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aschinen erobern die Welt, knechten die Menschheit, kalt, unerbittlich, berechnend: Keine Realität, aber eine Urangst, die uns umtreibt - nicht nur die Regisseure von Terminator oder Matrix. Ist ChatGPT der Anfang vom Ende? "Sicher nicht", lacht ein entspannter Klemens Skibicki, Professor für Digitale Transformation. Das Thema Künstliche Intelligenz (KI) ist für ihn kein Schreckgespenst, sondern eine logische Entwicklung in unserer technisierten Gesellschaft. Im Gespräch mit Gastgeber Bayern erklärt der Experte, welche Stärken KI für das Gastgewerbe mit sich bringt und wie die Branche davon profitieren kann.
" Die Definitionen von Künstlicher Intelligenz sind so vielfältig wie jene von menschlicher", weiß Skibicki. Grundsätzlich spaltet sich KI in verschiedene Stufen. Die Basis, das simple Erzeugen von Inhalten, gab es schon länger. Daten und Algorithmen dienten dazu, den Menschen zu imitieren. ChatGPT - das bekannteste Beispiel, wenn das Thema KI fällt- geht einen Schritt weiter und versucht. neuronale Netze nachzuahmen - dem Experten zufolge ein schwieriges Unterfangen.
Für Skibicki hat KI klar definierte Stärken: "Die Technologie ist unschlagbar in der Analyse gigantischer Datensätze. Diagnosen, Prognosen und die Erledigung standardisierter Aufgaben geht leicht von der Hand. Aber sie ist nicht in der Lage, soziale Beziehungen aufzubauen." Funktioniert die KI dann überhaupt für das Gastgewerbe, die bekanntlich vom persönlichen Kontakt lebt? "Der Wirt kennt den Gast, er erzeugt dadurch ein Gefühl von Aufmerksamkeit, Wertschätzung. Daran scheitert jeder Roboter", weiß der Digitalisierungsexperte. Trotzdem sollte die KI als digitaler Mitarbeiter eingebunden werden. So kann sie die Abwicklung von Bestellprozessen, beim Bezahlen, Reservieren, Beantworten simpler Fragen übernehmen. Das verschafft dem Wirt Zeit - für Gäste, Mitarbeiter und die Geschäftsentwicklung. "KI bietet nicht nur Entlastung", betont Skibicki, "sondern eröffnet auch ganz neue Chancen. Mithilfe digitalisierter Menükarten lassen sich Angebote und Preise flexibel anpassen. So kann der Einkauf daran angepasst werden. Vor der Pandemie nutzte kaum jemand einen QR-Code", so Skibicki. "Das ist heute völlig normal." Akzeptanz für neue Technologien und Erfahrungen, dass dadurch vieles übersichtlicher und leichter wird, sind wesentliche Wegbereiter für KI.
Mit dem Siegeszug von Smartphones und digitalen Plattformen eröffnet sich mehr denn je die Möglichkeit, mit den Kunden direkt in Kontakt zu treten und diese an sich zu binden. Für das Gastgewerbe heißt die Aufgabe nun: Digitalkompetenz erwerben und die Beziehung zum Kunden zurück erobern. Aber warum kommt die Technologie im Gastgewerbe nur so zögerlich zum Einsatz? Laut Skibicki gibt es dafür gleich mehrere Ursachen: " Viele in der Branche sind noch immer der Meinung, dass ihre Kunden das nicht wollen. Ein Fehler! Kunden kennen und schätzen digitale Vorteile, zum Beispiel eine einfache Buchung und Zahlung, individuelle Angebote oder schnelle Rückmeldungen möchten sie heute überall haben". Zudem gibt es ein grundsätzliches Verständnisproblem: Der digitale Wandel ist nichts, was sich auf den Technikkeller beschränkt. Die Branche sollte die sozialen und ökonomischen Vorteile erkennen. "Wenn ich einen Workshop zum Thema Digitalisierung anbieten, schicken die Unternehmen meist ausschließlich Mitarbeiter aus der IT-Abteilung. Sie verkennen noch immer, wie vielschichtig und umfangreich die Digitalisierung alle Geschäftsbereiche und Mitarbeiterebenen betrifft." Weitere Hemmnisse sind die Datenschutzproblematik in Deutschland, Rückstände in der technischen Entwicklung, beispielsweise ein flächendeckendes Breitbandinternet, und die Zusammenarbeit mit den Behörden: Hier wird teils noch immer auf eine Abwicklung in Papierform bestanden, etwa beim Meldeschein.
Kann der Mensch Schritt halten mit der rasanten, digitalen Entwicklung? Sind wir in der Lage, zwischenmenschliche Beziehungen mit dem Einsatz rationaler Technik in Einklang zu bringen? "Angst und Unsicherheit sind völlig normal," so Skibicki. "Trotzdem sollte das Gastgewerbe anerkennen, dass die Entwicklung unausweichlich ist. Verantwortliche sollten sich offen, neugierig und mutig auf das Thema einlassen, sonst droht über kurz oder lang fas wirtschaftliche Aus." Skibicki empfiehlt, das Thema Digitalisierung sachlich und angstbefreit zu betrachten. "Der Mensch ist die Konstante. Das Gastgewerbe muss verstehen, dass Technologie nur ein Befähiger ist, um unser soziales Miteinander zu bereichern. Dadurch ergeben sich neue Rollenaufteilungen, die ökonomisch große Auswirkungen haben." Es gilt, Chance zu erkennen und zu ergreifen, statt Technik als vermeintlichen Job-Killer vor die Tür zu setzen. Für den Experten ist klar: " KI ist gekommen, um zu bleiben."
Wer Klemens Skibick live hören möchte, hat dazu bald Gelegenheit: Am 24. Oktober spricht der Experte auf dem Bayerischen Gastgebertag des DEHOGA Bayern in Essenbach bei Landshut zum Thema Digitalisierung im Gastgewerbe. Seien Sie dabei!