err Sibler, wofür sind Sie als Bayerischer Staatsminister für Wissenschaft und Kunst in diesen Tagen besonders dankbar?
Wir befinden uns momentan in herausfordernden Zeiten. Die Corona-Pandemie betrifft alle Bereiche unseres gesellschaftlichen Lebens. Noch immer müssen viele Einrichtungen zum Schutz der Bevölkerung geschlossen bleiben. Ich versichere Ihnen: Als Kunstminister blutet mir das Herz, dass unsere kulturellen Einrichtungen in Bayern momentan noch nicht öffnen können, wofür ich um Verständnis bitte. Gerade Kunst und Kultur können in diesen Tagen eine sinnstiftende und verbindende Funktion einnehmen. Daher bin ich sehr dankbar für das Engagement unserer Kulturschaffenden im Freistaat, die uns mit all ihren digitalen Angeboten in eine Welt der Kreativität und Lebensfreude holen. Große Wertschätzung empfinde ich momentan aber auch für unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Sie haben den Ernst der Lage früh erkannt und eine Vielzahl an Forschungsprojekten rund um Covid-19 auf den Weg gebracht. Daneben sind sie unverzichtbare Ratgeber für die Politik. Mit ihrer Hilfe werden wir das Virus schneller verstehen und es schließlich besiegen. Da bin ich zuversichtlich.
Wo wir gerade bei Ihren beiden Ressorts sind: Gerade Kunstschaffende wünschen sich häufig mehr Wertschätzung für ihre Arbeit. Was tun Sie als Kunstminister für unsere Künstlerinnen und Künstler im Freistaat?
Als bayerischer Kunstminister und Vorsitzender der Kulturministerkonferenz ist es mir ein großes Anliegen, die Kunst- und Kulturlandschaft in der Krise zu stützen und langfristig weiter voranzubringen. Die Mittel in Bayern wurden dafür zum Beispiel sukzessive erhöht, sodass uns heuer über 800 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Das ist eine stabile Ausgangslage, um begonnene Projekte fortzuführen und neue Vorhaben anzugehen. Gemeinsam mit unseren Partnern in Kunst und Kultur wollen und müssen wir Zukunft gestalten. Deshalb profitieren auch erstmals unsere Kunsthochschulen, die wichtige Arbeit für unseren künstlerischen Nachwuchs leisten, von einem eigenen Innovationsfonds für ihre Weiterentwicklung. Einzelne Künstlerinnen und Künstler können wir mit unseren unterschiedlichen Stipendien- und Förderprogrammen unterstützen. Damit möchten wir unseren jungen Künstlerinnen und Künstlern dafür Danke sagen, dass sie unser kulturelles Leben bereichern.
Eine kurze Nachfrage an dieser Stelle: Lässt sich Wertschätzung ihrer Meinung nach auch ohne finanzielle Mittel ausdrücken?
Absolut. Eines meiner Leitmotive als Kunstminister ist die Sichtbarkeit. Ich will Kunstschaffenden eine Plattform bieten, um sich und ihre Arbeit vorzustellen. Dafür haben wir beispielsweise unser Kunst- und Wissenschaftsmagazin „Aviso“ neu aufgestellt. Gerade junge Künstlerinnen und Künstler, Philosophen und Literaten, aber auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können sich dort nun verstärkt präsentieren. Auch auf unserem Instagram-Kanal wissenschaft.kunst.bayern stellen wir Nachwuchskünstlerinnen und -künstler aus Bayern vor. Und: Den sogenannten Ministergang in meinem Ministerium habe ich kurzerhand in eine Ausstellungsfläche umfunktioniert und für die Öffentlichkeit geöffnet. Interessierte erwarten nun spannende Kunstwerke von Studentinnen und Studenten unserer Kunstakademien.
Neben Kunst und Kultur sind Sie als Minister auch zuständig für die Wissenschaft in Bayern. Wie würdigen Sie die Arbeit, die in diesem Bereich geleistet wird?
Um die Relevanz von Wissenschaft und Forschung für unsere Zukunft weiß die gesamte Bayerische Staatsregierung, allen voran unser Ministerpräsident Dr. Markus Söder. Deshalb hat er im Oktober 2019 die Hightech Agenda Bayern, die ein Gesamtvolumen von 2 Milliarden Euro umfasst, vorgestellt. Diese Innovationsoffensive ist ein echter Quantensprung für Bayerns Hochschullandschaft. Wir können damit unsere Hochschulen im internationalen Wettbewerb nach vorne bringen – in Forschung und Lehre. Denn eines ist klar: Ohne unsere Forscher und Entwickler können wir weder Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit finden noch im internationalen Wettbewerb mithalten. Schlüsseltechnologien wie Künstliche Intelligenz, Clean Tech und Luft- und Raumfahrt spielen dabei mit Blick auf die Stärke Bayerns eine besondere Rolle. Bei aller Zukunftsorientierung dürfen wir aber unsere Bürgerinnen und Bürger nicht vergessen. Mir ist wichtig, dass der Wert von Wissenschaft und Forschung deutlich wird – gerade im Zeitalter von Fake News und Filterblasen. Mit meiner Veranstaltungsreihe „Siblers Denkräume“ will ich dazu beitragen, Wissenschaft nahbar zu machen. Ich komme mit Bürgerinnen und Bürgern in ganz Bayern über gesellschaftsrelevante Themen und Forschungsfragen ins Gespräch und höre mir ihre Anliegen an. Wir müssen möglichst alle bei diesen Themen mitnehmen. Im Mittelpunkt der Veranstaltungsreihe, die wir leider momentan wegen Corona aussetzen müssen, stehen aktuell die Chancen und Herausforderungen Künstlicher Intelligenz.
Wo sehen Sie als Minister Möglichkeiten, die Hotellerie- und Gastronomiebranche noch weiter aufzuwerten?
Ich kann hier natürlich nur für meine Zuständigkeitsbereiche als Wissenschafts- und Kunstminister sprechen. Einige unserer Hochschulen bieten Studiengänge und Forschungsprojekte im Bereich Tourismus und Hotellerie an oder arbeiten gerade daran. Die Hochschule für angewandte Wissenschaften Kempten plant beispielsweise ein Wissenstransferzentrum „Innovative und Nachhaltige Tourismusentwicklung“. Es wird sich mit Fragen zur Nachhaltigkeit unter Berücksichtigung der großen Trends wie Neo-Ökologie, Wertewandel, demografischer Wandel, Gesundheit und Mobilität beschäftigen, um die touristische Wettbewerbsfähigkeit der bayerischen Tourismusziele zu sichern und sie für die Zukunft aufzustellen. Außerdem macht die Möglichkeit einer akademischen Ausbildung die Hotellerieund Gastronomiebranche gerade für junge Menschen noch attraktiver, denke ich. Durch die Auswahl zwischen Ausbildung und Studium können wir einen größeren Kreis an Interessierten ansprechen. Davon verspreche ich mir mehr Nachwuchs für das Hotellerie- und Gastronomiegewerbe. Als Kunstminister würde ich empfehlen, den Kontakt zu unseren Kunstund Kulturschaffenden sowie ortsansässigen Kultureinrichtungen zu suchen und Kooperationsprojekte ins Leben zu rufen – soweit das noch nicht geschehen ist. Ich halte das für eine klassische Win-Win-Situation: Die Kulturschaffenden erhalten eine Bühne, um ihre Kunst zu präsentieren, und Hotels und Gastronomie ziehen mit einem abwechslungsreichen Kulturangebot noch mehr Gäste an.
Um zum Abschluss noch einmal auf die aktuelle Situation zu sprechen zu kommen: Aufgrund der Corona-Pandemie müssen wir alle erhebliche Einschränkungen in unserem Alltag in Kauf nehmen. Was vermissen Sie persönlich besonders und worauf freuen Sie sich schon wieder nach der Krise?
Persönliche Begegnungen bereichern unseren Alltag. Ich denke, mir geht es wie so vielen: Diese Begegnungen, eigentlich selbstverständlich, fehlen mir – auch wenn ich beruflich immer noch viel in Bayern unterwegs bin. Deshalb freue ich mich nach der Krise auf fröhliche Treffen in Biergärten und gemütliche Abende in unseren Gasthäusern. Und selbstverständlich werde ich den Genuss von Kunst und Kultur nachholen: Ich möchte wieder durch Museen schlendern, Konzerte und Theaterveranstaltungen besuchen und mich in Lesungen zu neuen Büchern inspirieren lassen. Diese Zeit wird wiederkommen. Und ich werde sie dann umso mehr schätzen.
Zur Person
Bernd Sibler ist am 19. Februar 1971 in Straubing geboren. Nach seinem Studium der Germanistik und Geschichte für das Lehramt am Gymnasium an der Universität Passau und dem Referendariat am Adalbert-Stifter Gymnasium Passau arbeitete er ein Jahr lang als Lehrer am Robert-Koch-Gymnasium Deggendorf. 1998 zog Sibler als Abgeordneter in den Bayerischen Landtag ein. 2008 bis 2011 war er Vorsitzender des Ausschusses Hochschulen, Forschung und Kultur im Bayerischen Landtag und des Landesdenkmalrates. Zwischen 2007 und 2018 war er rund sieben Jahre lang Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus und im Bayerischen Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst. Im März 2018 wurde er zum Bayerischen Staatsminister für Unterricht und Kultus ernannt, bevor er Ende desselben Jahres in sein derzeitiges Amt wechselte.