RAU STAATSMINISTERIN KANIBER, IHRE ELTERN FÜHRTEN EINEN GASTRONOMISCHEN BETRIEB. HABEN SIE HIER IN IHRER KINDHEIT UNTERSCHIEDE ZWISCHEN DER TÄTIGKEIT VON MÄNNERN UND FRAUEN WAHRGENOMMEN?
Ja, definitiv, denn die Aufteilung der Rollen war damals noch sehr klassisch: Die Köche waren oft Männer, Frauen waren im Bereich Service, Housekeeping und als Küchenhilfe eingesetzt. Eins muss ich dabei allerdings gleich zurechtrücken: Das war nicht in erster Linie der Einstellung meiner Eltern geschuldet, sondern hing auch mit der Frage zusammen, wer sich auf welche Stelle bewirbt. Und es kam natürlich auch noch hinzu, dass auf dem Land diese Rollenbilder immer stärker ausgeprägt waren als in der Stadt. Bei meiner Schwester, die heute eine Hotel führt, ist das schon ganz anders.
WARUM BRAUCHEN WIR STARKE FRAUEN IN DER UNTERNEHMENSWELT UND INSBESONDERE AUCH IM GASTGEWERBE?
Eigentlich müssten wir uns zunächst mal die Frage stellen, warum es diese Diskussion überhaupt noch braucht. Ich finde, dass Frauen tagtäglich in allen Bereichen beweisen, dass sie starke Führungspersönlichkeiten sind. Aber ich bin mir sicher, dass sich hier in den kommenden Jahren viel tun wird. Denn immer mehr Frauen machen heutzutage Abitur, gehen zum Studieren oder Promovieren letztendlich sogar. Aber wir dürfen nicht nur auf Akademikerinnen blicken. Frauen übernehmen auch als Handwerksmeisterinnen Führungsrollen. Nicht nur die Politik wird weiblicher, auch die Unternehmen und das Gastgewerbe werden es. Außerdem sehe ich es regelmäßig bei meinen Besuchen auf landwirtschaftlichen Betrieben: Eine starke Frau, die alles managt, ist ein wichtiger Faktor für den Erfolg des Betriebs.
VOR ZEHN JAHREN SIND SIE ALS QUEREINSTEIGERIN IN DIE VON MÄNNERN DOMINIERTE POLITIK EINGESTIEGEN. MUSSTEN SIE MIT VORURTEILEN ALS FRAU KÄMPFEN UND FALLS JA, WIE SIND SIE DAMIT UMGEGANGEN?
Ja, klar habe ich das erlebt und damit bin ich definitiv nicht die Einzige. Und das, obwohl damals schon eine Frau bereits mehrere Jahre Bundeskanzlerin war. Männer werden nicht gefragt, wie sie Job, Familie und Politik gemeinsam unter einen Hut bringen. Aber als Frau und junge Mutter schlägt dir das sofort entgegen. „Wie willst du denn das mit der Familie und der Kindererziehung in Einklang bringen?“ In der CSU-Landtagsfraktion hingegen habe ich nie das Gefühl gehabt, auf Vorurteile zu stoßen. Als ich in die Fraktion kam, hat die Fraktion gerade noch eine Frau, nämlich die allseits anerkannte Christa Stewens, geführt: Wenn ich heute auf solche Vorurteile stoße, dann bereitet es mir ehrlich gesagt eine diebische Freude, diese zum Einstürzen zu bringen. Da hilft mir allerdings auch mein südländisches Temperament – ich weiß mich zu wehren. Das durfte damals zum Amtsantritt gleich mal der damalige Präsident des Jagdverbands spüren, der mich auf der Landesversammlung auf das Klischee der netten und niedlich anzusehenden Frau reduzieren wollte. Hat er später nicht mehr gemacht.
NICHT NUR IN DEN FÜHRUNGSETAGEN GROSSER UNTERNEHMEN, SONDERN AUCH IN PARLAMENTEN IST DER ANTEIL WEIBLICHER ABGEORDNETER IMMER NOCH SEHR GERING, SO BETRÄGT DER FRAUENANTEIL IM BAYERISCHEN LANDTAG LEDIGLICH 28 PROZENT. WIE SOLLEN SICH FRAUEN VON DER POLITIK REPRÄSENTIERT FÜHLEN?
Ich kann nur alle Frauen ermutigen, sich politisch zu engagieren, damit wir genau dieses Ungleichgewicht beseitigen. Aber grundsätzlich geht unsere Staatsregierung mit einem sehr guten Beispiel voran. Bei der Berufung der Minister in Bayern hat Ministerpräsident Dr. Markus Söder darauf geachtet, dass die Ämter zu Hälfte mit Männern und Frauen besetzt wurden – zumindest für den Teil, über den er bestimmen konnte, also bei den von der CSU gestellten Ministerinnen und Ministern. Viele meiner Parteikolleginnen wie zum Beispiel Judith Gerlach, Melanie Huml, Kerstin Schreyer, Carolina Trautner und ich zeigen doch den Frauen und Müttern auf, dass man als Frau sehr erfolgreich seine Meinung vertreten kann. Barbara Stamm und Ilse Aigner haben schon sehr früh angefangen, sich in der Politik einen Namen zu machen und sehr wichtige Positionen im Landtag einzunehmen. Barbara Stamm war eine echte Pionierin auf dem Gebiet. Somit hoffe ich, dass sich die Frauen heute ein Beispiel nehmen und sich trauen, zu kandidieren. Viele Frauen sollten den Mut haben, sich auf Gemeindeebene zu engagieren. Der Bedarf ist da, Frauen haben eine andere Herangehensweise und Sichtweise, das tut uns allen gut. Eine gesunde Mischung macht es aus. Allerdings müssen wir Strukturen schaffen, die es Frauen auch leichter machen, den Einstieg in die Politik zu finden. Junge Mütter können nicht stundenlang in Nebenzimmern und Vereinsheimen sitzen.
DIE GESELLSCHAFTLICHE BEDEUTUNG VON FRAUEN AUF DEM LAND HABEN SIE DIESES JAHR BESONDERS GEWÜRDIGT. NEBEN BÄUERINNEN SIND AUCH UNSERE GASTGEBERINNEN WICHTIGE LEISTUNGSTRÄGERINNEN UND INNOVATIONSTREIBER. WORIN WOLLEN SIE UNSERE BAYERISCHEN UNTERNEHMERINNEN BESONDERS FÖRDERN?
Im Frühjahr dieses Jahrs haben wir zum Beispiel die Bäuerinnen-Studie vorgestellt. Allein hierbei ist die große Bedeutung der Frauen für Betriebe deutlich geworden. Auch das gesellschaftliche Engagement am Ort hängt zu einem hohen Anteil an Frauen. In der Gastronomie erlebe ich oft, dass Frauen als Unternehmerinnen empathischer und mit einem besonderen Gespür für Gastlichkeit und Gastfreundschaft arbeiten. Diese Fähigkeiten braucht es in unseren Unternehmen genauso, wie andere Stärken. Wir setzen in Bayern im Bereich der Ernährung ganz klar auf Premiumqualität. Das liefert den Verbrauchern einzigartige Lebensmittel und den Betrieben bessere Einkommensmöglichkeiten. Das wollen wir gemeinsam mit allen Partnern der Wertschöpfungskette gewinnbringend anschieben. Auch hier sind die Frauen auf dem Land für uns unglaublich wichtig, denn sie sind es, die zumeist den heimischen Hofladen betreuen.
WER IST UND WAR FÜR SIE AUF IHREM LEBENSWEG BISHER EIN VORBILD?
Politisch war das ganz klar Franz Josef Strauß. Mein Opa hat oft Debatten im Fernsehen verfolgt und ich habe dabei zugesehen. Strauß hat mich schon als Kind mit seiner Wortgewalt und seiner Prinzipienstärke überzeugt. Später war es dann Edmund Stoiber. Ich fand es beeindruckend, wie konsequent dieser Zukunftsthemen umgesetzt hat. Ich nenne da nur die High-Tech-Offensive oder die Hochschuloffensive. Die Fachhochschulen in die ländlichen Regionen zu bringen und diese damit zu stärken, war in meinen Augen eine sensationelle Idee. Wir alle profitieren heute davon, dass wir in ganz Bayern eine hohe Lebensqualität haben. Privat war es meine Oma, die für mich immer Vorbild war. Sie hat sich auch von einem autokratischen System damals in Jugoslawien nicht unterkriegen lassen. Sie hat sich ihre Meinungsfreiheit einfach genommen. Die Polizei wollte damals, dass sie im Lokal das Kreuz abnimmt. Denen hat sie gesagt, dass sie lieber das Bild des Kommunisten und jugoslawischen Staatschefs Tito mitnehmen sollen. Solch einen Mut muss man erstmal haben. Egal ob männlich oder weiblich.
MIT WELCHEN HERAUSFORDERUNGEN SEHEN SIE BAYERN NACH CORONA AUS IHRER SICHT ALS ERNÄHRUNGS- UND LANDWIRTSCHAFTSMINISTERIN DERZEIT KONFRONTIERT?
Leider ist Corona noch nicht vorbei, sondern mit voller Wucht zurück. Aber Corona hat vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern bewusst gemacht, wie wichtig eine sichere Versorgung mit heimischen Lebensmitteln ist. Gleichzeitig wissen wir aus unserer Ernährungserhebung in Bayern, dass die Menschen vermehrt regionale Lebensmittel einkaufen, mehr selbst kochen und sich auf ihre örtliche Gastronomie besonnen haben. Die Herausforderung wird darin bestehen, diese neugewonnen Gewohnheiten auch im Alltag nach Corona weiter beizubehalten. Wir müssen diesen Schwung auf jeden Fall aufnehmen und versuchen, ihn weit in die Zukunft zu tragen. Das Schöne ist, dass unsere Landwirtinnen und Landwirte dies zunehmend als Chance für den eigenen Betrieb sehen. Sie differenzieren ihre Produkte und vermarkten diese verstärkt auf regionalen Märkten. Gastronomie, Hotellerie, Gemeinschaftsverpflegungseinrichtungen, aber auch das Ernährungshandwerk sind hierbei wertvolle Partner für mehr Wertschätzung und mehr Wertschöpfung im Lebensmittelbereich. Auch sie greifen gerne auf regionale Produkte zurück. Die Chancen sind noch längst nicht ausgeschöpft. Auf der anderen Seite werden wir in der Landwirtschaft – mitunter auch in Folge der Corona-Krise – mit Marktverwerfungen, insbesondere im Bereich der Schweinehaltung, zu kämpfen haben. Außerdem beschert der Klimawandel unserer heimischen Land- und Forstwirtschaft enorme Herausforderungen. Corona überlagert hier derzeit nur die Debatte.
WIE KANN IHR MINISTERIUM DEN – AUCH DURCH CORONA VERSTÄRKTEN – WUNSCH ZU MEHR REGIONALITÄT IN EINEM AUSGEWOGENEN ZUSAMMENSPIEL VON ERZEUGER-, ANBIETER- UND VERBRAUCHERSEITE FÖRDERN?
Wir haben hierfür mittlerweile ein breites Maßnahmenspektrum auf- und ausgebaut. Dazu gehören auf der einen Seite unsere Zeichen GQ Bayern, Bayerisches Biosiegel oder der EU-Herkunftsschutz. Aber auch unsere drei Plattformen („Wirt sucht Bauer“, „Regionales Bayern –Komm hin, wo´s herkommt“ und „RegioVerpflegung“), unsere investiven Maßnahmen „VuV regio“, „Marktstrukturförderung“, „Diversifizierungsförderung“ sowie die „Regionaltische“ leisten einen wertvollen Beitrag. Zudem hat die Bayerische Staatsregierung beschlossen, dass bis 2025 in allen staatlichen Kantinen 50 Prozent regionale und bioregionale Lebensmittel verwendet werden sollen. Unser Haus unterstützt die Umsetzung mit einer ressortübergreifenden Arbeitsgruppe. Unsere Fachleute coachen derzeit 30 staatliche Kantinen für eine erfolgreiche Umsetzung.
GASTGEWERBLICHE BETRIEBE KÖNNTEN MIT EINER VIEL WEITER GEHENDEN PLATTFORM ALS „WIRT-SUCHT-BAUER“ ES DERZEIT BIETET, DIE DIREKTVERMARKTUNG LANDWIRTSCHAFTLICHER, REGIONALER PRODUKTE ANKURBELN. WARUM GIBT ES EIN SOLCHES ANGEBOT NOCH NICHT?
Hier möchte ich zunächst einmal darauf hinweisen, dass die Vermarktung von Lebensmitteln ureigene Aufgabe der Marktakteure ist. Der Staat kann hier allenfalls subsidiär und flankierend tätig werden. In diesem Sinne schöpft das Staatsministerium seinen Spielraum durch vielfältige Maßnahmen in Initiativen bereits mehr als aus. Unabhängig davon gibt es im Bereich der Direkt- und Regionalvermarktung ganz beeindruckende Aktivitäten der Wirtschaft und der Berufsvertretung, etwa die zahlriechen Regionalinitiativen, die vielen Regionalvermarktungsplattformen oder das Format „Einkaufen auf dem Bauernhof“. Wer hier Regional- und Direktvermarkter-Produkte sucht, wird definitiv fündig.
KÖNNTE DIE POLITIK HIER NICHT UNTERSTÜTZEND TÄTIG WERDEN. EINE ART DIREKTVERMARKTUNGSPLATTFORM MIT EINEM „KÜMMERER“, UM ERZEUGER, VEREDLER UND GASTRONOMIE ZUSAMMENZUBRINGEN?
Die Politik macht hier schon sehr viel, wie aus meinen vorherigen Antworten hervorgeht. Aktuell haben wir an neun Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (ÄELF) sogenannte „Regionaltische“ eingerichtet. Das Konzept werden wir zeitnah auf ganz Bayern ausdehnen. An den Regierungen schaffen wir derzeit unter dem Begriff „Heimatagentur“ eine Anlaufstelle für die Regionalvermarktung, die die ÄELF bei ihrem Bemühen, die Marktakteure für gemeinsame Projekt zusammenzubringen, unterstützen sollen. Es wäre schön, wenn alle die bereits bestehenden Angebote promoten würden, damit sie breit genutzt werden. Weil das wieder ein Baustein wäre, Bayern zu einem Genussland mit Premiumproduktion aus der Region zu machen.
ZUR PERSON
Die gelernte Steuerfachangestellte begann ihre politische Karriere als Beisitzerin im CSU-Ortsverband Bayerisch Gmain. Nach unterschiedlichen Positionen als stellvertretende Vorsitzende und Vorsitzende des Ortsverbands avancierte sie zur Kreisvorsitzenden der CSU im Berchtesgadener Land. Im Jahr 2008 wurde sie Gemeinderätin, seit 2013 ist Michaela Kaniber Landtagsabgeordnete. Nach 5-jähriger Tätigkeit im Ausschuss für Arbeit und Soziales, Jugend, Familie und Integration sowie im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst wurde sie 2018 zur Staatsministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ernannt.