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ie Dorfgemeinschaft in Pischelsdorf sucht nach einem sozialen und kulturellen Mittelpunkt. Die Dorfbewohner nehmen es schließlich selbst in die Hand und renovieren die 150 Jahre alte „Fanni“ und erwecken das heruntergekommene Gebäude so zu neuem Leben. Begleitet wird das Vorhaben von Filmemacher Hubert Neufeld. Entstanden ist in einem wunderbaren Dokumentarfilm eine Liebeserklärung an die Wirtshauskultur.
© Hubert Neufeld
Die Dorfgemeinschaft in Pischelsdorf sucht nach einem sozialen und kulturellen Mittelpunkt. Die Dorfbewohner nehmen es, aller Hürden zum Trotz, schließlich selbst in die Hand und renovieren die alte Dorfwirtschaft am St.-Michael-Weg 1, wo seit 150 Jahren die Dorfwirtschaft „Fanni“ steht und die nun 40 Jahre lang leer stand, und erwecken das heruntergekommene Gebäude aus seinem Dornröschenschlaf. Dokumentarfilmer Hubert Neufeld begleitete als erfahrener Dokumentar- und Naturfilmer und Leiter des Münchener Produktionslabels HTN-Films über drei Jahre lang die gemeinschaftliche Unternehmung von Anfang bis zur Wiedereröffnung und beleuchtet in Interviews die Relevanz von Wirtshauskultur für den ländlichen Raum und die Dringlichkeit vor dem Hintergrund des Wirtshaussterbens. Aus der klein angedachten, für die 500-Seelen-Gemeinde selbst bestimmten Baudokumentation wurde schließlich mehr. Und das hat auch mit der Energie und dem Willen der fleißigen und sympathischen Dorfbewohner zu tun, die diesen Dokumentarfilm tragen. Die vier Protagonisten Thomas, Norbert, Konrad und Klaus entpuppen sich als echte Originale, die mit ihrer frohen, stets positiven und anpackenden Art, ihrem Witz und Charme die Kinobesucher begeistern. Zum filmischen und sehenswerten Kunstwerk gemacht, hat den 92-minütigen Film dann Filmemacher Hubert Neufeld. Der 34-Jährige zeigt wunderschöne, stimmungsvolle Bilder des kleinen im Grunde unscheinbaren Örtchens, das auch sein Heimatdorf ist, und schafft einen handwerklich bis ins Detail sehr gut und liebevoll gemachten Film. Da funkeln Tautropfen auf der Wiese, ein Graureiher stapft durch die idyllische Landschaft und die Zuschauer begleiten das Dorf durch die Jahreszeiten bei einem beeindruckenden 360 Grad-Flug der Kameradrohne um die Spitze des pittoresken Zwiebelturms St. Michael.
Der Dokumentarfilm setzt am Zenit des Zeitalters des Wirtshaussterbens an und ist eine Liebeserklärung an das bayerische Wirtshaus und dessen Bedeutung. Oberflächlich wird die Gaststätte eines Dorfs saniert, aber eigentlich ist es die Suche nach einem Ort des Zusammenhalts, der einen Ausgleich zu Familie und Beruf bietet. Die Pischelsdorfer wünschen sich zu Beginn des Films mehr Leben und Gemeinschaft in ihrem kleinen Ort. Und genau so einen Ort der Gemeinschaft bietet eben das Wirtshaus. Aber die Gasthäuser auf dem Land verschwinden. Das Problem des Wirtshaussterbens schildern im Film weitere Protagonisten, wie etwa der Pfaffenhofener Heimatforscher Reinhard Haiplik, die Stadtplanerin Barbara Hummel oder Richard Loibl, der Direktor des Hauses der Bayerischen Geschichte. Loibls Fazit: „Wenn es das Wirtshaus nicht mehr gibt, gibt es auch Bayern nicht mehr.“ Und auch Kabarettist Gerhard Polt beklagt eine regelrecht sterile Atmosphäre, wenn die Kommunikation und das Beisammensein ausbleiben, die in einem Wirtshaus – das er mit der italienischen Piazza vergleicht – eben noch gelebt werden. Die Präsidentin des DEHOGA Bayern Angela Inselkammer nennt die alarmierende Zahl von bereits 500 Gemeinden ohne ein Wirtshaus in Bayern – Tendenz weiter steigend.
Gerhard Polt ©HTN_Films
Mitverantwortlich dafür ist die überbordende Bürokratie, welche die Gastgeber belastet. Außerdem hat das Aufkommen der Vereinsheime in den 70er Jahren viele Gruppen, die vorher ihren festen Stammtisch im Wirtshaus hatten, in ihre eigenen Räumlichkeiten abgezogen. Das Umfeld für Wirte wird zunehmend schwieriger, etwa auch durch steigende Personal-, Energie- und Lebensmittelkosten. Obendrauf kommt noch die Mehrwertsteuererhöhung auf Speisen um 12 Prozent. Der allgemeine Personalmangel tut dann ebenso sein Übriges. Viele Betriebe funktionieren nur noch deshalb gut, weil es sich um Familienbetriebe handelt. Auch die Politik muss hier dringend gegensteuern und Entlastungen und bessere Rahmenbedingungen für die Branche ermöglichen. „Im Film sieht man ganz deutlich, wie wichtig ein Wirtshaus ist, vor allem auch im ländlichen Raum, damit man einen Platz hat, an dem man sich ungezwungen treffen kann,“ so Regisseur Neufeld. Er ist sich sicher, dass die Menschen nach dem Besuch seines Films mit anderen Augen und einer anderen Wertschätzung in ein Wirtshaus gehen werden. „Im Dorf ist das Wirtshaus auch für Jugendliche der erste Ort, an dem man sich öffentlich treffen kann und hier findet ebenso ein Austausch der Generationen statt. Wenn man einen Ort hat, an dem man seine Geschichten teilen kann, ist das lebendige Dorfgemeinschaft,“ stellt der Filmemacher fest. Vor eineinhalb Jahren ist das Pischelsdorfer Wirtshaus von den Dorfbewohnern nun mit Blaskapelle und Weihwasser-Segen feierlich eröffnet worden. Und auch heute ist die „Fanni“ noch immer der gemeinschaftliche Mittelpunkt des kleinen, oberbayerischen Dorfes.
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Filmplakat