ERR HORX, ES IST MOMENTAN EINE BESONDERE ZEIT, IN DER WIR LEBEN. KRISEN WIE DIE CORONA-PANDEMIE HABEN DAS ZEUG, DEN WANDEL ZU BESCHLEUNIGEN – AUCH IM TOURISMUS. SIE GEHEN DAVON AUS, DASS REISENDE KÜNFTIG ANDERE ANSPRÜCHE HABEN. WELCHE WERDEN DAS SEIN UND WELCHE WERTE PRÄGEN DEN TOURISMUS VON MORGEN?
Momentan tendieren wir dazu, zu sagen, dass das Thema Hygiene im Tourismus ganz wichtig sein wird. Das ist aber nur ein Kurzzeiteffekt. Was bei Urlaubern viel mehr in den Mittelpunkt rücken wird, ist der Wunsch nach Bezug und Vertrauen. Nach der Krise und nach einer langen Zeit der Unsicherheit sehnen sich die Menschen nach Vertrautheit und Sicherheit. Es geht also weniger um das Explorative, die Entdeckung, das Neue im Urlaub, es geht um das Vertraute, um eine Art Rückbesinnung, ein Fokussieren auf die Menschen und die Region. Das sind die neuen Werte im Tourismus. Das belegen die stark steigenden Buchungszahlen in Österreich übrigens ganz deutlich.
BEZUG UND VERTRAUEN IM TOURISMUS - IST ES DAS, WAS SIE MIT RESONANZ-TOURISMUS MEINEN?
Es ist mehr als das. Der Begriff des Resonanz-Tourismus betrachtet das Beziehungsgefüge und den gegenseitigen Einfluss aller Akteure im System Tourismus. Und das ist weit mehr als nur eine Wertschöpfungskette bestehend aus Angebot, Preis, Leistung, Kunde und Anbieter. Der Resonanz-Tourismus ist also in gewisser Weise ein Gegenmodell zum Massentourismus. Der Tourist ist jemand, der etwas mitbringt, nämlich sich selbst, seine Einstellung, seine Werte und seine Lebenserfahrungen. Und daraus kann ein Hotelier, ein Gastronom, ein Ort oder eine Region enorm profitieren. Dieses sich gegenseitig etwas geben, dieses miteinander schwingen beschreibt der Resonanz-Tourismus. Es geht um die Wiederentdeckung des Kerns von Gastfreundschaft.
WORAN LIEGT ES, DASS DIESER KERN VON GASTFREUNDSCHAFT VERLOREN GEGANGEN IST?
Gerade im Tourismus haben wir es mit einer Über-Beschleunigung und einer Über-Globalisie-rung zu tun. Denken wir nur an das Phänomen Hallstadt in Österreich, den Ballermann auf Mallorca oder – aus gegebenem Anlass – an Ischgl. Corona hat da jetzt den Pausenknopf gedrückt und zwingt uns gewissermaßen einen Veränderungsprozess auf, der vielen richtig weh tut. Das wissen die Gastronomen und Hoteliers mehr als sonst wer momentan.
IST BAYERN EIN GEEIGNETES ZIEL FÜR RESONANZ-TOURISMUS?
Bevor wir auf Bayern schauen, gestatten Sie mir bitte einen Blick über den Alpenhauptkamm nach Südtirol. Dort geht resonanz-touristisch gesehen schon seit längerer Zeit richtig die Post ab. Dort funktioniert auch der Sommer-Tourismus reibungslos. Die Zutaten in Südtirol sind eine regionale Identität, eine feingliedrige Lokalität und Gastfreundschaft. Auch Bayern hat mit seiner sehr langen Kultur der Gastfreundschaft und einer weltweit bekannten Kultur größte Chancen im Resonanz-Tourismus. Wichtig ist es, zu erkennen, dass Bayern nicht nur Oktoberfest, Neuschwanstein und Hofbräuhaus ist. Bayern ist da viel feingliedriger und regionaler. Die Botschaft lautet also: Wir brauchen die Re-Regionalisierung im Tourismus. Deshalb braucht es für ernst gemeinten Resonanz-Tourismus auch den Job des regionalen Übersetzers.
WAS MEINEN SIE GENAU MIT REGIONALEM ÜBERSETZER?
Viele Tourismusregionen vermarkten heutzutage nur noch eine Art Karikatur der Kultur vor Ort. Diese Kultur ist verwässert oder verklärt von einzelnen touristischen Marketing-Botschaften. Damit – überspitzt gesagt – nicht alles wie Oktoberfest aussieht, braucht es Leute, die die kleinen, oft sehr feinen Unterschiede ihrer eigenen Region kennen und in der touristischen Vermarktung herausarbeiten. Und genau diese regionalen und oft auch lokalen Unterschiede gibt es ja in Bayern zuhauf. Eine solche Funktion als regionaler Übersetzer wäre eine ganz spannende Rolle.
WIE SOLL EINE SOLCHE REGIONALISIERUNG IM ZEITALTER VON ONLINE-BUCHUNGSPLATTFORMEN UND -REISEBÜROS DENN FUNKTIONIEREN?
genau hier liegt die Riesenchance vor allem für kleine Akteure, die sich dem Resonanz-Tou-rismus verschreiben wollen. Das Zauberwort lautet digitales Targeting. Zielgruppen lassen sich heute mit vertretbarem Aufwand klar eingrenzen und gezielt ansprechen. Was früher die teure Anzeige in einem Printmagazin mit hohen Streuverlusten war, ist heute die smarte Werbe-Kampagne über einen Social-Media-Ka-nal, die garantiert mein Zielpublikum erreicht. Mehr Regionalität darf für die Hoteliers und Gastronomen also nicht zu weniger digitaler Präsenz führen. Das wäre ein fataler Irrtum.
NOCH EINMAL ZURÜCK ZUR EINGANGS ERWÄHNTEN SEHNSUCHT NACH BEZUG UND VERTRAUEN. WAS BEDEUTET DAS DENN FÜR DIE MITARBEITER IN GASTRONOMIE UND HOTELLERIE IM TÄGLICHEN UMGANG MIT DEN GÄSTEN??
Es gibt Hotels, da darfst du als Mitarbeiter deinen Gästen keine Tipps geben, sondern du musst möglichst neutral sein. Oder du darfst nur den Nebeneingang benutzen. Resonanz-Tourismus ist das Gegenteil und will, dass sich die Menschen aufeinander einlassen. Am Ende bringt das eine viel authentischere Erfahrung – für alle Beteiligten. Der Mitarbeiter in einem Hotel ist eben nicht nur Empfänger, er ist auch Sender, und das setzt Freiräume im Umgang und der Kommunikation mit den Gästen voraus. Die schönsten und interessantesten Reisen sind doch jene, bei denen man von den Hotel-Angestellten nach Feierabend noch auf einen Drink in einer Bar im Urlaubsort eingeladen wird. So entstehen Beziehungen. Und genau deswegen ist es an der Zeit für mehr Resonanz im Tourismus.