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ünchen, Nockherberg, 13 Uhr. Interview mit Stephan Zinner, Schauspieler, Kabarettist, Buchautor und Musiker. Der Gesprächspartner kommt überpünktlich und liefert gleich noch den bestellten Cappuccino - charmant! Weniger charmant ist die Januar-Sonne zu ihm, die zwischen grauen Wolken hervorblitzt, und Unschuldigen das Sehvermögen raubt. Mehrfach wird im Gespräch der Sitzplatz nachjustiert. Der zweite Kaffee ist bestellt, der Notizblock gezückt, es kann losgehen...
"Keine spezielle, aber ich mag´s nicht, wenn einer schlecht vorbereitet ist."
Okay...sind wir gut genug vorbereitet? Wir werden sehen. So viel ist auf jeden Fall bekannt: Aufgewachsen im oberbayerischen Trostberg lernte Stephan Zinner sein Handwerk an der Schauspielschule Zerboni in München. Es folgten Engagements am Salzburger Landestheater und bei den Münchner Kammerspielen. Er wirkt mit in zahlreichen Film- und Fernsehproduktionen, darunter in den Eberhof-Krimis als Metzger Simmerl, im Polizeiruf als Kriminalhauptkommissar Dennis Eden oder als Pfarrer Hans Reiser in der Serie "Himmel, Herrgott, Sakrament". Da haben wir doch gleich mal die nächste Frage:
"Ich finde daran nichts Ehrenrühriges oder Beleidigendes. Das gehört bei uns dazu und geht einem gut über die Lippen. Oben und unten wird mehr zu einer Ebene. Das täte dem Ganzen (kirchlichen Hierarchiensystem, Anm. d. Redaktion) vielleicht grundsätzlich nicht schaden, dass man Level-Unterschiede angleicht."
Pfarrer Reiser und Stephan Zinner teilen eine gemeinsame Leidenschaft: Motorrad fahren. Im echten Leben hat`s mit dem Führerschein noch nicht geklappt. Der Grund: Coronabedingt gab es Terminengpässe für Prüfungen in der Fahrschule. Im Frühjahr soll es aber so weit sein. Doch im Gegensatz zum Pfarrer ist Zinner verheiratet mit einer Chirurgin.
"Naja, die ist natürlich extrem begeistert. (lacht) Sie weiß halt, was passiert, wenn´s mit dem Fahren nicht so gut klappt. Wenn beim Unfall der Hubschrauber kommen muss, sieht es für Motorradfahrer oft richtig scheiße aus. Solche Bilder bleiben im Kopf einer Unfallchirurgin hängen. Doch es gibt auch viele Kollegen in ihrem Umfeld, die durchaus selbst Motorrad fahren. Und ich kenne ja meine Frau: Am Ende wird sie auch mitfahren wollen."
Zurück zum Schauspieler und Bühnenprofi. Stephan Zinner hat schon viele Bühnen von oben, unten und hinten gesehen. Da drängt sich gleich die Frage auf...
"Bei Kleinkunst wie Kabarett finde ich kleine Bühnen schon gut. Im April spielen wir im Zirkus Krone - das ist so gebaut, dass auch derjenige, der die letzte Karte kriegt, genug mitbekommt und einen coolen Abend hat. Das kann ich von manch großer Stadthalle nicht behaupten. Auch wenn du ins Resi (das Residenztheater in München, Anm. der Redaktion) gehst und ganz hinten sitzt, hast du einen anderen Abend als ein Gast im Pakettbereich. Bei Konzerten ist es wieder eigen. Da bin ich gerne weit hinten. Der Ton fällt dort quasi nach unten und macht einen guten Sound. Grundsätzlich gilt aber: Alle Veranstaltungsorte haben ihre Vor- und Nachteile, egal ob Lustspielhaus, Audimax oder Schlachthof..."
"Nein. Ich mag vielleicht die Episode einer Serie oder einen Film lieber als den anderen. Aber in jeder Rolle, egal ob Pfarrer, Metzger oder Polizist, gibt es die coolen Sachen zum Spielen und Dinge, die man halt machen muss. Es gibt keine Rolle, bei der ich mir denke: Das will ich unbedingt einmal spielen. Es hat alles sein Für und Wider."
"Nein, nicht pauschal. Klar liest man immer mal wieder was, wo man sich gar nicht sieht. Aber es kann auch das Team, in dem man spielt, Grund sein, eine Rolle nicht anzunehmen. Ich hatte da bisher immer Glück und tolle Kollegen. Doch in der Filmbranche gibt es schon den ein oder anderen komischen Vogel, oder auch...Vogelin. Ich habe mit denen nie richtig viel zu tun gehabt, aber man hört dann von anderen, dass die Zusammenarbeit mit einer Person richtig krass war. Man muss in dem Job nicht jeden mögen, aber ich hatte bis jetzt immer Glück."
"Der Wechsel ist großartig! Das ist für mich extremer Luxus. Bei Live-Auftritten muss man sehr präsent sein, bei Fernsehaufnahmen viel warten, Bücher schreiben ist langwierig - alles hat seine speziellen Anforderungen, alles seinen Reiz."
"Oh ja! Wenn ich viel Text lernen muss, wie bei der Rolle von Pfarrer Reiser, da war die erste Woche zach. Aber irgendwann kommt man da rein. Mir kommt es vor, als würde das Hirn neue Synapsen freischalten. Ich bin nicht wahnsinnig schnell beim Auswendiglernen, eher solides Mittelfeld. Und wenn der Text mal im Kopf ist, ist er drin. Ich kann schlecht `weg lernen´, wenn der Regisseur den Text zum Beispiel spontan ändert. Darin sind andere besser."
Nach getaner Arbeit kocht er gerne. Das entspannt. Rezepte, Tipps und Kniffe gibt's bei Bedarf von der Mutter, gerne notiert auf "Zinners Zetteln". Besonders Schmorgerichte haben es im angetan. Kinder und Frau freut es, wenn sich nach einem anstrengenden Tag in Schule und OP-Saal die Haustür öffnet und schon der Duft ankündigt, dass gleich etwas Gutes auf dem Tisch steht.
„Also, meine Mutter hätte mich früher nicht an den Herd gelassen. Bei uns hat sie immer gut und frisch gekocht. Ich glaube, es gab nie etwas aus der Dose. Das hat mich geprägt. Ich koche heute selber sehr gerne, das entspannt mich. Und meine Familie mag mein Essen auch. Meine Frau und Kinder können selbst sehr gut kochen. Meine 14-jährige Tochter hat letztens Lasagne gemacht, die war gut. Und vor der Schule macht sie sich auch mal High Protein Pancakes. Das finde ich schräg, aber auch cool.“
„Keine Ahnung, ich habe keinen abbekommen. Ich koche aber auch gerne mal vegan. Nur mag ich es nicht so gerne essen. Ich mag Käse, der geht mir bei veganem Essen einfach ab. Bei uns gab’s daheim als Kind auch viel vegetarische Gerichte. Fleisch eher nicht so oft – dafür dann aber die guten Stücker´l. Wenn Du selber kochst, selber dafür einkaufst, wächst Dein Wissen. Aber nicht, wenn Du für’s Essen bloß Packungen aufreißt.“
Kurze Unterbrechung – die Frau ruft an. „Ich bin gerade in eine INTERVIEW.“ Die Sonne piekst schon wieder in den Augen. Der Stuhl wird zurechtgerückt. Der Service bringt den nächsten Kaffee. Weiter geht’s…
„Das ist der Job, da muss man durch. Punkt. Andererseits ist das für einige durchaus so belastend, dass sie mit Kabarett aufgehört haben, sich auf’s Schreiben verlegten oder gar anfingen zu saufen. Dieser Zwiespalt zwischen „Mr Lucky auf der Bühne“ und „Wie geht’s mir wirklich?“ ist nicht leicht. Entweder, man hält diesen Druck aus oder hört auf. Eine Veranstaltung aufgrund von Krankheit abzusagen, das gibt’s. Ich musste im November 2023 aufgrund einer Bronchitis auch zwei Konzerte absagen. Die Veranstalter waren kulant und suchten einen Ersatztermin. Aber bei psychischen Problemen schiebt man vermutlich etwas anderes vor, um abzusagen.“
„Nein, aber ich entscheide aus dem Bauch heraus. Ich hab einfach kein Gen für langes Vergleichen. Meistens stimmt für mich der erste Eindruck.
„Davon halte ich wenig, weil ich auch schon mitbekommen habe, welche Anforderungen darüber an den Partner gestellt werden. Wenn ich mir in meinem Freundeskreis ansehe, welche Paare schon lange zusammen sind, würde man erstmal nicht immer draufkommen, dass gerade diese beiden gut zusammenpassen. Ich glaube, man schließt über diesen Weg viele aus und schränkt sich selbst in der Partnerwahl sehr ein. Auch beim Thema Status. Unter meinen Freunden trafen Reiche auf Arme und die Partnerschaft passt wunderbar. Das ist doch auch der Grundbaustein in Liebesfilmen. Man führt zwei verschiedene Personen zusammen – sowas ist doch sehr reizvoll.“
„Eine große. Das ist ein Ort für Treffen, für Kulinarik. Ich mag das sehr. Gerade jetzt, wo viele sich im Internet ihren eigenen Kosmos aufbauen, schafft das Wirtshaus Raum für Begegnungen. Man kommt ins Ratschen – auch mit Leuten, die nicht unbedingt deine Freunde sind. Darum mag ich auch die Wiesn. An meinem Tisch saß dort zuletzt eine wilde Mischung aus Ober- und Niederbayern, Asiaten, Mazedonen. Alle sind gut miteinander. Das mag ich und finde ich wichtig. Umso mehr ist es schade, wenn ich auf’s Land fahre und bei einer Wirtschaft ein „Geschlossen“-Schild sehe. Aber ich bekomme auch mit, dass es junge Leute gibt, die da wieder einsteigen wollen (in die Gastronomie, Anm. d. Redaktion). Das finde ich gerade am Land wichtig. Aber dass Wirtshäuser schließen, liegt auch an den Leuten. Gerne wird g’scheit dahergeredet, wenn was schließen muss. Aber wenn du dann fragst: ‚Warst Du mal in dem Wirtshaus?‘, zeigt sich, dass stattdessen eher was beim Lieferdienst bestellt wurde. Das finde ich dann auch komisch.“
"...scheiße!"
Das Interview führte Juliane Jerin
Mitmachen und gewinnen!
Unter allen Einsendern, die bis spätestens 30. April 2024 eine E-Mail mit dem Stichwort „Stephan Zinner“ an gewinnspiel@gastgeber.bayern schicken, werden je drei signierte Exemplare der Romane „Flugmango“ und „Badewanne des Todes“ verlost. Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Stephan Zinner auf Tour
Aktuell tourt Stephan Zinner mit dem Kabarett Programm "Der Teufel, das Mädchen, der Blues & Ich" durch Bayern. Zudem veranstaltet er mit seinem Freund und Kollegen Hannes Ringlstetter Kabarettabend unter dem Motto "2 Typen - 2 Gitarren - 2 Bücher". Interessierte sollten schnell zugreifen - es wird schon eng in Sachen Tickets. Übrigens: Am 18. September präsentiert Zinner im Lustspielhaus München sein neues Buch - wir sind jetzt schon gespannt, welche Geschichte uns nach der "Badewanne des Todes" erwarten. www.stephanzimmer.de