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m zarten Alter von 24 Jahren hatte sich Frank Rosin selbstständig gemacht. Heute blickt der aus Funk und Fernsehen bekannte Sternekoch auf eine überaus erfolgreiche, über drei Jahrzehnte andauernde Karriere zurück – und gleichzeitig hat er noch viel vor. Was der erfolgreiche Unternehmer jungen Köchen rät, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen, welche Inhalte ihm im Rahmen der derzeitigen Ausbildung fehlen und warum der zwischenmenschliche Kontakt für ihn auch und gerade in der Gastronomie ein Kernelement des wirtschaftlichen Erfolgs ist, erklärt er im exklusiven Gespräch mit Gastgeber Bayern.
Ich habe schon den Eindruck, dass das Bewusstsein für eine gute und gesunde Ernährung wächst und das Verständnis zwischen einer guten Ernährung auf der einen und der persönlichen Gesundheit auf der anderen Seite größer geworden ist. Gleichzeitig glaube ich aber, dass die Food-Industrie in dieser Richtung auch noch nachziehen muss. Beispiele wären Convenience-Produkte ohne Zusatzstoffe oder versteckte Zucker und Fette – hier gibt es durchaus noch Handlungsspielraum. Aber ich glaube, wir sind hier schon auf einem ganz guten Weg.
Ich denke, dass das ein schöner Weg ist, die Menschen von gesunder, leckerer und attraktiver Ernährung zu überzeugen. Ich glaube, dass Kochsendungen ein großer Motivator sind, sich danach in den Lebensmittelmarkt zu begeben und zu sagen „das koche ich jetzt mal nach“. Das ist schon eine große Motivation – und da geht es nicht nur um´s Kochen. Essen hat auch etwas mit Kultur zu tun. Dass es hierfür einen gewissen Bedarf gibt, zeigt der Erfolg dieser Formate.
Natürlich extrem – als ich mich im Jahr 1991 mit 24 Jahren selbstständig gemacht habe, wusste ich bereits, dass das Marketing für meinen späteren Erfolg ebenso wichtig sein wird, wie das Kochen. Darum habe ich auch sofort mit der Vermarktung begonnen. Ich glaube, dass wir auch jetzt in einer Situation sind, in der ein Gastwirt nicht mehr „nur“ Gastwirt sein darf, er muss Unternehmer werden.
Das ist eine schöne Überleitung zur nächsten Frage – Sie beraten ja auch Betriebe, die am wirtschaftlichen Abgrund stehen, um die Trendwende zu schaffen und wieder in die Schwarzen Zahlen zu kommen. Dazu gehört bekanntlich ein ganzes Bündel an Fähigkeiten – werden diese denn in der heutigen Ausbildung überhaupt vermittelt?
Definitiv nicht! Ich denke, da bin ich mir mit etlichen Kollegen einig: Hinsichtlich der Ausbildungsinhalte muss sich aus meiner Sicht möglichst sofort etwas ändern. Alle Beteiligten – der DEHOGA, die Länder, die Bundesregierung – sollten meines Erachtens beispielsweise einen konkreten Maßnahmenkatalog entwickeln, aus dem hervorgeht, welche Erfordernisse und Anforderungen an Köche und Gastronomen gestellt werden, um sich in diesem wunderschönen Beruf erfolgreich selbstständig zu machen. Es kann ja nicht sein, dass ein Bäcker, der ein Brot in den Ofen schiebt, ein Meister sein muss und in unserer Branche jeder sagen kann „morgen werde ich Gastronom“ – egal aus welcher und ob überhaupt aus einer Berufsgruppe. Dadurch wird unser Berufsbild aus meiner Sicht sehr geschädigt. Bei diesen ganzen Reglementierungen und Regularien, von denen wir wahrlich genug haben, erschließt sich mir das wirklich nicht – zumal nahezu jeder Bürger Kontakt mit unserer Berufsgruppe hat.
Ein elementarer Bestandteil unserer Branche ist der Umgang mit Menschen. Sei es gegenüber den Mitarbeitern, aber natürlich auch gegenüber den Gästen – Teamführung, das soziale Verhalten als Arbeitgeber, der Umgang mit allen Beteiligten. Die Branche Gastronomie ist von Menschen und für Menschen gemacht. Wenn man beispielsweise irgendwo Urlaub macht, erinnert man sich selten an irgendwelche Stühle oder Möbel – die freundliche Begrüßung an der Rezeption oder ein zuvorkommender Service beim Abendessen bleibt einem aber im Gedächtnis. Auch innerhalb des Teams ist der zwischenmenschliche Kontakt das sprichwörtliche „Schmieröl“, das das Getriebe am Laufen hält. Man kann sich gegenseitig pushen und sich helfen, wenn es mal nicht so läuft und geht zusammen über Höhen und durch Tiefen. Wenn man seinen Beruf lebt, stellen sich auch wahrlich keine Fragen nach der vielzitierten Work-Life-Balance. Der Mensch braucht doch etwas Sinnhaftes in seinem Leben – ich verstehe Arbeit nicht als Belastung, sie gibt unserem Dasein etwas Sinnhaftes – das klingt jetzt vielleicht ein bisschen pathetisch. Das meine ich aber wirklich so.
Nun ja… man muss auch ehrlich sagen, dass in den vergangenen Jahrzehnten einiges falsch gemacht wurde. Die „Versklavung der Mitarbeiter“ – nicht zuletzt durch eine falsche Bezahlung – hat definitiv ihre Spuren hinterlassen. So habe ich beispielsweise Kollegen, die 20 oder 30 Jahre älter sind als ich und eine bescheidene Rente kriegen, weil sie Zeit ihres Lebens die Hälfte ihres Gehalts schwarz ausgezahlt bekommen haben. Die Sechs-Tage-Woche, ausbaufähige soziale Absicherungen …das alles hat die Branche schon ein Stück weit kaputt gemacht. Im Mittelpunkt der Wahrnehmung stand lange nicht die eigene Empfindung, sondern das Feedback der anderen. Ein Schulterklopfen war das Honorar – das ist zu wenig. Ich kenne keine Berufsgruppe, in denen viele der Besten rote Zahlen schreiben. Das ist in der Gastronomie leider traurige Realität. Die Frage, die sich hieraus ergibt ist doch: Woran liegt das? In anderen Ländern werden in der Top-Gastronomie zum Beispiel pro Abend drei Sitzungen gefahren, bei uns heißt es: „Ich habe 15 Gäste – mehr schaffe ich nicht.“ Gleichzeitig dürfen die Speisen bei uns aber natürlich nicht das Dreifache kosten wie in New York oder Tokio. Das ist schon auch eine Frage des Mindsets.
Grundsätzlich ist es mir wichtig, dass einen Dritte selten aus dem Dreck ziehen können. Das heißt: Wir müssen uns in erster Linie selbst helfen. Wir müssen anfangen, zu rechnen und unsere Gäste müssen verstehen, dass Qualität etwas kostet. Niemand sagt doch, dass Dienstleistungen umsonst sind, jede Leistung hat ihren Preis. Wenn ich ein Auto kaufe und Extras möchte, bekomme ich die doch auch nicht umsonst. Wenn Gastronomen für eine Zusatzportion oder eine Menü-Änderung Aufschlag verlangen, heißt es: „Wie is‘ der denn drauf?“ Das passt aus meiner Sicht nicht zusammen.
Lassen Sie uns noch einmal zurückkommen zu Ihrer eigenen Küche: Gibt es eine grundsätzliche Regel für Produkte, die in Ihrer Küche zum Einsatz kommen?
Generell finde ich, dass die Produkte, die ich verwende, aus dem europäischen Raum kommen sollten. „Regionalität“ ist in diesem Kontext sicher eine Definitionssache. Trotzdem glaube ich, dass wir ein mitteleuropäisches Bewusstsein entwickeln sollten und zum Beispiel kein Krokodil oder dergleichen essen. (lacht) Trotzdem ist es natürlich wichtig, auch alle andere Kulturen und deren Gepflogenheiten zu respektieren.
Zu einen natürlich „verliere Dein Ziel nicht aus den Augen“ – zum anderen aber auch, und das ist mindestens genauso wichtig: „Höre nicht auf!“ Denn das Leben hört nicht auf – wenn es vorbei ist, sind wir tot. Bis dahin geht es immer weiter. Hast Du ein Ziel erreicht, dann stecke Dir ein neues.
Im Jahr 1990 machte sich Frank Rosin mit gerade mal 24 Jahren selbstständig und eröffnete das Restaurant Rosin 1991 in seiner Heimatstadt Dorsten. Das Magazin „Der Feinschmecker“ kürte das Rosin 2009/2010 zum „Restaurant des Jahres“, im Jahr 2011 wurde es mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet. Zusätzlich zu seiner erfolgreichen Karriere als Unternehmer begann Rosin im Jahr 2007 mit der Mitwirkung in zahlreichen TV-Formaten, nach dem Start der Sendung „Fast Food Duell“ startete er 2009 mit seinem eigenen Format „Rosins Restaurants – Ein Sternekoch räumt auf“. In diesem hilft er Restaurant-Betreibern mit wertvollen Gastro-Tipps. Zudem ist Frank Rosin seit 2013 fester Bestandteil der SAT.1-Kochshow „The Taste“, in der er Koch-Talente coacht und bewertet. Weitere Formate, an denen er teilnahm, waren unter anderem „Gekauft, gekocht, gewonnen“, „Rosins Fettkampf – Lecker schlank mit Frank“, „Rosins Heldenküche“ und „Roadtrip Amerika“. Mit seiner Stiftung „Rosinchen for kids“ unterstützt er sozial und gesellschaftlich benachteiligte Kinder – dieses Engagement ist ihm persönlich sehr wichtig.