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ndreas Schweiger ist Sternekoch, erfolgreicher Unternehmer und Kochbuchautor. Zudem ist er der breiten Öffentlichkeit aus der TV-Sendung „Die Kochprofis – Einsatz am Herd“ bekannt. Im Gespräch mit Gastgeber Bayern spricht er unter anderem über aktuelle Herausforderungen für die Gastronomie, mit denen keineswegs nur inhabergeführte Betriebe konfrontiert sind. Doch auch mit den Eigenheiten dieser häufig kleineren Betriebe ist er bestens vertraut. Und siehe da: Der Spitzenkoch attestiert familiengeführten Betrieben sogar eine größere Widerstandsfähigkeit als anderen Unternehmensformen in der Gastronomie – sofern der Zusammenhalt stimmt und nicht nur wirtschaftliche Interessen zählen, versteht sich.
Das sind aus meiner Sicht diejenigen, die noch ein bisschen länger überleben, wenn man als Familie zusammenhält. Wenn alle zusammenhelfen, wenn die Oma noch mit dabei ist und die Kinder schon Kartoffeln oder Zwiebeln schälen. Anders ist es, wenn alle auf dem Gehaltszettel stehen – vorausgesetzt, man hat überhaupt noch Mitarbeiter. Das ist ja an sich schon ein riesiges Problem, das man nicht unterschätzen darf.
Das Mitarbeiterproblem ist überall. Wir selbst kommen zwar immer ganz gut durch, müssen aber auch aktiv etwas tun, um Leute zu bekommen.
Ja. Man hat es natürlich auch ein bisschen einfacher, wenn man in der Öffentlichkeit steht.
Alles ist teurer geworden, und viele trauen sich nicht, die Mehrkosten auf ihre Verkaufspreise umzulegen. Weil die Leute dann vielleicht sagen: „Na gut, dann gehe ich halt nicht mehr essen.“ Oder von Unternehmensseite kommt: „Na ja, also für Weihnachtsfeiern ist kein Budget mehr übrig, dann kriegt halt jeder ein Geschenk.“
Jain. Wenn man gute Qualität bietet und ein netter Kerl ist, um das mal flapsig zu sagen, geht es dort auch. Gastro ist natürlich allgemein ein etwas härteres Geschäft. Es kommt auch darauf an, was man macht. Unsere Art der Gastronomie könnten wir zum Beispiel nicht auf dem Land machen. Wichtig ist, sich mit seinem Umfeld zu beschäftigen, bevor man sich einfach hineinstürzt und ein Fischrestaurant auf dem Berg aufmacht, um es mal überspitzt auszudrücken. (lächelt)
Wir haben heute Abend eine Veranstaltung mit 15 Personen, da sind zwei Veganer und drei Vegetarier dabei. Das gab es vor 15 Jahren noch nicht. Vor zehn Jahren wollten viele glutenfrei und laktosefrei essen. Das hat sich jetzt wieder gelegt – ich habe keine Ahnung, woran das liegt. Man muss auf jeden Fall am Zahn der Zeit bleiben, sich mitentwickeln, weiterentwickeln – auch als Wirtshaus oder als speziellere Gastronomie.
Natürlich kommt das vor. Es ist schließlich viel einfacher, immer das zu machen, was man schon kann. Und es ist immer schwieriger, sich umzustellen, etwas Neues zu machen, dazuzulernen, egal in welchem Alter. Andere haben aber Lust, sich weiterzuentwickeln. Ein Bekannter von mir zum Beispiel: Es ist zwar schon wieder zwei Jahre her, aber er hat ein neues Restaurant eröffnet. Er meint, er kann sich nicht retten vor Bewerbungen von Köchen.
Er macht das Kochen wieder ganzheitlicher, pflanzt selbst an, fermentiert, macht und tut. Und das im etwas größeren Stil. Wir machen das an sich auch, aber wir brauchen keine Angestellten für den Garten, sondern machen das zusammen mit den Schwiegereltern. Aber so etwas ist interessant für junge Leute, die sich weiterentwickeln wollen. Die gehobene Gastronomie hat sich insgesamt wahnsinnig weiterentwickelt.
Mein Koch hat zum Beispiel heute schon Brot gebacken. Wir machen gerade einen veganen Chip aus Buchweizen, Leinsamen und Nüssen. Ich bin jetzt fast 50 Jahre alt, ein alter Hase also. Ich muss das Rad nicht neu erfinden. Aber solche Sachen machen mir einfach Spaß.
Es müssen immer beide mitspielen. Das ist oft schwierig, wenn Mama oder Papa den Betrieb seit 40 Jahren geführt haben und der Junge jetzt alles anders machen will. Sie müssen aber lernen, loszulassen. Die Familienbetriebe, die richtig erfolgreich sind, lassen den Nachkömmlingen auch ihren Freiraum. Bei den anderen ziehen die Jungen dann weiter. Die machen das nicht mit.
Es gibt Länder, in denen die Gastronomie ein anderes Ansehen genießt. Ich denke zum Beispiel an Kopenhagen. Dort gibt es mehr als eine Million reine Gourmet-Touristen pro Jahr, wenn der Bericht stimmt, den ich vor einiger Zeit darüber gelesen habe. Dort unterstützt die Politik die Restaurants. Sie müssen nicht unbedingt wirtschaftlich sein, um einen guten Platz zu bekommen. Das zieht dann weitere gute Leute an, und irgendwann kommt das nächste Sternerestaurant hinzu. Davon leben dann aber auch die Kleinen, sogar die Imbissbuden, weil die Gäste auch nicht den ganzen Tag im Sternerestaurant essen wollen. Und die Hotels profitieren. Es gibt Branchen, die stärker unterstützt werden, damit sie funktionieren. So etwas würde ich mir auch wünschen.
Zum Beispiel bei der Mehrwertsteuer und der Bürokratie?
Ja, natürlich. Wir müssen manche Sachen machen, bei denen ich denke: Wann sollen wir das jetzt auch noch machen? Will man denn, dass die Gastronomie verschwindet?
Wir beobachten ein Wirtshaussterben. Welche gesellschaftliche Bedeutung haben Wirtshäuser Ihrer Meinung nach?
Wir lieben es alle, wenn die Leute in Spanien und Italien an großen Tafeln zusammensitzen. Das liegt aber nicht nur an der Gastronomie, sondern auch an den Kunden. In Deutschland wollen viele supergünstig essen. Das Schnitzel darf nur zehn Euro kosten. Natürlich trägt auch das dazu bei, dass die Wirtshäuser sterben. Aber es gibt auch Gegenbeispiele…
Vor ein paar Wochen war ich in einem richtigen Wirtshaus auf dem Land. Das war jetzt auch nicht nagelneu renoviert. Aber dort arbeitet ein junger Koch, Mitte 20, der das toll macht und die klassischen Gerichte genial neu interpretiert. Der Laden war voll und ist es auch unter der Woche. Ob es mit einem Wirtshaus funktioniert oder nicht liegt also an ganz verschiedenen Faktoren. Man darf jedenfalls nie die Schuld von sich weisen. Stattdessen muss man dranbleiben und immer wieder investieren.
ZUR PERSON: Nach seiner Ausbildung zum Koch im Sterne-Restaurant „Fallert“ im Hotel Talmühle, Sasbachwalden, machte Andreas Schweiger unter anderem Station im Sterne-Restaurant „Wielandshöhe“ von Vincent Klink, Stuttgart, dem Hotel Dorchester, London, dem Sterne-Hotel-Restaurant „Krone“ von Karl-Emil Kuntz, Herxheim sowie dem „Hotel Mandarin Oriental“ von Holger Stromberg, München. Im Jahr 2003 eröffnete er mit dem Restaurant „Cocoon“ sein erstes eigenes Restaurant. Es folgten das „G-Munic“ (2005) und das „Schweiger 2“ (2006 – 2017). Seit 2009 ist der heute 47-Jährige im TV-Format „Die Kochprofis“ auf RTL2 präsent. 2013 eröffnete er mit „Andi Schweiger's Kochschule“ eine erfolgreiche Event- und Kochlocation und hat zwischenzeitlich fünf Kochbücher publiziert.