hoffentlich einigermaßen in Grenzen halten. Die Branche benötigt aber auch den Wiedereinstieg in den internationalen Reiseverkehr, der auch fast komplett zum Erliegen gekommen ist. Wenn das Messewesen und die internationalen Flugverbindungen wieder anlaufen, wenn mehr Geschäftsleute unterwegs sind und auch die Touristen aus dem Ausland wieder zu uns kommen, rücken wir dem Licht am Ende des Tunnels Schritt für Schritt näher.
ZUR PERSON
Nach dem Studium der Landwirtschaft zum Diplom-Ingenieur (FH) an der Fachhochschule Weihenstephan begann Hubert Aiwanger seine politische Karriere. Im Jahr 2006 wurde er Landesvorsitzender der Freien Wähler, seit 2010 ist er Bundesvorsitzender der Partei. Seit 2008 ist er sowohl als Landtagsabgeordneter sowie als Stadtratsmitglied in Rottenburg an der Laaber sowie als Kreistagsmitglied in Landshut tätig. Im November 2018 wurde Aiwanger zum Bayerischen Staatsminister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie sowie zum stellvertretenden Ministerpräsidenten berufen.