err Trettl, Sie sind in Südtirol geboren, haben in Österreich Kochgeschichte geschrieben, gelten als kulinarischer Weltenbummler. Gibt es für Sie eigentlich einen bestimmten Ort, den Sie als Heimat bezeichnen würden?
Heimat ist dort, wo die Familie ist. Wo meine Frau und mein Sohn sind, da bin auch ich zuhause, das ist sozusagen mein Heimathafen.
Sie sagen von sich selbst, dass Sie nicht als Koch geboren wurden. An welchem Punkt in Ihrem Leben haben Sie die Liebe zum Beruf für sich entdeckt?
Die echte Liebe zum Kochen kam eigentlich erst zwei Jahre, nachdem ich meine Lehre abgeschlossen hatte. Rückblickend würde ich sagen, dass mein Wechsel ins Restaurant „Aubergine“ eine Art Initialzündung war. Zuvor hatte ich den Beruf einfach nur ausgeübt, aber nicht als Berufung gesehen, was in meiner eigenen Biografie begründet ist. Denn wenn man sich wie ich entscheidet, mit 14 Jahren die Schule zu verlassen, steigen einem die Eltern früher oder später auf die Füße. Dann musst du eben einen bestimmten Weg einschlagen. Und das Kochen war zu diesem Zeitpunkt deshalb naheliegend, weil meine Eltern damals Inhaber einer Diskothek in meinem späteren Ausbildungsbetrieb waren.
Das klingt fast so, als wäre die Lehre für Sie nicht sonderlich erfüllend gewesen…
Dass ich mich anfangs schwer getan habe, lag ausschließlich an mir, mein Chef war zweifelsohne sehr gut. Es war einfach so, dass ich nach einer gewissen Zeit im Ausbildungsbetrieb selbst zur Erkenntnis gekommen bin, etwas ändern zu müssen – ganz nach dem Motto: gescheit oder gar nicht. Diese Chance hat mir Eckart Witzigmann seinerzeit völlig unerwartet gegeben, was für mich natürlich ein ganz großes Glück war.
Inwiefern hat dieses neue Umfeld Sie motiviert, eine eigene kulinarische Handschrift zu entwickeln?
In der „Aubergine“ habe ich von Beginn die Passion gespürt, mit der jeder Einzelne seine Arbeit ausübt. Der Anspruch, aus einem Top-Lebensmittel eine Spitzenkreation zu machen, wurde dort tagtäglich gelebt. Gerade das hat mich damals auf Anhieb fasziniert und begeistert mich noch heute.
Das dürfte auch der Grund sein, weshalb Sie bei Ihren TV-Auftritten großen Wert auf den respektvollen Umgang mit hochwertigen Produkten legen.
So ist es. Allein schon die Suche nach der perfekten Zutat ist doch eine mehr als spannende Herausforderung. Wenn dieses Produkt schließlich gefunden ist, wäre es fahrlässig, bei der Verarbeitung den gebotenen Respekt und die notwendige Leidenschaft vermissen zu lassen.
Was raten Sie jungen Menschen, die sich ebenfalls fürs Kochen begeistern?
Aus meiner Sicht sollte es nie darum gehen, einem bestimmten Vorbild krampfhaft nachzueifern oder dessen Stil zu kopieren. Junge Menschen sollten mutig sein und ihren eigenen Weg finden. Sie müssen sich bewusst machen, dass es immer möglich ist, auch einmal einen Schritt zurück zu gehen. Das war bei mir selbst nicht anders. Das Wichtigste ist, möglichst viel Lebenserfahrung zu sammeln – andere Länder zu sehen, neue Sprachen zu lernen. Unterm Strich geht es einfach darum, glücklich zu sein.
Sie sind ja inzwischen selbst als Coach und Berater unterwegs. Was würden Sie einem Ausbilder empfehlen, wie er am besten mit seinen Schützlingen umgehen sollte?
Oft sind es Kleinigkeiten, die den Unterschied machen. Zum Beispiel morgens allen Mitarbeitern zur Begrüßung die Hand reichen. Ein gemeinsames Mittagessen mit dem Team. Oder in passenden Momenten einfach mal sagen: „Schön, dass ihr hier seid.“ Das Menschliche darf bei allem Stress nie zu kurz kommen.
Wie wichtig ist es Ihnen persönlich, Kollegen Ihre Wertschätzung zu zeigen?
Enorm wichtig. Als ich beispielsweile Chef im „Ikarus“ in Salzburg wurde, war es eine meiner ersten Handlungen, einen Tischkicker anzuschaffen. Das war eine der besten Investitionen meines Lebens. Es gab keinen Tag, an dem nicht mindestens zwei Stunden gespielt wurde. Das hat das Team zusammen-geschweißt. Denn eins ist klar: Ohne glückliche Mitarbeiter, wirst du auch keine glücklichen Gäste haben.
Sie haben die besten Küchen rund um den Globus gesehen. Die bayerische Wirthauskultur dürfte Ihnen deshalb ebenfalls nicht fremd sein. Worauf sollten Gastronomen Ihrer Meinung nach besonderes Augenmerk legen, um langfristig erfolgreich zu sein?
Zunächst einmal finde ich, dass die Wirte, egal in welcher Region, viel stärker zusammenhalten sollten – insbesondere im Hinblick auf die Preisgestaltung. Meiner Meinung nach ist gutes Essen überall viel zu billig. Das lässt sich allerdings nur ändern, wenn sich die breite Mehrheit der Gastronomen dazu entschließt, betriebsübergreifend die Preise zu erhöhen.
Sie teilen demnach die Auffassung, dass es der Branche generell an Geld fehlt?
In erster Linie würden es höhere Preise ermöglichen, den Mitarbeitern bessere Gehälter zu zahlen, was wiederum für die Nachwuchsgewinnung enorm wichtig ist. Denn Angestellte in der Gastronomiebranche verdienen derzeit deutlich zu wenig Geld – weil eben der Gast nicht genug fürs Essen bezahlt.
Höhere Preise lassen sich jedoch nur durch entsprechende Qualität rechtfertigen…
Das steht außer Frage. Nur wer konstant gutes Essen anbietet, wird bei den Gästen punkten können. Manchen fehlt einfach nur der Mut, neue Dinge auszuprobieren und innovativ zu kochen.
Allein während Ihrer Zeit im Hangar-7 haben Sie mit mehr als 120 internationalen Gastköchen zusammengearbeitet und kennen nahezu alle Produkte, die weltweit in der Küche zum Einsatz kommen. Wenn Sie ein Restaurant in Bayern betreiben würden – wie wichtig wäre Ihnen dann der Einsatz regionaler Zutaten?
Regionalität muss eine Selbstverständlichkeit sein! Ich finde es Wahnsinn, dass dieses Thema überhaupt diskutiert wird. Es kann doch nicht sein, dass sich heute jemand ernsthaft dafür auf die Schulter klopfen lässt, wenn er regionale Produkte einsetzt. Genauso irre finde ich es, wenn Regionalität zum Selbstzweck gemacht wird, indem beispielsweise nur Produkte aus einem Umkreis von 60 Kilometern verwendet werden. Dann müsste ich auch so konsequent sein, und auf Olivenöl verzichten. Wieso aber sollte ich mich als Koch und damit auch die Gäste mit aller Gewalt einschränken? Das ergibt für mich schlichtweg keinen Sinn.
Was mögen Sie am liebsten an der bayerischen Küche?
Alles was gut und authentisch ist! Wenn ich in München bin, gehe ich bewusst nicht beim Japaner essen. Ich bin dann viel lieber beim „Sedlmayr“, weil das für mich Bayern pur ist.
Dann gibt es für Sie sicher auch eine typische Leib- und Magenspeise…
Nein, die gibt es nicht. Das hat in erster Linie damit zu tun, dass ich mich nie in eine Ecke drängen lasse. Bei mir kommt es auch ganz stark auf die momentane Stimmung an – und so unterschiedlich die ausfällt, so unterschiedlich ist auch mein Bedürfnis, etwas Bestimmtes essen zu wollen.
Gibt es stattdessen etwas, was Sie geschmacklich verabscheuen?
Bärlauch!
Ehrlich? Als Pesto schmeckt der doch wunderbar…
Für mich ist das ein perverses Kraut! Alle Rezepte mit Bärlauch landen bei mir konsequent im Mülleimer. Ich hasse die Jahreszeit, in der fast alle Wirtshäuser Gerichte mit Bärlauch anbieten. Sobald ich diesen penetranten, ekelhaften Geruch wahrnehme, ist bei mir alles aus.
Nun sind Sie ja bereits seit einigen Jahren als „Fernsehfratze“ tätig, wie Sie es selbst nennen. Was macht Ihnen bei Ihren TV-Auftritten denn am meisten Spaß?
Wenn ich in einem Restaurant koche, erreiche ich in der Regel 60 bis 80 Personen, von denen 10 Prozent überkritisch sind und 20 Prozent chronisch unglücklich mit sich selbst. Wenn ich aber eine gute TV-Show mache, erreiche ich im Idealfall zwei Millionen Menschen. Für mich ist es eine ganz einfache Rechnung: Je mehr Menschen ich glücklich mache, desto glücklicher bin ich selbst. Deshalb genieße ich es, regelmäßig im Fernsehen auftreten zu dürfen.
Sie leben mit Ihrer Frau und Ihrem Sohn in Bad Reichenhall im Berchtesgadener Land. Können Sie sich vorstellen, dort zu gegebener Zeit einen eigenen Gastronomiebetrieb zu eröffnen?
Nein. Das liegt aber nicht an der Region – meine Familie und ich leben sehr gerne in Oberbayern.
Womit hat es dann zu tun?
Ein Restaurant zu betreiben, ist mir inzwischen viel zu aufwendig geworden, gerade im Hinblick auf Gesetze und Auflagen. Diese ganzen Bürden nehmen mir die Freude am Beruf – und darauf habe ich keine Lust. Wie bereits erwähnt, fände ich es ein wichtiges Zeichen, wenn die Wirte in dieser Sache den Schulterschluss suchen. Und dann einfach mal flächendeckend ihre Läden ein paar Tage lang zusperren. So könnte man dem Gesetzgeber am besten vor Augen führen, was los wäre, wenn es unsere Branche nicht gäbe.
Wenngleich die Hoffnung auf ein neues Restaurant unter Ihrer Leitung demnach vergebens ist, haben Sie in naher Zukunft doch sicher andere spannende Projekte im Blick…
Ich bin ein Mensch mit vielen Ideen. Konkret habe demnächst vor, einen Platz zu schaffen, an dem ich Dinge tue, die mir Spaß machen und an denen ich möglichst viele Menschen teilhaben lassen kann. Über das genaue Konzept möchte an dieser Stelle noch nicht zu viel verraten, da müssen Sie sich überraschen lassen! Aber ich bin guter Dinge, dass dieses Projekt nicht nur mir selbst, sondern auch vielen anderen Freude bereiten wird.
Das Interview führte Chefredakteur Frank-Ulrich John
Zur Person
Roland Trettl begann seine Ausbildung zum Koch 1987 im Parkhotel Holzner in seinem Heimatort Oberbozen auf dem Ritten und setzte sie in Bozen im Restaurant „Amadé“ fort. Danach machte er Station im Münchener Restaurant „Aubergine“ und im Restaurant „Tantris“, bevor er wieder ins „Amadé“ zurückkehrte. Von 1997 bis 2001 war er Küchenchef im Restaurant „Ca’s Puers“ auf Mallorca, das im Jahr 2000 vom Guide Michelin mit einem Stern ausgezeichnet wurde. Nach weiteren internationalen Einsätzen war Trettl für sechs Monate im Restaurant „Marine Terrace“ in Tokio als Food-and-Beverage-Trainer tätig. Von Mai 2003 bis Ende 2013 arbeitete er als Executive Chef im Restaurant „Ikarus“ im Hangar-7 am Flughafen Salzburg. Unter der Schirmherrschaft Eckart Witzigmanns stellte Trettl dort im Monatsrhythmus Köche aus aller Welt vor. Seit 2013 ist der Südtiroler durch seine regelmäßigen Auftritte in TV-Formaten wie „The Taste“, „Kitchen Impossible“ und „Grill den Profi“ einem breiten Publikum bekannt.