Genuss ist lustvoll und geht mit positiven Emotionen einher wie zum Beispiel mit Freude, Wohlfühlen, Glücksmomenten, Entspannung, Tagträumen und vielem mehr. Genuss wird über alle Sinne vermittelt. Ein gutes Essen geht nicht nebenbei.
Wer es genießen will, muss sich von seinen Sinnen leiten lassen. Ein Genießer wird voll bei der Sache sein und seine sinnliche Wahrnehmung auf das Essen richten. Dieser Vorgang ist ein genialer Mechanismus des menschlichen Wahrnehmungsapparats: Während schöne und genussvolle Eindrücke aufgenommen werden, wird zugleich Störendes, wie beispielsweise negative Gedanken, unterbunden. Psychologische Studien haben ergeben, dass die Menschen zufriedener und glücklicher sind, die gedanklich bei dem sind, was sie gerade tun und nicht abschweifen. Also: Wer genießen will, muss bei seinem Genuss-Objekt bleiben. Ein gutes Essen schmeckt nur dem, der sich nicht ablenken lässt.
Günstig ist es, wenn jeder Sinn einzeln und nacheinander auf das gewählte Essen gerichtet wird:
Es liegt in der Natur guter Dinge, dass Menschen sie besitzen oder konsumieren wollen. Das hedonistische Paradox besagt, dass ein höherer Grad an Zufriedenheit, Glück oder Genuss dann erreicht werden kann, wenn der Konsum von Gütern in Maßen erfolgt. Gerade im Konsumbereich kann Zurückhaltung zu mehr Genuss führen. Erdbeeren schmecken im Frühsommer und Apfelsinen im Winter besonders gut und sollten dann verzehrt werden. Weihnachtsgebäck sollte in der Adventszeit genossen werden. Dessen Konsum schon ab September entwertet eine Spezialität und verstellt den Blick für die jahreszeitlichen Genüsse des Herbstes, die es nur zu dieser Jahreszeit zu genießen gibt: frische Pflaumen oder Äpfel, junger Wein und Zwiebelkuchen, aber auch klare Luft und die Farben und Gerüche des Herbstes. Der Wechsel von Genuss und Zurückhaltung, von sich etwas gönnen und enthaltsam sein, kann als ein Akt der Selbstfürsorge verstanden werden: Er sichert Genuss langfristig.
Dr. Rainer Lutz
ZUR PERSON
Dr. Rainer Lutz ist ein deutscher Psychologe, Therapeut und Autor. Er studierte Psychologie, Pädagogik, Philosophie und Publizistik an der Universität Mainz, der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main sowie an der Ruhr-Universität Bochum. Nach dem Abschluss in Psychologie spezialisierte sich Lutz in erster Linie auf Verhaltenstherapie. 1992 promovierte er an der Philipps-Universität Marburg zum Dr. rer. nat.
Genießen kann jeder lernen. In der Kleinen Schule des Genießens werden nicht nur die Sinne geschult, sondern auch die sieben Genussregeln vermittelt, die günstig für das Genießen sind:
Genuss braucht Zeit
Genuss muss erlaubt sein
Genuss geht nicht nebenbei
Wissen, was einem gut tut
Weniger ist mehr
Ohne Erfahrung kein Genuss
Genuss ist alltäglich