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Stornierungen von Hotelbuchungen sind für Hotelbetriebe ein täglicher Vorgang. Nicht selten sind sie auch Gegenstand von Meinungsverschiedenheiten zwischen Hotel und Gast, die häufig vor Gericht enden. Zentral ist die Frage, ob der Gast seine Reservierung stornieren konnte und welchen Betrag der Hotelbetreiber noch von ihm verlangen kann. Von Patricio Ortega
Mit der Buchung der Hotelunterkunft schließen Hotelbetrieb und Gast einen Beherbergungsvertrag. Die Rechtsprechung sieht hierin im Wesentlichen einen Mietvertrag mit einigen zusätzlichen Elementen, wie etwa Dienstleistungs- und Kaufelementen. Der Hotelbetrieb muss somit dem Gast die Mietsache, also das Hotelzimmer, zur Verfügung stellen. Der Gast muss den Mietpreis, also den Übernachtungspreis, bezahlen. Problematisch wird es, wenn es zu Störungen des Vertragsverhältnisses kommt. Solche können ihre Ursache sowohl auf Seiten des Gastes haben, etwa wenn er bei seiner Anreise verhindert ist, wie auch seitens des Hotelbetriebs, wenn das reservierte Zimmer nicht nutzbar oder das Hotel überbucht ist. Wie derartige Störungen rechtlich zu behandeln sind, ist im Wesentlichen bekannt.
Darüber hinaus können Störungen auch von außen die Durchführung des Vertragsverhältnisses beeinträchtigen. Die Coronapandemie hat dies sehr nachhaltig gezeigt. In dieser Zeit ergab sich häufig die Situation, dass der Gast die Übernachtungsleistung in Anspruch nemen und der Hotelbetrieb ihm das reservierte Zimmer auch überlassen wollte, aber eine Übernachtung dann doch nicht möglich war. Zudem ergab sich aufgrund behördlicher Coronaauflagen die Situation, dass für den Gast der Grund seiner gebuchten Übernachtung schlicht entfiel.
Der Bundesgerichtshof (BGH) musste jetzt über einen Fall entscheiden, bei dem ein Unternehmen für acht seiner Mitarbeiter Zimmer in einem Hotel in Hannover gebucht hatte, damit diese an der Hannover-Messe 2020 teilnehmen konnten. Diese Messe wurde aufgrund der Corona-Anordnungen zunächst verschoben, dann schließlich ganz abgesagt. Das Hotel hatte eine Vorauszahlung des gesamten Übernachtungspreises verlangt und auch erhalten. Aufgrund der Reservierung zur Zeit der Messe hatte das Hotel einen erheblich höherer Zimmerpreis verlangt, der drei Mal so hoch war wie der übliche. Nachdem die Messe nicht stattfand, verlangte das Unternehmen die geleistete Übernachtungszahlung von 15.440 Euro zurück.
Der BGH bestätigte in seinem Urteil die Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Celle. Dieses hatte den Hotelbetrieb zu einer Rückzahlung des hälftigen Betrags verurteilt. In seiner Entscheidung hält der BGH fest, dass das Nutzungsrisiko grundsätzlich auf Seiten des Hotelgastes liegt. Kann er die gebuchte Übernachtung nicht wahrnehmen, liegt das Risiko allein auf seiner Seite und er muss das gebuchte Zimmer auch bezahlen. Hieran ändert auch nichts, dass der Hotelbetreiber den Grund der Übernachtung in seinem Haus kennt und weiß, dass der Übernachtungsgrund weggefallen ist. Dies gilt also auch in Fällen, in denen eine Großveranstaltung, wie eine Messe oder ein Großkonzert, abgesagt werden.
Anders kann es jedoch zu beurteilen sein, wenn auch seitens des Hotelbetriebs eine Anknüpfung zu diesem Großereignis vorgenommen wird. Typischerweise, wie auch im entschiedenen Fall, geschieht dies durch eine Anhebung des Übernachtungspreises, hier dem rund Dreifachen des sonstigen Preises. Mit einer solchen Bezugnahme des Hotelbetreibers auf das Ereignis, indem er den erhöhten Übernachtungspreis als ‚Messepreis‘ oder ‚Messetarif‘ rechtfertigt, schafft es eine eigene Anknüpfung an dieses. Das Hotel zeigt hierdurch, dass es die gebuchte Übernachtung nicht als Übernachtung wie jede andere sieht, sondern als eine, die zumindest in einem Zusammenhang mit dem Ereignis steht.
Fällt dieses Ereignis, wie hier die Hannover-Messe, dann weg, kommt es hierdurch zu einer Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs.1 BGB. In Folge ist das Vertragsverhältnis anzupassen. Das Verwendungsrisiko liegt nunmehr nicht mehr ausschließlich auf Seiten des Gastes, sondern ist unter Berücksichtigung der Aspekte der Risikoverteilung aufzuteilen. Hier spielen besondere Aspekte der Risikozurechnung und Risikonutznießung eine Rolle, wonach der Hotelbetrieb aus einem bestimmten Umstand, hier der Durchführung einer Messe, einen besonderen eigenen Nutzen gezogen hätte. Damit war der Hotelbetrieb hier ebenfalls am Risiko des Ausfalls der Messe zu beteiligen.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Hotelbetriebe im Fall von Stornierungen weiterhin grundsätzlich einen Anspruch auf die Bezahlung der Zimmer haben (unter Anrechnung ersparter Aufwendungen). Dies gilt auch, wenn sie den Zweck der Übernachtung des Hotelgastes kennen und wissen, dass dieser Zweck der Übernachtung für den Gast weggefallen ist. Bezieht sich das Hotel jedoch bei Vertragsschluss selbst auf das Ereignis, insbesondere indem es einen deutlich höheren Zimmerpreis verlangt, so hat es im Fall des Ausfalls dieses Ereignisses das damit verbundene Risiko mitzutragen, mit der Folge, dass es zwischen dem Hotelbetrieb und dem Gast zu einer Aufteilung des Verwendungsrisikos kommt. Der Übernachtungsbetrieb kann dann vom Gast zumindest nicht mehr den vollen erhöhten Übernachtungspreis verlangen. Dies gilt es bei der Bemessung von sogenannten ‚Messepreisen‘ und ähnlichem zu bedenken.
Patricio Ortega
ist Syndikusanwalt beim DEHOGA Bayern