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eit 14 Jahren ist Spitzenkoch Mike Süsser bereits für unterschiedliche Fernsehproduktionen tätig. Dabei kennt er die Küchen des Landes berufsbedingt fast ebenso gut, wie die Hotels. Im Gespräch mit Isabella Hren, Geschäftsführerin der Bayern Tourist Marketing GmbH (BTG) wird deutlich, warum der heute 52-Jährige die Leidenschaft für seinen Beruf als absolute Triebfeder seiner täglichen Arbeit versteht.
Naja, ich selbst hatte eigentlich andere Pläne – ich wollte zur See fahren und Kapitän werden. Allerdings war ich dafür aus unterschiedlichen Gründen nicht gemacht. Aufgrund meiner – nicht vorhandenen – handwerklichen Fähigkeiten bin ich dort aber immer in die Kombüse gesteckt worden. Die damalige Anstellung bei einer großen Reederei hatte sich auch bald erledigt, trotzdem war ich mir meiner Stärken und Schwächen danach ein wenig besser bewusst (lacht). Und in der
Kombüse hat es mir immer gefallen. So kam ich auf den Gedanken, Koch zu werden.
Das hat schon ein wenig gedauert – ich denke, als ich etwa zwanzig war. Meine Ausbildung hatte ich im zarten Alter von 16 Jahren begonnen. Direkt danach bin ich in „die große weite Welt“ aufgebrochen: Erst Zermatt, dann Amerika. Zurück in Norddeutschland habe ich im Alter von 21 Jahren mein eigenes Lokal eröffnet. Es war zwar schön, in der Zeitung zu lesen, dass man „Deutschlands jüngster Gastronom“ ist, aber das war ein Moment, an dem ich mir dachte: „Dafür bist Du doch echt nicht um die halbe Welt gereist“. Das war schon eine Art Aha-Moment. Daraufhin habe ich meinen Laden verkauft und bin mit Mitte zwanzig ohne vorherige Bewerbung – nur mit meinen Unterlagen – nach Davos gefahren. Dort bin ich ins erste Fünf-Sterne-Haus gegangen, das „Grand Belvédère“. Dort kam mir dann über den langen Flur ein Küchenchef entgegen mit seiner sacksteif gebügelten Kochklamotte, einer Schürze bis zum Boden und seiner gebügelten Kochmütze – so richtig klassisch. Ich hatte ganz schön Muffensausen, aber es hat geklappt. Der Einstieg war gemacht. Und dort habe ich richtig Gas gegeben, mehr gearbeitet als viele andere und mich richtig reingehauen. Dann ging es richtig los.
Grundsätzlich ist das schon ein hartes Pflaster. Ich behaupte, jeder, der in der Gastronomie tätig ist, kommt gegen Mitte, Ende dreißig auf den Gedanken, damit aufzuhören. Bei mir war das auch so. Aber ich habe schnell gemerkt: Ich brauche Hitze, ich brauche Thermik, ich brauche die Leidenschaft eines Teams. Ich empfinde
es auch keineswegs als Drama, wenn Essen nach dem Servieren sofort „zerstört“ wird. Wir produzieren Essen und keine Kunst – Kunst bleibt und Essen verschwindet. Wir Köche sind keine Künstler, wir sind Handwerker. Und genau darum ist unser Beruf einfach schön!
Das ist tatsächlich so. Das hat aus meiner Sicht unterschiedliche Gründe: Zum einen, ich werde besser. Ich bin nicht nur strukturierter und überlegter in meinen Abläufen geworden, ich renne auch keinen Trends mehr hinterher. Mit Ende dreißig ist das „Dazugehören-Wollen“ noch eine andere Sache. Darüber bin ich weg. Ich hab mal auf einer Messe mit tollen Kollegen beieinander gestanden, wir haben Champagner getrunken, weil man das halt so macht, haben Austern gegessen und über Kaviar
philosophiert. Da konnte ich es mir nicht mehr verkneifen und hab gesagt „Lass die Austern sein, das kriegt mich seit Jahren nicht“. Und ein anderer Kollege meinte: „Endlich sagt es einmal jemand“ (lacht). Bestimmte Sachen in einem gewissen Alter nicht mehr nötig zu haben, tut schon sehr gut. Und ich denke, das wirkt sich auch positiv auf mein Kochen aus.
Ich erlebe in erster Linie eine große Wertschätzung – und das nicht nur bei den guten Gastwirten. Egal, ob Imbissbudenbetreiber, in einem Pommesladen oder in der Ein- bis Zwei-Sterne-Gastronomie. Ich möchte an dieser Stelle nicht kleinteilig werden. Es ist ja klar: Ärsche gibt es überall (lacht) … aber grundsätzlich herrscht meist ein großer zwischenmenschlicher Respekt. Großteilig gesehen ist die Gastronomie ein weltoffener, aufnehmender Haufen. Der Tisch der Gastronomie hat immer Platz für Neue – diesen Austausch halte ich für ziemlich unvergleichbar.
Nun ja – wie alles im Leben hat auch diese Geschichte zwei Seiten: Zum einen ist der Gast König und muss auch hofiert werden. Das muss auch sicher so bleiben. Auf der anderen Seite muss aber auch seitens der Gäste ein Bewusstsein für die wirtschaftliche Lage der Betriebe vorhanden sein – wenn die angebotenen Dienstleistungen nicht zu wirtschaftlich vertretbaren Preisen erworben werden, gibt es uns bald schlicht nicht mehr.Dafür muss sich aus meiner Sicht vieles tun – damit könnte man wohl einen ganzen Abend füllen …
Sicherlich müssen das alle Betriebe für sich selbst entscheiden – bei uns herrscht
grundsätzlich eine große „Wir-Mentalität“. Das beginnt zum Beispiel damit, dass ich
meine Mitarbeiter um ihre Meinung frage, wenn Entscheidungen anstehen und das in allen Bereichen: seien es die Köche bei der Menüplanung, der Service oder die Buchhaltung. Sicher mache ich meine Entscheidungen nicht von meinen Mitarbeitern abhängig, aber ich beziehe sie aktiv mit ein. Wir machen viel privat zusammen. Wir feiern vernünftige Weihnachtsfeiern, haben letztes Jahr einen
gemeinsamen Ausflug mit dem Bus ins Wirtshaus gemacht – das alles ging während dieser unsäglichen Corona-Zeit ja nicht mehr – und haben insgesamt auch ein gutes, zwischenmenschliches Verhältnis. Zudem zahlen wir faire und leistungsorientierte Gehälter – auch das ist sicher ein wichtiger Punkt, um ein gutes betriebliches Umfeld zu
schaffen, das die Leidenschaft für den Beruf nicht einengt.
Das ist ganz einfach – man darf sich nicht zu wichtig nehmen. Wenn Du Dich selbst nicht zu wichtig nimmst, bleibst Du immer offen für Neues, weil Du weißt, wie wenig Du kannst. (lacht). Ich fange mit meinen Anfang 50 auch jetzt erst an zu lernen – es geht ja jetzt erst los. Wenn man meint, fertig in seiner Entwicklung zu sein, ist das aus meiner Sicht ganz schlecht. Ich will auch mit 60, 70 oder 80 noch nicht fertig sein. Da kommt immer noch etwas (schmunzelt).
Zur Person:
Bereits damals vom Reisefieber gepackt, wollte Mike Süsser schon nach seinem Abschluss im Jahr 1989 die Welt erobern. Sterneküchen in Europa und Übersee waren die Spielwiese des prämierten Spitzenkochs. Bis 2004 führten ihn seine hochkarätigen Küchen-Engagements in die Schweiz, nach Zermatt und Davos, nach Fuerteventura und Madeira sowie nach Hamburg und München. Es folgte eine Zeit in den USA, sowie eine Phase auf den großen Kreuzfahrtschiffen dieser Welt. Die gesammelten Erfahrungen in der Fünf-Sterne-Hotellerie und in Gault Millau-prämierten Restaurants verhalfen ihm zu seinem heutigen Fachwissen der gehobenen Küche als Kunst und Handwerk gleichermaßen. Von 2009 bis 2014 drehte Süsser insgesamt rund 140 Folgen des TV-Formats „Die Kochprofis – Einsatz am Herd“ (RTL 2). Seit 2013 führt er durch die Sendung „Mein Lokal, Dein Lokal - der Profi kommt!“ (Kabel 1).