Das CCC-Konzept Seit Corona werden kontakt- und berührungsarme Urlaubserlebnisse (low touch tourism) stark nachgefragt. Entsprechende Angebote sind durch die Reduzierung der drei kritischen „C“ mög-lich: CROWD, CONTACT und CONTROL. Im Fokus stehen demnach neben der Vermeidung von Gruppenbildungen (CROWD) auch die Minimierung von Kontakten zum Personal (CONTACT) und von Berührungen mit Geräten und Apparaten, wie etwa Fahrstuhlknöpfe oder Lichtschalter (CONTROL). In der Praxis existieren bereits zahlreiche Möglichkeiten, die der Minimierung der drei kritischen „C“ dienen und dadurch eine berührungsarme Reise mit unterschiedlichsten Aktivitäten ermöglichen. So werden beispielsweise neuen Technologien zur Sprach-, Gesichts- oder Bewegungser-kennungen inzwischen eingesetzt.
Persönliche Bindung trotz kontaktarmer Angebote Um eine persönliche Bindung zum Gast trotz kontaktarmer Angebote herzustellen, ist vor allem der Wiederaufbau von Vertrauensverhältnissen entlang der gesamten Visitor-Journey und einer Garantie für die Gesundheitssicherheit von essenzieller Bedeutung. Denn die Corona-Erfahrungen von Reisenden haben Auswirkungen auf deren Wohlbefinden, sie fühlen sich oft als „einkasernierte Gäste“, haben Todesfälle auf Kreuzfahrtschiffen erlebt oder waren „gestrandete Gäste“ im Ausland. Die Auswahl der Reiseziele erfolgt seit der Pandemie also abhängig von gewährleisteten Garantien und Sicherheiten. Das sogenannte Relationship Marketing konzentriert sich auf den Aufbau und die Gestaltung langfristiger Beziehungen zu den Gästen und kann so eine hohe Kundenbindung durch bedürfnisgerechte und individuelle Kundenorientierung ermög-lichen. Im Zentrum der Kommunikation steht der potenzielle Gast und dessen Bedürfnisse. Dazu muss der Gäste-Blickwinkel eingenommen und die Zielgruppe definiert werden.
Neben der pandemiebedingten Thematisierung von Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen ist aber auch die Vermittlung des Lebensgefühls einer Destination oder Unterkunft zu kommunizie-ren. Überzeugende Erfahrungen von Bekannten sind meinungsbildende Statements, denen oft mehr Vertrauen geschenkt wird als herkömmlichen Werbebotschaften. Zusätzlich sollten kommunikative Kompetenzen aller touristischen Akteure trainiert werden, denn die Kommunikation zwischen Destinationen und Gästen muss transparent, authentisch, persönlich, emotional und gastzentriert sein. Dabei können auch technische Werkzeuge (z.B. Bewertungs-/Feedbackoptionen, Massaging-Dienste, Apps, Kanäle mit Schnittstellen für Buchung, Profile in sozialen Medien, digitales Beschwerdemanagement) hilfreich sein, weshalb MitarbeiterInnen auch darin geschult werden sollten. Denn entscheidend für eine persönliche Bindung zum Gast ist nicht das Medium, sondern die Qualität der Interaktionen.
Bei der Gästekommunikation spielt das gestiegene Bedürfnis nach Hygiene und gesundheitli-cher Sicherheit eine wichtige Rolle. Ziele werden achtsamer gewählt und der Massentourismus wird oft gemieden. Davon profitieren Destinationen mit ausgearbeiteten Sicherheitsstandards. Folglich sind Gewährleistungen in Form von Zertifikaten zur Sicherheitswahrung sinnvoll, weshalb bereits zahlreiche, an die aktuellen Hygienevorschriften angepasste Gütesiegel und Zertifizie-rungen (z.B. DEHOGA Wohlfühl-Siegel, Global Safety Stamp der WTTC, European Tourism Co-vid-19 Safety Seal) existieren.
Kontaktarme Urlaubsaktivitäten Die Digitalisierung (und damit auch die Vermeidung persönlicher Kontakte) in der Tourismus- und Hotelleriebranche zeigt sich bereits beim Pre-Stay, wenn Inspirationen und Reiseinformatio-nen online eingeholt werden oder die Buchung über das Internet erfolgt. Unabhängig von Öffnungszeiten ist so eine leichtere Vergleichbarkeit der Angebote oder eine flexible und oft kostenlose Stornierung möglich. Um Kontakte und Berührungen auch bei der Anreise zu vermeiden, werden Destinationen und Unterkünften häufig mit dem eigenen Auto aufgesucht. Auch das Reisen mit dem Caravan und dem Reisemobile hat stark an Beliebtheit gewonnen, da durch Kontaktvermeidung mit stark frequentierten Oberflächen ebenfalls eine höhere Gesundheitssicherheit gewährleistet wird. We-nig verwunderlich, dass diese Branche im Jahr 2021 einen Rekordanstieg verzeichnete.
Bei der Fortbewegung am Reiseziel hat neben dem Erkunden der Destination zu Fuß oder mit einem Mietwagen die Shared Mobility zugenommen. So konnte im Urlaub eine steigende Nach-frage nach Leifahrrädern, E-Scootern oder Carsharing beobachtet werden. In der Unterkunft, dem Restaurant oder im Museum wird das Tragen von Masken und die Ein-haltung von Abstandsregeln vielfach als störend und einschränkend empfunden. Daher werden vielfach Konzepte erprobt, die durch low touch-Angebote die nötige Sicherheit garantieren, bei-spielsweise virtuelle Warteschlangen, die Staffelung von Essenszeiten in Restaurants oder die Bereitstellung von Echtzeit-Informationen über aktuelle Gästeströme und -frequentierungen.
Gästeströme lassen sich auch über Social Media entzerren, beispielsweise durch tagesaktuelle Ausflugstipps zu wenig besuchten Orten oder durch Hinweise aus Hidden Places in der Region. Inzwischen werden dazu fallweise sogar Influencer engagiert, die über ihre low touch-Erlebnisse in der Region berichten.
Beim Aufenthalt in einer Unterkunft reduziert BYOD (bring your own device) Kontakte mit stark frequentierten Oberflächen. Da das Smartphone inzwischen bei den meisten Gästen im Urlaub nicht mehr fehlen darf, um Erlebnissen zu fotografieren und zu teilen, erfährt der BYOD-Trend eine hohe Akzeptanz bei Gästen. Die Smartphone-Funktionen reichen dabei vom Recherchieren einfacher Wetterinformationen oder Öffnungszeiten über online verfügbare Reisedokumente oder Info-Apps bis hin zum Bestellen von Essen oder neuen Handtüchern.
Konzept mit Potential und Perspektive Der low touch tourism profitiert aktuell von einer hohen Sicherheitsnachfrage bei Reisenden. Er bietet zahlreiche Möglichkeiten zur Minimierung von Kontakten und Berührungen entsprechend des CCC-Konzeptes und ermöglicht dennoch unterschiedlichste Urlaubsaktivitäten. Auch nach der Pandemie werden low touch-Angebote noch Zielgruppen finden. Gerade erfah-rene Reisende, die bereits zahlreiche Sehenswürdigkeiten und Hot Spots erkundeten, haben häufig Interesse an Geheimtipps abseits großer Menschenmassen. Ebenso suchen oft Erho-lungsreisende diese Hidden Places auf, um die Ruhe zu genießen. Und Outdoor-Aktive oder Naturliebhaber wollen ebenfalls gern unberührte Freiräume entdecken. Aber auch Individualisten, die bewusst bekannte Sehenswürdigkeiten und massentouristische Angebote ablehnen, gehören zukünftig zur Zielgruppe des low touch tourism.
Weitere Informationen zum low touch tourism:
www.uni-augsburg.de/de/fakultaet/fai/geo/prof/geohum/projekte-standortentwicklung/low-no-touch-tourism PD Dr. Markus Hilpert / M.Sc. Sophie Grunenberg Lehrstuhl für Humangeographie und Transformationsforschung, Universität Augsburg