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ür manche das "Unwort des Jahres", für andere ein notwendiges Übel: die Corona Schlussabrechnung. Sie soll einen Schlussstrich ziehen nach einer Zeit der Entbehrung, Unsicherheiten und finanziellen Einbußen. Gastgeber Bayern traf Martin Drognitz, Mitglied der Hauptgeschäftsführung bei der IHK München und Oberbayern, zum Gespräch. Die IHK für München uns Oberbayern übernimmt im Auftrag des Bayerischen Wirtschaftsministerium seit Juni 2020 als Bewilligungsstelle für ganz Bayern die Abwicklung der Corona-Wirtschaftshilfen - hierzu geöhrt auch die Schlussabrechnung. Eine Ausnahme bilden die Corona-Soforthilfen, welche nicht in die Zuständigkeit der IHK liegt.
Internationale Zahlen sind mir nicht bekannt. Aber innerhalb der EU hat jedes Land die Wirtschaft mit unterschiedlichen Programmen unterstützt. Jedoch: Kein EU-Land hat so viel ausgezahlt wie Deutschland. Bis Juni 2022 investierte Deutschland 71 Milliarden an Corona Wirtschaftshilfen. 14,2 Milliarden davon gingen an Unternehmen in Bayern. Davon flossen circa 41 Prozent als Hilfe ins Gastgewerbe - klar, die Branche war ja auch besonders stark von den Auswirkungen betroffen. Allein die IHK hat davon 11,9 Milliarden ausgezahlt, knapp 450.000 Anträge gingen ein.
Die Wirtschaftshilfen basierten von Anfang an auf Prognosedaten. Also: Wie viel Umsatz entgeht mir im Förderzeitraum? Mit der Schlussabrechnung wird abgeglichen: Lagen die Prognosen richtig? Es gibt drei mögliche Ergebnisse: Alles wurde richtig eingeschätzt und kalkuliert dann ändert sich nichts. War die Prognose zu optimistisch und es wurde weniger Umsatz erwirtschaftet als erwartet, gibt es eine Nachzahlung vom Staat, also zusätzliches Geld. War die Prognose zu pessimistisch und es kam unerwartet mehr Geld in die Kassen, ist eine Rückzahlung beziehungsweise eine Teilrückzahlung fällig.
Betroffene haben im Fall einer Rückforderung hierfür sechs Monate Zeit. Die durchschnittliche Rückzahlungssumme liegt bei 4.785 Euro. Wir bemühen uns, die Belastungen für Betriebe so gering wie möglich zu halten. Die Rückzahlung kann auch als Stundung oder Ratenzahlung geleistet werden. Bei Härtefällen versuchen wir mit den bayerischen Ministerien für jeden eine Lösung zu finden. Bisher ist mir kein Fall bekannt, der aufgrund von zu hohen Rückzahlungsforderungen seinen Betrieb schließen musste.
Grundsätzlich halten wir die Fördermittel für fair und gut durchdacht. Den meisten konnte über die schwere Zeit hinweggeholfen werden. Doch manches hätten wir gerne anders gestaltet. Ein Aspekt ist das Thema Transparenz. Der Bund hat sehr genau definiert, was förderfähig ist und was nicht. Hier konnte die IHK nahezu nichts selbst entscheiden. Die Förderrahmenbedingungen sind vom Bund aber nicht in dem Detailgrad veröffentlicht, wie sie den Bewilligungsstellen zur Verfügung stehen. So gab es viele Unklarheiten und Rückfragen von Seiten der Steuerberater und Unternehmen. Manche Aspekte wurden auch erst später klar als "förderfähig" und nicht "förderfähig" definiert. Das erzeugte bei manch einem den Eindruck, etwas sei erst förderfähig gewesen und dann nicht mehr. Fakt ist aber: Mit der Schlussabrechnung werden alle Antragsteller nach den gleichen Regeln behandelt. Die Kommunikation mit der Öffentlichkeit, den Steuerberatern und Unternehmern übernahm in vielen Fällen die IHK. Wir waren aber nur der Bote, nicht der Entscheider - haben dafür aber den Unmut der Unternehmen abbekommen.
Das ist ein schwieriges Thema. Den Ärger können wir gut verstehen. Der Gedanke vom Bund dahinter war: Unternehmen, die im Verbund tätig sind, könne sich wirtschaftlich gegenseitig unterstützen, ohne dass der Steuerzahler einspringen muss. Das Konzept wurde anfangs nicht verständlich nicht erklärt. Es gilt aber in allen Bundesländern, nicht nur in Bayern. Die IHK hat hier viel Aufklärungsarbeit geleistet. Die Entscheidung, dass so auszulegen, lag aber allein beim Bund. Dort, wo Ermessen möglich war, hat die IHK die Förder-Rahmenbedingungen unternehmerfreundlich gestaltet. Ein Beispiel ist das Ansetzten von Rechnung. Die konnten bayerische Unternehmen in verschiedenen Monaten ansetzten. Das wurde in anderen Bundesländern teils strenger gehandhabt.
Der Aufwand wird tatsächlich nicht nur von den Unternehmen beklagt, sondern auch von den Steuerberatern. Ich kann die Klage verstehen, doch man muss berücksichtigen: Es handelt sich ja um Steuergelder. Da gilt es stets vorsichtig abzuwägen und zu prüfen. Auch wenn es nur wenige sind: Es gibt viele Fälle von Betrug und Strafverfahren. Ohne die Unterstützung durch die Steuerberater hätten wir die Arbeit nicht geschafft. Sie haben diesen Berg an Zahlen aufbereitet und strukturiert in das System eingepflegt. Die Bewilligungsstellen mussten aber an der ein oder anderen Stelle nachfragen. Hier gibt es explizite Prüfvorgaben von Seiten des Bundes. Beispiele: Der Abgleich mit den beim Finanzamt hinterlegten Daten stimmt nicht überein, die Steuer-ID gibt es nicht oder die IBAN ist nicht hinterlegt. Ab einer bestimmten Fördersumme muss die Bewilligungsstelle tiefer aus Plausibilität prüfen. Das kann man bürokratisch finden, aber es ist leider notwendig.
Zunächst: Der Bescheid enthält alle notwendigen Informationen. Zusätzlich stellen wir auf unserer Website ausführliche Informationen zu dem Thema bereit. Mit der Steuerberaterkammer haben wir mehrere Webinare angeboten. Zudem haben wir eine eigene Info-Hotline eingerichtet, über die Unternehmen und Steuerberater mit uns in Kontakt treten können. Wir versuchen insbesondere dort, wo ein Unternehmen in Not gerät, diesem entgegenzukommen. (Anm. d. Red.: Die Hotline ist besetzt von Montag bis Donnerstag 08:00 bis 18:00 Uhr, Freitag 08:00 bis 16:00 Uhr. Telefon: 089/ 5116 1111. E-Mail: wirtschaftshilfen@muenchen.ihk.de)
Einer der größten Kritikpunkte war die Frage, warum die Schlussabrechnung so lange dauert. Vor allem, wenn Unternehmen Nachzahlungen erwarten, wünschen sie eine schnelle Abwicklung. Wir arbeiten nach Antragseingang, so ist es fair für alle. Die Einreichung der Schlussabrechnung war in den allermeisten Fällen seit Mitte 2022 möglich. Wenn erst im Oktober 2024 eingereicht wurde, dauert die Bearbeitung entsprechend länger. Wir versuchen aber insbesondere dort, wo ein Unternehmen in Not gerät, diesem entgegenzukommen. Das sind aber Ausnahmen. So etwas verlangsamt natürlich die Bearbeitung anderer Betriebe, die ihre Anträge früher eingereicht haben.
(jj)