
Auf einen Digestif mit …
10. September 2022
Ralph Schiller über das Thema Nachhaltigkeit im Tourismus
5. Dezember 2022
Auf einen Digestif mit …
10. September 2022
Ralph Schiller über das Thema Nachhaltigkeit im Tourismus
5. Dezember 2022Vom Umgang mit knappen Ressourcen in Hotellerie und Gastronomie
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isweilen können wir den Begriff Nachhaltigkeit nicht mehr hören, da er überstrapaziert scheint. Vor allem, wenn er überwiegend an eher trivialen Verbrauchsgegenständen wie Trinkhalmen festgemacht wird. Aber es ist das treffende Wort für den enkelgerechten Umgang mit unserer Erde.

Der Terminus Nachhaltigkeit kommt aus der Waldwirtschaft, in der wir verhältnismäßig kurzlebigen Menschen – verglichen mit einem Baum – nicht umhinkönnen, in Generationen zu denken und zu handeln. Hanns Carl von Carlowitz, ein preußischer Bergrat und Oberberghauptmann des Erzgebirges, forderte in seinem Werk „Silviculture oeconomica“ aus dem Jahre 1713, dass nicht mehr Holz geschlagen werden dürfe, als nachwachse. „Es bedeutet, von den Erträgen einer Substanz und nicht von der Substanz selbst zu leben, also von den Zinsen und nicht vom Kapital.“
DER DRUCK EXTERNER ERWARTUNGSHALTUNG
Die Erwartungen von externen Gästen, Mitarbeitern (die internen Gäste), Investoren und der Öffentlichkeit an das Verantwortungsbewusstsein der Hoteliers und Gastronomen steigen. Gastgeber sehen sich deshalb zunehmend in der Pflicht, nachhaltiger zu wirtschaften, ihr gesellschaftliches und ökologisches Engagement zu dokumentieren sowie diese Aktivitäten nach außen zu kommunizieren. Jedes Handeln der Wirte und Gäste beeinflusst die derzeitigen sowie zukünftigen sozialen, umweltbezogenen und nicht zuletzt monetären Rahmenbedingungen unseres Umfelds. Die Frage ist, ob dieses Bewusstsein bei den Akteuren bereits vorhanden ist, oder erst entwickelt werden muss.NACHHALTIGKEIT MUSS GELEBT WERDEN
Wir finden viele sachliche und drängende Gründe für mehr Nachhaltigkeit in unseren Unternehmen. Nachhaltigkeit muss Inhabern sowie Mitarbeitern vor allem Spaß machen, sie begeistern und zutiefst befriedigen. Denn etwas, was man nur aus ökonomischem Kalkül macht, als „Nachhaltigkeitsstrategie“, ist nicht von Dauer und wird dadurch gerade nicht nachhaltig sein, weil man es nicht glaubhaft kommunizieren kann. Georg Schweisfurth, Metzger und Inhaber des ökologischen Seminarhotels Gut Sonnenhausen, bringt es folgendermaßen auf den Punkt: „Sie müssen richtig Spaß daran haben, weniger Müll zu produzieren! Es wird Sie innerlich, nicht nur ökonomisch freuen, wenn Ihre Stromrechnung von Jahr zu Jahr sinkt! Es muss Sie jeden Morgen zum Schmunzeln bringen, dass Sie einen Biobauern als Partner haben, der den Boden nachhaltig schützt, die Tiere anständig behandelt und für mehr Artenvielfalt statt Monokultur sorgt, und Ihnen täglich tropffrisches Gemüse und wöchentlich gesunde Hähnchen liefert. Erst wenn Sie dies jeden Tag aus vollem Herzen vor Ihren Gästen und Mitarbeitern ganz laut ausrufen, haben Sie es geschafft!“DAS „MAGISCHE DREIECK DER NACHHALTIGKEIT“
Die Enquete-Kommission zum „Schutz des Menschen und der Umwelt“ bildete 1994 den ganzheitlichen Nachhaltigkeitsgedanken einem „magischen Dreieck“ ab, das besagt, dass eine Entwicklung nur dann nachhaltig sei, wenn Umwelt, Soziales und Ökonomie gleichrangig sind und in systematischer Weise miteinander verknüpft werden. Der Begriff der Nachhaltigkeit bezeichnet somit auch die besondere Rolle des Gastgebers hinsichtlich ökonomischer, ökologischer und sozialer Ziele.
1. ÖKONOMISCHE NACHHALTIGKEIT
Die ökonomische Nachhaltigkeit beschreibt die betriebswirtschaftliche Nutzung eines Systems im Sinne einer Organisation oder eines Unternehmens in einer Weise, dass dieses in seinen wesentlichen Eigenschaften dauerhaft erhalten bleibt und sein wirtschaftlicher Fortbestand so gesichert ist. Wirtschaftliches Handeln sollte folglich umwelt- und sozialverträglich sein und Wohlstand nicht allein durch Wachstum und Besitzmehrung erreicht werden, sondern vielmehr die Lebensqualität im Vordergrund stehen. Insbesondere drei Fragen beschäftigen die gastgewerblichen Unternehmer hinsichtlich des ökonomischen Nachhaltigkeitsaspekts:PRAXISBEISPIEL ZUR WIRTSCHAFTLICHEN NACHHALTIGKEIT
Der technische Leiter des auf Familien und Tagungen spezialisierten Rhön Park Hotel Aktiv Resorts widmete sich im Rahmen einer mehrwöchigen „Auszeit“ drei Fragestellungen:Wo wieviel Energie im Rhön Park Resort verbraucht wird,
welche Maßnahmen bei den größten Verbrauchern wirtschaftlich
wie das Rhön Park Hotel die Energieversorgung wirtschaftlich sicherstellt.
Darauf basierend konnte ein strategischer Maßnahmenplan erarbeitet werden, der zu einer signifikanten Kosteneinsparung führte.
Bringt das Investment in Nachhaltigkeit und Verantwortung gegenüber der Gesellschaft einen Return on Investment?
Ist der Gast bereit, die eventuellen Mehrkosten mitzutragen?
Woher erhalte ich das Kapital für einen ganzheitlichen Ansatz inklusive der korrespondierenden Maßnahmen?
Als Ergebnis dieser Unsicherheit sind kleine und mittelständische Gastgeber oftmals noch nicht bereit, das Thema Nachhaltigkeit strategisch anzugehen oder noch umfassender, Maßnahmen hinsichtlich der Corporate Social Responsibility (CSR-Maßnahmen) in ihrer Unternehmenspolitik zu verankern.
Ein Blick auf die Energiekosten, welche im Branchendurchschnitt bei rund 7 Prozent liegen und aktuell kontinuierlich steigen, kann ein weiterer Indikator für Handlungsbedarf beim Thema Nachhaltigkeit sein und beispielsweise zur Inanspruchnahme eines Energieberaters führen. In größeren Hotels kann es sich beispielsweise lohnen, die für die Haustechnik verantwortliche Person für einen gewissen Zeitraum „freizustellen“, damit sie sich in Ruhe mit dem Thema Kostenersparnis beschäftigt.
2. SOZIALE NACHHALTIGKEIT
Soziale Nachhaltigkeit beschäftigt sich mit der Nutzung eines Systems oder einer Organisation in einer Weise, dass dessen wesentliche Eigenschaften und der personalbezogene sowie gesellschaftliche Fortbestand gesichert sind. Soziale Nachhaltigkeit kann jedoch auch als die Lösung der Verteilungsprobleme zwischen Regionen, sozialen Schichten, Geschlechtern und Altersgruppen sowie der kulturellen Integration von Zugehörigkeiten und Identitäten definiert werden. Das übergeordnete Ziel dabei ist eine auf Dauer zukunftsfähige, lebenswerte Gesellschaft.Insbesondere hinsichtlich des Umgangs mit Mitarbeitern schien die Branche lange Nachholbedarf zu haben, was sich insbesondere am derzeitigen Arbeitskräftemangel ablesen lässt. Bei Nachhaltigkeitsaktivitäten geht es damit um das Gegenteil von kurzfristigen Gewinnstreben und Kostensenkungsmaßnahmen. Mitarbeiter werden als Ressourcen verstanden, wie es in der englischen Bezeichnung „Human Resources Management“ (HR-Management) für Personalmanagement deutlich wird. Diese Ressourcen gilt es bei einem nachhaltigen Personalmanagement dauerhaft zu erhalten, das heißt, es sollte eine Balance zwischen Ressourcen-Beanspruchung sowie Ressourcen-Regeneration geben. Dies gilt es beispielsweise im Rahmen von Personalmanagement-Aktivitäten wie Gesundheitsmanagement, Work-Life-Balance, Arbeitszeitregelungen, Zurverfügungstellung von Wohnraum und Personalentwicklung zu berücksichtigen.
Celine Chang, Professorin für HR-Management betont: „Nachhaltigkeitsziele können nur dann in die Praxis umgesetzt werden, wenn die Mitarbeiter diesen Ansatz ‚leben‘ und in ihren Entscheidungen und Handeln berücksichtigen. Dafür bedarf es Strukturen und Prozesse im Personalmanagement, welche die Umsetzung unterstützen.“
3. ÖKOLOGISCHE NACHHALTIGKEIT
Die Wissenschaft von den Beziehungen zwischen Lebensgemeinschaften und der Umwelt ist die Ökologie. Ökologische Nachhaltigkeit beschreibt also die Nutzung eines Systems in einer Weise, dass dieses in seinen wesentlichen Eigenschaften dauerhaft erhalten bleibt.Nachhaltiges Wirtschaften bedeutet demnach, Profite sozial und ökologisch verantwortungsvoll zu erwirtschaften und nicht, Profite zu erzielen, um sie dann für soziale oder Umweltbelange einzusetzen. Oftmals herrscht das Primat der Ökologie vor, im Sinne, dass Umweltschutz wirtschafts- und sozialverträglich zu gestalten sei. Dies erklärt, warum Nachhaltigkeit heute häufig mit Umweltschutz und -verträglichkeit verbunden wird. Dabei ist die Ökologie die wesentliche und tragende Dimension, da der Mensch ohne einen bestimmten quantitativen und qualitativen Zustand des Ökosystems nicht überlebensfähig ist.
Als Fazit lässt sich festhalten: Es gilt, den Nachhaltigkeitsgedanken ganzheitlich im Betrieb zu implementieren und täglich zu leben, um auf diese Weise die eigene sowie die Lebensqualität nachfolgender Generationen sicherzustellen.
Prof. Dr. Axel Gruner,
Fakultät für Tourismus, Hochschule für angewandte Wissenschaften München (HM)