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nvestor Johannes Rabl spricht im Interview über die Wiederbelebung eines denkmalgeschützten Forsthauses und den mannigfaltigen Herausforderungen, die mit dem Projekt verbunden sind.
Von Thailand über die Malediven ins beschauliche Tegernseer Land: Johannes Rabl, ein erfahrener Hotelmanager und Geschäftsführer seiner eigenen GmbH, ist mit der Entwicklung von Hotel- und Gastronomiekonzepten bestens vertraut. Nun hat er sich einem ganz neuen Projekt gewidmet: der Wiederbelebung eines baufälligen Forsthauses inmitten der bayerischen Voralpen, gelegen zwischen Tegernsee und Spitzingsee.
Gemeinsam mit seinem Nachbarn und Geschäftsfreund Manuel Neuer hat er sich der Vision verschrieben, einen ganz besonderen Ort zu kreieren und einen Pachtvertrag auf 99 Jahre geschlossen. Im August wurde nach zweijähriger Instandsetzung die Wiedereröffnung gefeiert. Nun stehen ein Biergarten, eine Stube für die Bewirtung und zwölf Zimmer sowie zwei Apartments zur Übernachtung im neuen Forsthaus Valepp für Gäste bereit. Wir haben es besucht.
Ich war beruflich viel im Ausland unterwegs und wollte „über den Tellerrand schauen“. Mich hier beruflich niederzulassen war eine bewusste Entscheidung, da ich hier im Tegernseer Tal am glücklichsten bin. Seit 2015 beschäftige ich mich beruflich mit denkmalgeschützten Bestandsimmobilien mit dem Ziel, das, was schon da ist, mit Wertigkeit in die Zukunft zu transportieren. Den Nationalspieler Manuel Neuer und mich verbindet die Freude am Berg- und Radsport. Während eines Fahrradausflugs sprach er davon, dass er gerne gemeinsam mit mir eine Berghütte gemacht hätte. Wir haben dann bisschen darüber gesponnen, und als ein Bekannter mir von der Pachtmöglichkeit des Forsthaus Valepp erzählte, war das Interesse sofort geweckt. Die Abgabefrist für das Konzept war am nächsten Tag. Ich habe das Konzeptpapier noch in der Nacht erstellt und abgeschickt. Der Rest ist Geschichte.
Je mehr wir uns dann mit dem Thema „Valepp“ auseinandergesetzt haben, desto klarer wurde, welch besonderes Anwesen das ist und welche Aufgabe damit verbunden ist, es herrichten zu dürfen. Die Belastungen dabei waren enorm. Es hat unglaublich viel Geld gekostet und es war sehr schwer hier hinten zu bauen, mit der Straßenzufahrt, ohne Internet. Wir mussten allen Auflagen des Denkmal- und Naturschutzes gerecht werden und die richtigen Handwerker finden. Aber wir haben immer durch die Belastungen durchgeschaut und den Mehrwert dieser Aufgabe im Blick behalten. Jetzt sind wir mit der ersten Bauphase durch und sehr stolz auf das, was es geworden ist.
Das Grundkonzept entspricht dem der Erstversion, die Geschichte des Hauses hat es vorgegeben. Wir wollten die Architektur und Gastlichkeit von damals erhalten, aber mit den Attributen eines professionellen gastronomischen Betriebs des 21 Jahrhunderts versehen. Wir haben nur heimische Materialien verbaut, nur echte und wertige, kein Altholz, kein Fake. Unser Ziel war und ist es, das Valepp so aufzubauen, dass man versteht, dass man mit Regionalität, Nachhaltigkeit und Sensibilität trotzdem „sexy“ sein kann. Deshalb haben wir auch viel in die Markengestaltung und Kommunikation investiert. Selbst die Farbe, das Salbeigrün in unserem Haus und in der Kommunikation, kommt aus dem Haus. Wir haben das Treppenhaus durch Gutachten analysieren lassen. Die unterste Farbschicht hat das Salbeigrün ans Licht gebracht, das sich jetzt bei uns in der Gestaltung wieder findet.
Das Besondere an diesem Haus ist auf den ersten Blick die historische Aufgangstreppe – jeden Stein haben wir einzeln nummeriert, fotografiert, katalogisiert, abgebaut, hinterfangen und so wieder neu aufgebaut. Die 380 Balkonbalustraden wurden genauso einzeln behandelt und wieder aufgebaut. Wir haben jedes Detail per Hand aufbereitet – es war der helle Wahnsinn. Wir sind in ein Detail gegangen, das weit jenseits jeglicher Businesspläne liegt. Da war viel Leidenschaft dabei. Gestern habe ich eine E-Mail erhalten, in der steht, dass wir im November den Denkmalpreis vom Landkreis Miesbach verliehen bekommen, weil gesehen wird, wieviel in der Aufbereitung und den ausgewählten Materialien steckt. Das ging los beim historischen Dielenboden, der mühsam wieder hergerichtet wurde und endete beim historischen Obergeschoss, das als Blockverband errichtet wurde, den wir quasi mit Zahnbürste und Marseiller Seife per Hand gereinigt haben. Und diese Liebe zum Detail wollen wir auch unserem Gast vermitteln.
Grundsätzlich ist es so, dass die Petenten berechtigte Sorgen hatten. Ich habe immer gesagt: Wenn alles so kommt, wie ihr befürchtet, macht das Sinn, wenn ihr schimpft. Aber das, was die Sorgen ausgelöst hat, hatten wir ja nie vor, also konnte ich beruhigt agieren und transparent argumentieren. Wir haben Fürsprecher gewonnen, aber werden auch weiterhin beäugt. Manuel Neuer war bei diesem Bauvorhaben fast auch Segen und Fluch zugleich. Als Weltstar und Sympathieträger ist er natürlich ein Türöffner – ich habe hier hinten einen ganzen Koffer an Autogrammkarten, wenn Kinder fragen. Und auf der anderen Seite gibt es Leute, die wollen einfach nicht, dass Manuel Neuer etwas behutsam und sensibel aufbaut und unterstellen per se, dass er nur kapitalistische Interessen im Sinn hat: „Der ist ein Fußballer, der hat keinen Tiefgang.“ Es gibt Leute, die sind einfach jeglicher Argumentation unzugänglich – die sagen, nein, das kann nicht sein, ich will nicht, dass das erfolgreich ist. Ich sag dazu: Ja mei, dann kommst halt nicht! Und was die gegenseitige Unterstützung angeht: Der Manuel strahlte genau die Ruhe aus, die er auch im Tor ausstrahlt. Er hat eine so gelassene Art, die mir die ganze Zeit über ein gutes Gefühl gegeben hat. Viele Verteidiger sagen ja, wenn er im Tor steht, spiele ich sicherer. Das Gefühl hatte ich auch und konnte dadurch dann nochmal dieses eine Prozent am Ende mehr rausholen. Ich bin umso glücklicher, dass wir den Prozess gut überstanden haben und dass alles passt.
Ich habe damit gerechnet, dass es schwierig wird, aber dass es so schlimm wird, habe ich nicht erwartet. Alles, was ich habe, habe ich in dieses Haus gesteckt – mehr ging auch nicht. Wir sind durch verschiedene Phasen gegangen. Nachdem wir den Zuschlag bekommen haben, kam die Petition. Eine sehr politische Debatte. Dann kam die Bauphase, da haben die Leute teils schon argwöhnisch geschaut und Debatten eröffnet. Und dann haben wir eröffnet und dann kam dieser brutale Shitstorm aufgrund der Preise, der dann völlig ausgeartet ist. Irgendwann ging es auch nicht mehr um die Preise. Einerseits habe ich Drohbriefe von Leuten erhalten, die ich nicht kannte, aber gleichermaßen Zuspruch von Unbekannten erhalten, die ich auch nicht kannte.
Für mich hat es rein Garnichts mit Schickimicki zu tun, wenn ich wertige Produkte verkaufe. Meines Erachtens ist es nicht nachhaltig und regional, wenn ich ein Schwein aus der Massentierhaltung kaufe, nur um es günstig zu verkaufen. Bei uns gibt’s regionale Ware, den Bergkäse aus dem Dorf und das Fleisch vom Jäger. Grad kam der Fischer – der kommt direkt vom Schliersee und fährt uns den frischen Fisch an. Das kostet halt a Geld. Aber ich bin mir sicher, dass die Wertschätzung kommen wird, wenn wir den Leuten bei ihrem Besuch erklären, dass ihr Aufenthalt eine Reise in die Vergangenheit, fast ein kulturhistorischer Besuch ist und wo die Wertigkeit bei dieser Sanierung liegt.
Ich habe das genau analysiert, da es mich auch persönlich getroffen hat. Ich habe mir die Preisstrukturen anderer Hotels und Wirtschaften genau angesehen. Rein faktisch sind wir nicht teurer als die Umgebung. Tatsache ist, dass bei anderen Wirtshäusern Manuel Neuer nicht dabei ist. Manche Leute meinen aufgrund dieser Tatsache, dass die Produkte fast verschenkt werden sollten. Für mich sind wir ein Gasthaus für Jedermann. Man geht auch nicht täglich essen. Und ein Besuch bei einer großen Fastfoodkette ist weder günstiger noch qualitativ vergleichbar. Mit dem Verfasser der „kritischen Wurstsalatrezension“ bin ich mittlerweile im regen und konstruktiven Austausch. So geht’s halt auch. Wir haben Preise dann in Teilen angepasst, nicht weil sie falsch kalkuliert waren, sondern weil es mir wichtig war, die öffentliche Wahrnehmung wieder auf das Denkmal zu richten.
Meines Erachtens haben wir in Deutschland einen großen Fehler gemacht und die Preise in der Gastronomie über lange Jahre künstlich unten gehalten – auf Kosten des Tierwohls, auf Kosten der Angestellten und auf Kosten der Einrichtung. Jetzt ist das ungesunde Essen mit 7 Prozent Mehrwertsteuer besteuert und das wertige mit 19 Prozent, eine totale Themaverfehlung. Und wenn man bedenkt, dass die durchschnittliche Rendite in der deutschen Gastronomie bei drei Prozent liegt, dann sehe ich, was eine zwölfprozentige Differenz in der Mehrwertsteuer für negative Auswirkungen auf die Gastronomie hat. Da muss man als Staat einfach wissen, dass man einen Einfluss hat – das hätte ich niemals gemacht mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer.
Für mich war das Allerwichtigste im gesamten Entwicklungsprozess „Transparenz“. Wenn man nicht mit offenen Karten spielt und nicht proaktiv kommuniziert, können so viele Nebenkriegsschauplätze eröffnet werden, und sich Halbwahrheiten oder Fake News entwickeln, die man kaum mehr einfangen kann. Gerade die größten Skeptiker habe ich direkt zu Beginn eingeladen und mich mit ihnen zusammengesetzt. Wir sind nur erfolgreich, wenn der Zuspruch der allgemeinen Bevölkerung besteht und man wohlwollend miteinander umgeht. Und was den Denkmalschutz angeht – der ist immer eine Überraschungskiste. Hier kann ich weder skalieren noch ein Business ausbauen, wie man es vielleicht bei einer Hotelkette kann. Ich kann aber mit einer ganz klaren Idee gemeinsam mit den Behörden erstmal ein Vertrauensverhältnis aufbauen, sodass auch der Denkmalschutz sieht, wie ernsthaft und konsequent uns unser Anliegen und die spätere Umsetzung war.
Ja, und auch das gibt das Haus zumindest in Teilen vor. Wir haben am Frühstücksbuffet ein Abbild einer Zeichnung hängen, mit dem Titel „Kirchweih in der Valepp 1867“ und die Zeichnung zeigt, wie die Leute tanzen und feiern. Deshalb haben wir die Eröffnung für die Öffentlichkeit am 15. August im Rahmen der Almkirchweih gefeiert. Da waren fast 1000 Leute da. Wir hatten oben an der Kirche einen Gottesdienst und hier unten Biergartenbetrieb – das war grandios! Dieser traditionelle Festtag der Almkirchweih bleibt jetzt fest im Kalender. Im kommenden Mai planen wir eine Maiandacht und im Advent würde ich gerne ein Krippenspiel bei uns durchführen. Und natürlich kann man bei uns auch tagen oder in Kombination mit der Kapelle mal eine geschlossene Feier wie eine Hochzeit planen.
„Mia san d’Valepp“. Mia steht für alle die hier leben, die Bürger, die Einheimischen, die Beteiligten, die Mitarbeiter, die heimischen Handwerker, die Lieferanten, unsere Gäste, die uns besuchen. Die Valepp ist ein Bach, eine Almregion, die es nur hier gibt. Das heißt, verbunden mit der Heimat und der Natur, verbunden mit den Bürgern beschreibt es unsere drei Attribute, die wir während der Bauphase vor Augen hatten: Umweltschutz, Heimatschutz und Denkmalschutz.
Manuel Neuer und ich sind nur ein Kapitel in der Geschichte des Hauses. Nicht das erste und nicht das letzte. Wir haben gesagt, wir wollen genau hier einen Beitrag leisten und das muss sich am Ende auch rechnen, denn meine Mitarbeiter und ich leben davon. Unser Wunsch ist es, dass wir den Mia san d’Valepp-Gedanken weiterführen, sodass dieses Haus immer einen Platz in der Region hat.
Das Interview führte Sonja Viktoria Ruschke
Ein kurzer Blick in die Geschichte:
Die Siedlung Valepp entstammt dem 15. Jahrhundert. Über den Fluss „Valepp“ wurde Holz bis zu den Salinen in Rosenheim und Bad Reichenhall getriftet. Im Jahre 1683 wurde an dem Flussengpass, der Klause, eine Holzarbeiterunterkunft gebaut und später eine Kapelle errichtet. 140 Jahre später folgte das Forsthaus – zunächst als königliches Jagdhaus erbaut, wurde es bereits 1845 in einer Wiener Architekturzeitung als außergewöhnliches Baudenkmal beschrieben. Später änderte das Forsthaus seine Funktion, war Hospiz und Gästehaus. Sogar KZ-Häftlinge aus Dachau waren kurzzeitig untergebracht, um benachbarte Zollhäuser umzubauen. Nach dem Krieg als Wirtshaus genutzt, wurde es 2014 aufgrund eklatanter Brandschutzmängel geschlossen, bis Rabl und Neuer es über zwei Jahre aufwendig saniert und im August 2024 neu eröffnet haben.