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as Stamperl im Latex steht hier nicht an der Bar, sondern auf der Speisekarte. Magische Schwammerl und Laubfrösche gesellen sich dazu. Die Quelle dieser frisch-frechen Kreativität findet sich nicht in einem Hipster Lokal Berlins, sondern im gediegenen Zürich. Hier betreiben Elif Oskan und Markus Stöckle das Restaurant Rosi.
Die Küche passt in kein konventionelles Format. "Neo-bayerisch" schreibt die Presse gerne. Auf der Website vom Rosi wird´s dagegen poetisch. Gedichte umschreiben Gerichte wie "Torte ohne Torte, ohne Zuckerguss und ohne Worte". Frivol-bodenständig hingegen die Definition der "tätowierte Kruste vom Schwein": Sie ist eine "essbare Reminiszenz an Arschgeweihe".
Rosi und Rosa - das passt zusammen. Benannt nach der ältesten Kuh von Markus´ Bruder erstrahlt das Lokal in zartem Pastell. Der GaultMillau feiert die Küche mit 17 Punkten und zählt sie zu den "Aufsteigern des Jahres". Die Zutaten? Keine Scheu vor harter Arbeit, ein Faible für historische Rezepte, der Einsatz moderner Technik in der Küche - und ganz viel schrägen Ideen. Zürich ist ein hartes Pflaster für Gastronomen. Die Gäste sind verwöhnt, die Restaurantdichte ähnlich hoch wie in New York. Welches Power-Team ist der Motor für den Rosi-Erfolg? Die Antwort: Eine wunderbare Liaison mit türkisch bayerischen Wurzeln.
Schon als Teenager entwickelt das Kochtalent Elif Oskan eine Liebe zu verspielten Rezepten. Etwas à la Wellington zubereiten, macht ihr damals besonders viel Spaß. Im Ausbildungsbetrieb "Romantik Seehotel Sonne" in Küssnacht (Kanton Zürich) setzt man eigen das Gericht Königstaube Wellington auf die Karte "Einfach damit ich das zubereiten durfte". Ihr Weg führte sie schließlich ins "The Fat Duck". Das Londoner Sternlokal ist Kaderschmiede zahlreicher aufstrebender Köche. Der Anspruche ist hoch, die Lernkurve auch.
Als junge Frau wurde sie dort jedoch in die Patisserie-Ecke "abgeschoben", wie sie es später in ihrem Kochbuch schreibt. Oskan macht daraus einen Vorteil. Mit ihrer Hingabe für Genauigkeit, Struktur und Ordnung holt sie das Beste aus der Portion der Chef de Pâtisserie. Dennoch entscheidet sie sich für eine Rückkehr nach Zürich. Der Grund? die Liebe! Zum Küchenteam im „The Fat Duck“ gehörte auch Markus Stöckle, der ihr Herz erobert. Doch Liebe am Arbeitsplatz kommt für den Chef Heston Blumenthal nicht in Frage. So entscheidet sich das Paar für eine Fernbeziehung und Elif verwandelt sich in Zürich unter dem Pseudonym Miss Marshall zu einer Glacé-Eis- und Dessert-Spezialistin. Nur allzu gerne lässt sich
die Stadt von ihren süßen Kreationen verführen. Zum Jahreswechsel 2015/2016 folgt ihr Markus Stöckle nach Zürich und ein neues kulinarisches Kapitel beginnt.
Der Sohn von Allgäuer Milchbauern entdeckte bereits mit zwölf Jahren seine Leidenschaft fürs Kochen. In seiner späteren Lehre hat er vor allem Schnitzel geklopft. Die Zeit nimmt er heute mit Humor und nennt es eine „solide Grundausbildung“. Schließlich führt sein Weg nach London. Gemeinsam mit Molekularkoch Heston Blumenthal und Chemikern tüftelt er im Küchenlabor von „The Fat Duck“ an wissenschaftlichen Grundlagen des Kochens mit Messbecher, Spritze und Pipette. Fünf Jahre lang unterstützte er das Küchenteam täglich 16 Stunden. Eine harte Zeit, aber: „Das war halt einfach genial. Weil man mir Dinge gezeigt und beigebracht hat.“
Nach seinem Umzug nach Zürich sind er und Elif an der Eröffnung verschiedener Pop-up-Lokale beteiligt, darunter das „Wood Food“, die „Wild Bar“ und das „Taco-Fenster“. „Die Pop-ups haben mir geholfen, was das Organisatorische und Strategische betrifft. Aber ohne Elif hätte ich das nie geschafft. Sie ist konsequenter, strikter, sauberer – und sie kann besser mit Menschen“, ist er überzeugt.
Im Januar 2018 eröffneten beide ihr erstes eigenes Restaurant, das „Wirtshaus Rosi“ beim Lochergut. Inspiration für die Gerichte findet Markus beim Studium alter Kochbücher. Insbesondere jene von Johann Rottenhöfer ziehen ihn in den Bann. Rottenhöfer arbeitete im 19. Jahrhundert als Leibkoch von König Ludwig. Und der fand ebenfalls großen Gefallen an Backhendl oder Wurstsalat. Wenn Markus eine verrückte Idee hat, weiß Elif, wie man sie pragmatisch umsetzen kann.
Der Erfolg der beiden fußt auf einer wunderbaren Kombination aus Teamgeist, Neugier und Tatendrang. Für Markus geht im Rosi ein Traum in Erfüllung, bayerische Küche auf diesem Niveau und in dieser verspielten Form anzubieten. Das Angebot im Restaurant ist klein und delikat. Der Text der Speisekarte ist in bayerischer Mundart verfasst. Da braucht das Züricher Ohr oft eine mündliche Übersetzung. Genau diese Gespräche mit Gästen sind für das Wirtepaar unglaublich bereichernd. Und den frisch-frechen Humor von Markus können Gäste sogar auf dem Teller schmecken. So wird zu Beginn eines Menüs gerne auch mal Kaffee und Kuchen serviert. Wer kostet, bemerkt schnell: Die perfekte achtschichtige Torte ist salzig und der Espresso eigentlich eine geräucherte Pilzconsommé.
Auch privat lassen sich Elif und Markus gerne von neuen Produkten überraschen. „In München hat mir ein Lieferant mal eine Delikatesse zum Probieren gegeben. Es schmeckte wie so eine cremige Dörrfrucht-Masse mit Nüssen. Es stellte sich heraus, dass es Exkremente von einem iranischen Baby-Esel waren.“, berichtet Markus.
Derlei Zutaten wird man im Rosi gewiss nicht finden. Doch es bleibt abzuwarten, welche ausgefallenen Ideen die Köpfe dieses Power-Paares künftig noch zu Tisch bringen. Immerhin haben es sogar schon Fabelwesen wie der Wolpertinger auf die Karte geschafft. Vielleicht gibt es ja demnächst ein Tatzelwurm-Ragout.