aria, mit 25 Jahren hast Du Dein Philosophie- und Germanistikstudium abgebrochen und Dich dann vergleichsweise spät für den Kochberuf entschieden. Was hat Dich zu diesem weisen Schritt bewogen?
Mich haben tatsächliches Tun, aktives Machen und das Umsetzen von Ideen schon immer sehr motiviert. Mit den eigenen Händen etwas zu schaffen, was andere berührt. Wenn auch nur für einen Augenblick, für einen Abend – das ist etwas Besonderes für mich.
Denkst Du manchmal daran, wie Dein Leben wohl weiter verlaufen wäre, wenn Du den akademischen Weg weitergegangen wärst? Oder bist Du kein Mensch, der großartig nach hinten blickt?
Das Leben ist endlich. Sinn muss es machen. Nicht für die anderen, sondern für einen selbst. Und so gesehen, danke ich für alles, was ich erleben darf. Und manchmal passiert es eben doch, dass es von Vorteil ist, die Philosophie in meinem Leben zu haben. Sie schenkt Freiheit. Freiheit im Geiste.
Kürzlich hat der Guide Michelin wieder die Spitzengastronomie ausgezeichnet – auch Du hattest 2013 einen der begehrten Sterne erkocht, dann aber freiwillig auf ihn verzichtet. Lebt und kocht es sich so leichter?
Für mich war der Michelin-Stern ein Ritterschlag, den ich nicht missen möchte in meinem Leben! Er ist ein Türöffner gewesen für Vieles, was ich bisher erleben durfte. Aber selbstbestimmt und frei zu leben, ist mir eben wichtiger, als der Beurteilung Dritter hinterher zu laufen. Alles hat seine Zeit. Und der Guide Michelin vergibt jetzt wohl auch einen grünen Stern – das ist echt auch ein guter Ansporn für alle, die nachhaltig arbeiten in der Gastronomie!
Sind Onlinebewertungsportale die moderne Variante von Gault Millau und Co? Oder misst du diesen eher wenig Bedeutung und Zuverlässigkeit bei?
Ganz ehrlich: Das ist ein Pakt mit dem Teufel. Wer blind auf Onlineportale vertraut, glaubt ebenso, dass die Erde eine Scheibe ist. Eine gefilterte, geschulte Kritik ist wichtig. Nicht übermäßig wichtig, aber doch gewinnbringend, wenn man sich entwickeln möchte. Deshalb möchte ich auf Gusto, Guide Michelin und Co. als konstruktive Ratgeber nicht verzichten. Ob die Liaison des Guide Michelin mit Tripadvisor tatsächlich sinnvoll ist, darüber darf man streiten. Aus Marketingsicht sicher, aber inhaltlich ist es wohl eher toxisch.
An welchen Werten oder Zielen orientierst Du dich heute beruflich und privat?
Authentizität anstreben mit sich und der Außenwelt. Loyal gegenüber denen zu sein, die dich fördern und fordern. Im Einfachen das große Glück entdecken.
Warum, denkst Du, hat es die Branche so schwer Nachwuchs zu finden?
Nicht die Generation heute hat verursacht, dass wir kaum mehr Leute mit Herz und Verstand finden. Das waren definitiv die vor uns. Totale Autoritäten, Ausbeutung bis aufs Bitterste. Angefangen bei Personalzimmern im Souterrain, Arbeitszeiten von 8 Uhr morgens bis 1 Uhr nachts bei militärischem Drill, gekrönt von einem noch bescheidenerem Gehalt.
Es ist kein Geheimnis, dass es weitaus weniger Köchinnen als Köche gibt. Wie können speziell junge Frauen für den Kochberuf begeistert werden?
Weniger Chauvinismus in der Küche, flexiblere Arbeitszeitmodelle und attraktive Verdienstmöglichkeiten bei gutem Arbeitsklima.
Musst Du dir Deine Autorität in der Küche härter erarbeiten als Deine männlichen Kollegen?
Härter sicher nicht. Manchmal ist es schon notwendig, sich ähnlichen Gepflogenheiten zu bedienen wie der derbste Hofnarr im Team. Mit Leistung allein wirst du kein Anführer. Dafür gibt es ja unzählige Beispiele.
Generell: Gibt es ein Geheimnis, wie man mit seinem Team umgehen sollte, damit das Ergebnis noch besser wird?
Teamgeist. Ehrlichkeit. Und den Willen zum Sieg. Mit allen Konsequenzen. Aber auch eine große Portion Mitgefühl!
Du zitierst auf Deiner Internetseite Vincent Klink mit den Worten „Was auf dem Teller liegt, verursacht die geringsten Kosten. Man könnte sagen, das Essen ist umsonst. Bezahlt werden muss das Personal, was nicht zu Sklavenlöhnen arbeitet. Der Rest der Kosten geht an Ausstattung, Miete und den Staat.“ Ist das, was wir Deutschen bereit sind, für gutes Essen und guten Service zu zahlen, zu wenig?
Jeder entscheidet selbst darüber, was er sich leisten kann und vor allem leisten will! Nicht selten trägt so mancher Kleingeist Klamotten für 1.500 Euro, aber fährt beim Lidl vor und kauft fürs perfekte Dinner am Wochenende ein.
Was war Dein schönstes Wirtshauserlebnis?
Tatsächlich diesen Sommer: Wir alle kannten uns noch nicht genau, aber wir alle – etwa zehn Leute – waren unabhängig vom Job in einem Münchner Biergarten und haben Geschichten erzählt. Und wir haben uns zusammen fast totgelacht. Unbeschreiblich. Nur Müll erzählt, Bier getrunken und Schnitzel gegessen. Ein Lachkrampf folgte dem nächsten. Es sind an diesem Abend tolle Bekanntschaften entstanden. Eine wahnsinnige Energie!.
Hand aufs Herz, bei welchen Speisen kannst Du schwerlich Nein sagen?
Mastleberterrine. Eiscreme. Champagner.
Gibt es auch ein absolutes Lieblingsessen?
Spaghetti Napoli – ein Dauerbrenner. Und gereiften Parmesan darüber!
Gibt es ein Lieblingsgetränk?
Wasser. Und wenn ich es mal krachen lasse, dann Sprudel! Gern auch ein Blanc de Blanc – bei Wasserknappheit!
Worauf legst Du bei der Auswahl eines Hotels immer besonders viel Wert?
Hundefreundlich sollte es sein und menschenfreundliches Personal. Keine aufgesetzte Freundlichkeit. Kann man vorher oft nicht einschätzen.
Gibt es etwas, was Du in einem Hotelzimmer besonders schätzt?
Frische Blumen.
Zu guter Letzt noch eine Bitte: Könntest Du den folgenden Halbsatz ergänzen? Ein Leben ohne Gastgewerbe wäre für mich
…absolut denkbar!
Zur Person
Maria Groß wuchs in Straußfurt auf und begann nach dem Abitur zunächst ein Studium der Philosophie und Germanistik in Leipzig und Berlin, brach dieses jedoch im Alter von 25 Jahren ab, um in einem Berliner Gourmetrestaurant eine Kochausbildung anzufangen. Anschließend war sie in mehreren Anstellungen in der Schweiz tätig, bevor sie in die Nähe ihrer Heimat nach Erfurt zurückkehrte und dort als Küchendirektorin des Kaisersaals von 2013 bis Mitte 2015 für das Gourmet-Restaurant CLARA, für die Kaisersaal-Bankettküche und das Mittelalter- Restaurant Lutherkeller zuständig war. Gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten führt sie seit 2015 das Restaurant Bachstelze im Erfurter Stadtteil Bischleben unter ihrem Label „MariaOstzone“. Medial bekannt wurde sie unter anderem als Jurorin der ZDF-Küchenschlacht, als Kochgegnerin von Tim Mälzer im VOX-Format „Kitchen Impossible“ sowie als Coach bei der Sat1-Show „The Taste“.