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omputer, eine Gemüsesuppe, nicht zu heiß! – So haben Kirk, Scotty und Uhura ihr Essen auf Raumschiff Enterprise bestellt. Zukunftsvisionen der 1960er: Die Enterprise schwebt im Jahr 2200 durchs All, Verpflegung gibt es per Sprachbefehl vom Nahrungs-Replikator. Bis zum Jahr 2200 dauert es zwar noch, doch Gastgeber Bayern will wissen: Was ist technisch heute schon möglich?
Das Gastgewerbe ist eine Mensch-zu-Mensch-Branche. Angesichts des Fachkräftemangels wird es dennoch wohl bald Betriebe geben, für die Kochroboter interessant sein könnten. So wagen wir einen Blick zwischen rotierende Metallarme und Vorratsbehälter, um herauszufinden, was die Technik leistet: Wir besuchen einen Kochroboter und sein Team, die Circus Group.
Auf Basis von KI und Robotik hat das Unternehmen den weltweit ersten kommerziell nutzbaren Roboter für die Lebensmittelproduktion entwickelt. Das Gerät schafft mehr als 2.000 Gerichte pro Tag. Typischerweise benötigt eine Kantine in dieser Größenordnung zwischen 20 und 50 Angestellte. Dies schließt Köche, Küchenhilfen, Reinigungspersonal und Servicemitarbeiter ein. In Zeiten von Fachkräftemangel ein wachsendes Problem für Universitäten, Unternehmen oder Krankenhäuser. Der Kochroboter übernimmt alle Prozesse, die sonst in Großküchen anfallen: von der Ausgabe der Zutaten über das Kochen, Reinigen, Kühlen bis hin zum Verpacken.
Der Showroom der Circus Group in München ist schlicht, hell und frei von jeglicher Ablenkung. Die Aufmerksamkeit der Besucher ruht ganz allein auf dem Roboter, der präzise und schweigend seine Aufgaben verrichtet: „Circus Autonomy One“ oder kurz CA-1, nennt sich das Gerät. Hungrig und etwas skeptisch schauen Gäste in die geöffnete Glasfront der Maschine: Wo ist es, das Essen? Und wie funktioniert diese Maschine überhaupt? Wir sprechen mit einem, der es wissen muss, dem Gründer der Circus Group, Nikolas Bullwinkel:
„Im Food-Roboter können alle Zutaten exakt dosiert, Speisen zubereitet, Töpfe gereinigt, Mahlzeiten verpackt und an den Endverbraucher übergeben werden. So ist eine vollständige Digitalisierung und Automatisierung der Küchenprozesse möglich. Im ersten Schritt wählt der Kunde am Display oder in der App das gewünschte Gericht aus. Das ist das Startsignal für den Roboter. Er beginnt nun, die benötigten Zutaten aus den integrierten Vorratsbehältern zu entnehmen. Anschließend platziert der Roboterarm den Kochtopf auf der Kochstation, wo die Zutaten zwei bis drei Minuten garen. Im nächsten Schritt füllt er das Essen aus dem Kochtopf in den Ausgabebehälter um und stellt diesen in eines der Ausgabefächer, wo der Kunde sein Essen bereits fünf Minuten nach der Bestellung abholen kann. Im letzten Schritt reinigt der Roboter den Kochtopf in der integrierten Industriespülmaschine.“
Und schon geht’s los. Vor unseren Augen setzen sich die Roboterarme in Bewegung, greifen nach Töpfen und führen diese zu den Vorratsbehältern. Gefüllt mit Fleisch und Gemüse werden sie anschließend auf rotierenden Kochplatten abgesetzt. Die Rotation, die Beschichtung im Topf und ein integrierter Rührarm verhindern, dass die Zutaten ankleben. Binnen kürzester Zeit halten wir einen asiatischen Salat mit Hähnchenfleisch in der Hand. Fleisch zart, Gemüse knackig und tipptopp gewürzt.
Bullwinkel: „Alle Zutaten wurden in enger Zusammenarbeit mit namhaften Herstellern entwickelt, um den Anforderungen und Bedürfnissen des Roboters gerecht zu werden. Dazu zählt zum Beispiel, dass die Garzeit nicht länger als 240 Sekunden dauern darf. Bestimmte Zutaten, wie etwa Nudeln, müssen vorgegart geliefert werden, sodass der Roboter damit arbeiten kann. Auch das lange Einkochen von Saucen für eine bestimmte Textur muss vorher stattfinden. Die Zutaten werden so vorbereitet, dass am Ende des Kochprozesses alle Bestandteile eines Gerichts die optimale Konsistenz erreicht haben und ihren vollen Geschmack entfalten können.
In München haben wir ein Team, das die Zutaten und Rezepte entwickelt. Es stellt sicher, dass sie auf unsere Roboter abgestimmt sind und die Gerichte reibungslos zubereitet werden können. Kunden können mit unseren gastronomischen Konzepten arbeiten, die über Lizenzgebühren erhältlich sind, oder gemeinsam mit uns Gerichte entwickeln. Der Aufwand hängt natürlich stark von der Komplexität des Menüs und den einzelnen Rezepten ab.“
Bullwinkel: „Eine Herausforderung ist es natürlich immer, wenn warme und kalte Zutaten gemischt werden, wie zum Beispiel beim Chicken Caesar Salad. Aber da haben wir eine gute Lösung gefunden. Ansonsten spielt natürlich auch der persönliche Geschmack eine Rolle, zum Beispiel wie scharf die Sauce für Penne Arrabbiata sein darf.“
Bullwinkel: „Wir konzentrieren uns auf alles, was im Kochtopf zubereitet werden kann. Das heißt, dass Ofen- oder Grillgerichte bei uns nicht auf der Karte stehen. Aber das Angebot an Pizza und Burgern ist ja auch schon groß genug. Gleichzeitig wollen wir unser kulinarisches Angebot noch breiter aufstellen und weiter ausbauen, um möglichst viele Geschmäcker abzudecken und ein vielfältiges Angebot für möglichst viele Anwendungsfälle zu schaffen. “
Bullwinkel: „Auf jeden Fall, insbesondere wenn unser Team neue Rezepte oder Zutaten testet, freuen sich alle Mitarbeiter auf das Mittagessen. Aber auch Externe haben die Gelegenheit, ein Roboter-Essen zu probieren. Regelmäßig öffnen wir unsere Showrooms und laden Interessierte ein, in der Mittagspause bei uns vorbeizukommen.“
Bullwinkel: „Wir glauben, dass die Gastronomie sich künftig zunehmend in zwei Lager teilen wird. Das ist zum einen die klassische Erlebnisgastronomie, bei der das Ambiente, der Service und die Kulinarik im Vordergrund stehen, und zum anderen das praktische, zweckmäßige Essen wie der alltägliche Lunch oder der Snack unterwegs. Wir sehen, dass Automatisierung, wie Circus sie anbietet, die Lösung sein muss – und nicht optional ist. Das gilt besonders für die Gastronomie, die mit Preis-Leistungs-Verhältnis und Funktionalität beim Verbraucher punktet.
Ein entscheidender Vorteil des CA-1 ist seine Fähigkeit, Aufgaben zu übernehmen, die sich wiederholen, und damit menschliche Fehlerquellen zu beseitigen. So kann die Roboterlösung von Circus Zutaten exakt portionieren, was bei manuellen Prozessen oft ungenau und dadurch teuer ist. Mit anderen Worten: Unser Kochroboter CA-1 kann auf einer Fläche von nur sieben Quadratmetern eine komplette Kantine oder Großküche mit allen Geräten und Mitarbeitern ersetzen und rund um die Uhr frische und schmackhafte Mahlzeiten auf Abruf produzieren.“
Wir sehen global einen dringenden Bedarf und eine Vielzahl an Anwendungsmöglichkeiten in der öffentlichen Bildungs- und Verkehrsinfrastruktur, also in Universitäten, Schulen, Krankenhäusern, Flughäfen oder Bahnhöfen, aber auch im Lebensmitteleinzelhandel und grundsätzlicher Versorgungsinfrastruktur. Die Nachfrage insbesondere aus dem asiatischen und amerikanischen Markt hat unsere ursprünglichen Erwartungen weit übertroffen. Wir konnten bereits in den ersten Wochen der Kommerzialisierung Vorbestellungen für mehr als 8.000 Einheiten des CA-1 abschließen. Somit kommen wir bereits durch diese ersten Aufträge auf potenzielle Umsätze im niedrigen Milliardenbereich.
Text und Interview: Juliane Jerin