ieber Willy, Dein Publikum zum Lachen zu bringen, ist Dein Metier. Wie sehr ist Dir in diesen Zeiten zum Lachen zumute?
Mehr denn je (lacht). Man muss einem Schreckgespenst wie Corona schließlich mit einem Grinsen im Gesicht begegnen. Wenn mir schon Auftritte verboten werden, gibt es zumindest eines, das mir das Virus nicht nehmen kann: nämlich das positive Denken. Auf diese Weise versuche ich, aus der Not eine Tugend zu machen. Man darf den Kopf zwar auch mal kurz in den Sand stecken, aber dann muss er auch schnell wieder raus. Für mich ist das Glas immer halb voll, sogar wenn da nur ein paar Tropfen drin sind.
Konntest Du Dein Mehr an Freizeit überhaupt genießen?
Naja, Genießen ist relativ. Was ich aber auf jeden Fall genossen habe, ist die intensive Zeit, die ich zuletzt mit meinen drei kleinen Kindern verbringen konnte. Dennoch war ich während des Lockdowns bemüht, meine Fans regelmäßig über Social Media mit Neuigkeiten zu versorgen. Ich bin zwar in diesem Bereich sicher etwas „retro“, aber auch ich lerne dazu (lacht). Die vielen netten Reaktionen haben mich dann auch ein Stück weit am Leben gehalten. Gerade in Zeiten, in denen man nicht auf der Bühne mit dem Publikum interagieren kann, muss ich mir mein Feedback über andere Kanäle holen. Dass ich inzwischen wieder einige kleinere Shows präsentieren konnte, macht mich natürlich froh – obwohl die Rahmenbedingungen sicher nicht der Traum eines Bühnenkünstlers sind.
Inwiefern wird die Corona-Krise womöglich auch nachhaltig Einfluss auf Deine Arbeit als Künstler nehmen?
Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Wir sind ja noch mittendrin. Natürlich schaue ich mit bangem Blick darauf, ob die Leute überhaupt wieder in der Anzahl zu Auftritten kommen, wie es vor Corona der Fall war. Wenn man permanent gewisse Regeln einhalten muss, um dem Virus ein Schnippchen zu schlagen, macht das sicher nur begrenzt Spaß. Und genau das ist meine größte Sorge: Was machen solche Voraussetzungen mit meinen Zuschauern und meiner ganzen Zunft? Und es sind ja nicht nur die Bühnenkünstler selbst betroffen. Was ist mit den Security-Mitarbeitern, dem Location-Personal? Das ist ein riesiger Rattenschwanz, der da dranhängt. Dass Künstler auf ihre Art mehr denn je systemrelevant sind, ist leider etwas, das die Politik komplett vergessen hat. Denn was wäre die Welt ohne kreative Köpfe? Deshalb schwillt mir ehrlich gesagt schon ein wenig der Kamm, wenn ich sehe, wie lapidar mit diesem Thema umgegangen wird. Ähnlich ist es ja auch in Teilen der Gastronomie: Wie es beispielsweise mit den ganzen Bars weitergehen soll, steht auch in den Sternen. Genau. Bars sind eben auch Orte, die als wichtiger Treffpunkt dienen. Es gibt kaum einen Menschen, der nicht hin und wieder einen tollen Abend in der Bar verbringt und daraus – zumindest ein wenig – Kraft und Inspiration für künftige Projekte mitnimmt. Der liebe Gott hat uns ja schließlich die Gläser gefüllt, damit wir trinken (lacht).
Das aktuelle Titelthema von Gastgeber Bayern lautet „Genussland Bayern“ – was geht Dir dabei durch den Kopf?
Spontan fällt mir da als Erstes der Zwetschgendatschi ein. Da braucht mir aber keiner mit Hefeteig zu kommen. Dieses labbrige Zeug können die Leute essen, die in die „Touri-Falle“ tappen. Wenn schon, dann bitte mit Mürbteig, so wie ihn meine Mama gemacht hat. Mit einem Schlag Sahne und einer Tasse Kaffee ist das für mich der ultimative Genuss! Ich find’s übrigens auch gut, dass das eine saisonale Sache ist, die es eben nur zu bestimmter Zeit gibt. Dadurch freut man sich umso mehr darauf. Es nervt mich zum Beispiel total, dass heutzutage nahezu alle Produkte das ganze Jahr über verfügbar sein müssen und auf diese Weise der wahre Genuss verloren geht.
Ist Genuss etwas, das man Deiner Meinung nach lernen kann?
Es kommt sicher auch darauf an, wie man aufgewachsen ist. Ich habe es tatsächlich gelernt, zu genießen. Darauf hat meine Mutter Wert gelegt. Ein schöner Spaziergang in der Sonne gehört da genauso dazu wie hin und wieder ein leckeres Eis. Bei mir hat das Thema Genuss in erster Linie mit der Küche zu tun: Düfte, Aromen, Geschmack. Deshalb geht mir immer auf Neue das Herz auf, wenn ich einen Gewürzmarkt besuche oder beim Dallmayr durch die Kaffee-Abteilung laufe. Frisch gemahlener Kaffee ist für mich bis heute der betörendste Duft der Welt!
Hat sich Dein Genussempfinden über die Jahre verändert?
Es hat sich erweitert. Süßigkeiten schmecken mir heute anders als noch vor 20 Jahren. Neulich habe ich zum Beispiel mal wieder eine Packung Brausewürfel gekauft, wie es sie schon in meiner Kindheit gab. Als ich dann probiert habe, hat’s für mich nur noch süß geschmeckt, obwohl die Rezeptur laut Hersteller seit Jahrzehnten die gleiche geblieben ist. Das beweist, dass sich der Geschmackssinn der Menschen mit den Jahren tatsächlich verändert. Abgesehen von allem Kulinarischen ist es für mich als Musiker natürlich auch ein ganz besonderer Genuss, ein Meisterinstrument zum Klingen zu bringen. Ein solches Privileg weiß ich heute mehr denn je zu schätzen.
Wenn’s um Genuss geht, spielen in der Regel alle Sinne zusammen. Teilst Du diese Auffassung?
Es ist ein Glücksspiel – je nachdem, was zusammen kommt und wie. Ich denke, man muss als Mensch einfach offen dafür sein, auch mal mit Enttäuschungen klarzukommen. Nur wer das gelernt hat, kommt auch voran. Gerade als Künstler bringt mir konstruktive Kritik persönlich viel mehr als wohlmeinendes Schultergeklopfe. So ist es letztlich auch mit dem Genuss – man sollte bereit sein, sich weiterzuentwickeln und Lehren aus dem Erlebten zu ziehen. Selbst wenn das bedeutet, manche Orte nicht mehr zu besuchen oder beim Kochen auf bestimmte Zutaten zu verzichten.
Welchen Tipp hast du für Menschen parat, die sich mit dem Genießen etwas schwertun?
Symbolisch gesprochen: Sie sollten eine Tür öffnen, von der sie gar nicht wissen, dass es sie gibt. Was ich damit meine: Es ist wichtig, neugierig darauf zu sein, Fremdes zu entdecken. Ab und zu auch mal etwas wagen. Für mich bedeutet das, hin und wieder ein Restaurant zu besuchen, in dem man nicht weiß, was auf einen zukommt. Ich war beispielsweise vor kurzem bei einem Afghanen, der das beste Hähnchen vom Holzkohlegrill serviert hat, das ich je gegessen habe.
ZUR PERSON
Willy Astor, geboren 1961 in München, ist gelernter Werkzeugmacher und begann 1983 seine musikalische Karriere in der Münchner Kleinkunstszene. Astor schreibt neben seinen Bühnenprogrammen auch Gitarrenmusik für sein viel beachtetes Instrumentalprojekt „Sound Of Islands“ und komponierte unter anderem 1998 die aktuelle FC Bayern-Hymne „Stern des Südens“. Neben Auftritten im Rahmen von Tourneen oder Fernsehsendungen ist er regelmäßig auf Bayern 3 und im Berliner Spreeradio mit seinem „Aktuellen Wortstudio“ zu hören. Bis heute zählt Astor, der 2001 mit dem Bayerischen Kabarettpreis ausgezeichnet wurde, zu den erfolgreichsten Komödianten Deutschlands.