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ie rechtzeitige Regelung der Unternehmensnachfolge ist für kleine und mittelständische Hotels und Gastronomiebetriebe eine Herausforderung. In den kommenden Jahren stehen geschätzt 40 Prozent vor dieser Herausforderung - eine Rekordzahl. Zumeist ist die Betriebsnachfolge eines Unternehmens ein komplexer Prozess. Es geht vorrangig darum, den Übergang so zu gestalten, dass Betrieb, Arbeitsplätze und Knowhow fortbestehen, notwendige Investitionen getätigt werden können und dem Betrieb keine Substanz entzogen wird. Dabei kann ein Generationenwechsel auch die Neuausrichtung des Unternehmens bedeuten oder gar erfordern, um es für die Zukunft fit zu machen.
Branchenübergreifend geht man davon aus, dass rund 55 Prozent der Nachfolge innerhalb der Familie, 30 Prozent extern, und rund 17 Prozent aus dem Kreis der Mitarbeiter erfolgt. Betriebsübergänge sind daher in der Regel sehr persönliche, einschneidende Schritte. Dabei gilt es das Lebenswerk eines Unternehmers und das seiner langjährigen Mitarbeiter wertzuschätzen und mit Respekt zu würdigen. Andererseits braucht der Fortbestand auch Wandel, der mit Achtsamkeit aber auch Konsequenz stattfinden darf.
Im Gespräch mit Gastgeber Bayern kommen im Folgenden beide Generationen zu Wort – der übergebende Vater sowie der übernehmende Sohn. Offensichtliche Unterschiede hinsichtlich möglicher Ziele und Pläne für den Betrieb – das Hotel Riesengebirge in Neuhof an der Zenn – wurden im Zuge ihrer Übergabe offen kommuniziert und transparent dargelegt. Dies erleichterte den Wechsel für beide Seiten erheblich.
Das war eigentliche die logische Konsequenz aus unserer Bereitschaft, den Betrieb nach langer Selbständigkeit an die folgende Generation zu übergeben und der Bereitschaft unseres Sohn Philipp und seiner Frau Katrin andererseits, das Erbe anzutreten. Insofern konnten die Voraussetzungen nicht besser sein.
Na klar hatten meine Frau Christine und ich auch mal ein „mulmiges Gefühl“, wenn Altbewährtes verändert wird. Dass die jungen Chefs Dinge nach ihren Ansichten ändern wollen, dass sie die in ihrer Ausbildung erlernten Erfahrungen und Eindrücke einbringen und umsetzen wollen, eigene Ideen verwirklichen und neue Wege gehen wollen, ist legitim! Da ist schlichtweg eine neue Generation am Werk. Wenn ich ehrlich bin und an meine Anfänge als Unternehmer zurückdenke, war das nicht anders. Die primäre Erwartungshaltung war natürlich, dass das aus eigener Sicht erfolgreiche „Geschäft“ erst mal so weiterläuft, dass Löhne und Verbindlichkeiten bezahlt, Darlehenszins und Tilgung aus Investitionen bedient und Rücklagen für Investitionen geschaffen werden. Diese Erwartungen wurden allerdings schon sehr bald übertroffen. Dabei gab es auch Entscheidungen, die die Grundwerte und Philosophie unseres Unternehmens tangierten. Philipp und Katrin suchten im Vorfeld aller grundlegenden Veränderungen das Gespräch, um uns ihre Ideen, die Umsetzung und die Ziele zu erläutern. Diese Gespräche waren für meine Frau und mich enorm wichtig, um die Veränderungen zu verstehen und sie stärkten unser Vertrauen in die zukünftige Geschäftsausrichtung.
Unser gemeinsames Ziel war es, dass die komplette Geschäfts- und Abteilungsleitung sukzessive übergeben wird. In allen Bereichen wurde nach einer Übergangsphase der Stab weitergereicht. Veränderungen gab es sehr viele und auch in hohem Tempo. Meine Frau Christine und ich haben uns zum Thema Betriebsübergabe im Vorfeld viele Gedanken gemacht. Wir wissen aus dem Kollegenkreis, dass manche nicht loslassen können, eben aus Angst vor Veränderungen. Stichwort Generationsproblem! Wir haben versucht, bei allen was die nächste Generation unternahm, dies zu berücksichtigen. Natürlich gab es auch mal Bedenken, die sich aber schon nach kurzer Zeit in Vertrauen umschlugen, weil wir sahen, wie positiv sich „unser“ Betrieb entwickelte, wie stimmig das neue Konzept ist und natürlich auch bedingt durch den wachsenden Geschäftserfolg.
35 Jahre Selbständigkeit bedeuten 35 Jahre auf der Überholspur, Verantwortung, lange Arbeitstage, oftmals sieben Tage die Woche. Unser Ziel war es immer, ein paar Jahre früher abzugeben. Ich kann nur jedem Kollegen raten sich frühzeitig mit dem Thema zu befassen, bevor die nachfolgende Generation die Lust verlässt.
Wir haben während der gleitenden Betriebsübergabe eine Jubiläumsfeier veranstaltet in der nicht nur auf Erreichtes zurückgeschaut wurde, sondern den Gästen und Geschäftspartnern auch die Betriebsübergabe verkündet wurde. Das war der Startschuss und auch für uns etwas Besonderes.
Unser Betrieb hat sich unglaublich weiterentwickelt. Wir sind begeistert!
Ich habe im August 2019 die Geschäftsführung übernommen. Kurz bevor Corona die ganze Welt auf den Kopf gestellt hat.
Meine Frau und ich sahen in dem Betrieb meiner Eltern enormes Potenzial. Wir haben uns diesen Schritt natürlich reiflich überlegt. Wir waren uns sicher, mit dem Fachwissen und dem Knowhow, das wir aus unseren vorhergehenden beruflichen Stationen mitbringen, unsere Vision für das „Riesengebirge“ verwirklichen zu können.
Wo soll ich anfangen? Neben umfangreichen Modernisierungs- und Umbaumaßnahmen in nahezu allen Gästebereichen, haben wir auch stark in die IT investiert. Dadurch wurden verwaltungstechnische Abläufe optimiert und effizienter gestaltet. Ein Revenue Management wurde eingeführt. Website, Marketing, Social Media wurden erneuert und werden der neuen Ausrichtung fortwährend angepasst. Aber auch hinter den Kulissen waren wir rege. Die Lager wurden neu organisiert, ein großer Tiefkühler geschaffen. Unsere bisher größten Investitionen waren im Jahr 2023 die Umgestaltung eines Restaurants zur Bar und Lounge sowie die Komplettsanierung der Hotelküche. Durch diese umfangreichen Investitionen bieten wir unseren Gästen einen neuen Wohlfühlfaktor und unseren Mitarbeitern in allen Bereichen moderne, mit neuester Technik ausgestatteten Arbeitsplätze. New Work auf dem Land eben. (lächelt) In unserem Betrieb herrscht eine flache Hierarchie. Das Riesengebirgs-Team duzt sich. Sonntag ist Ruhetag, damit unsere Mitarbeiter einen gemeinsamen Tag mit der Familie in der Woche haben. Allgemein versuchen wir, die Wertigkeit eines Jobs in der Gastro Schritt für Schritt zu heben, beispielsweise durch kreative Arbeitszeitmodelle oder eine individuelle Herangehensweise an die einzelnen Stellen und die Menschen, die Sie ausfüllen. Wir haben das „Riesengebirge“ vom traditionellen fränkischen Landgasthof mit starker Frequentierung im á la carte, zu einem Business-Hotel mit Fokus auf den Veranstaltungssektor geswitcht. Die Tagungs- und Seminarräume wurden in einen modernen „New Work Style“ mit modernster Technik umgestaltet. Die Öffnungszeiten im á la carte sind jetzt um mehr als 50 Prozent reduziert, die Küchenausrichtung erlebte – den Erwartungen des geänderten Gästekreises angepasst – den Wandel von einschlägig fränkisch-deutscher Küche zur gehobenen Restaurantküche mit starkem vegetarischem und veganem Akzent. Der Spirit des Lokals wird den Gästen und dem Team durch ein einheitliches Corporate Design vermittelt. Wert gelegt wird dabei unter anderem auf wiederkehrende Materialien und Farben im Hotel, ein einheitliches Look and Feel im Team-Outfit sowie regionale Produkte. Zusätzlich zum Stammhaus betreiben wir nun zwei weitere Eventlocations in unmittelbarer Nähe, die in identischer Ausrichtung positioniert wurden. Freie Trauungen auf der Obstwiese mit Schampus und Fingerfood, Kreativ-Workshops in unserer Macherscheune, Live-Cooking-BBQs in lockerer Atmosphäre bei Feuer & Drinks, Teamkoch-Events und Küchenpartys in unserer neu gestalteten Riesen-Eventküche mit separatem Gästebereich sind inzwischen Aushängeschilder der Riesen-Marke.
Ich glaube, die ein oder andere Falte auf der Stirn entdeckt zu haben. (lacht) Das hat sich aber relativ schnell gelegt. Wir haben unseren Eltern schließlich auch in kürzester Zeit einiges abverlangt. Sie haben uns immer unterstützt, ganz besonders in der Corona-Zeit. Da waren die stärkenden Worte und die Unterstützung für uns Jungunternehmer auch sehr wichtig.
Wir waren uns unserer Sache sehr sicher. Wir hatten und haben klare Ziele vor Augen. Manchmal wünschen wir uns, manche Prozesse würden schneller voran gehen. Aber es gibt immer Luft nach oben. (schmunzelt)