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enn Wortakrobatik einen physischen Vergleich braucht, spielt Willy Astor im Cirque du Soleil - mindestens. Ebenso geschmeidig unkompliziert ist er bei der Vereinbarung von Interviewanfragen - kurz und bündig via WhatsApp.
Willy Astor: „Ich hab eine Stunde Zeit für uns. Ist das okay? Danach gehe ich zum Friseur. Kannst ja mitkommen.“
Juliane Jerin, Gastgeber Bayern-Redaktion: „Dann müssen wir schnell reden – oder wir machen beim Friseur weiter. Ich bin da schmerzfrei.“
Der Treffpunkt: München, Gärtnerplatz, Frühling-Sonne-Blumen-Blick. Im Café haben wir (natürlich) nicht reserviert und finden (natürlich) keinen Platz mehr draußen. Egal, Kaffee und Croissant schmecken auch drinnen.
Willy Astor: „Ich bin mit dem Auto da.“
Das ist aber mutig, hast Du einen guten Parkplatz gefunden?
„Naja, ich steh‘ im Halteverbot. Aber ich verlass mich da jetzt auf mein Karma.“
Das Karma hat Willy Astor nicht immer den Weg geebnet. Seine Kindheit verbrachte er in Hasenbergl. Sein Vater: Lagerleiter und Klavierverkäufer. Seine Mutter arbeitete im Wohnstift Augustinum und verdient sich als Reinigungskraft etwas dazu. Er quält sich durch die Schule und macht anschließend eine Lehre als Werkzeugmacher bei BMW. Es folgt ein Studium als Maschinenbautechniker. Keiner ahnte zu dem Zeitpunkt, dass dieser junge Mann einmal große Publikumshallen füllen wird, in TV und Radio auftritt und die Nation das Lachen lehrt. Mit seinen Wortwundern wird Kleinkunst ganz groß. Dass Genuss für die Ohren und die Zunge ganz nah beieinander liegen, beweist er nun mit der Veröffentlichung seines ersten Kochbuchs. Getreu dem Astor-Schmäh lautet der Titel „Wir sehn uns vor Gericht“. Doch wenn’s um`s Essen geht, kennt Astor keinen Spaß.
Wie wichtig ist Dir gutes Essen?
„Immer mehr! Als Künstler im Tourneebetrieb seit fast 40 Jahren hast du nicht immer das große Wunschkonzert. Ich kann eigentlich auch kaum noch Caterings sehen. Ich versuch´, mich dennoch gut zu ernähren unterwegs, wenn man ein Leben aus dem Koffer lebt. Manchmal hau‘ ich mir auch nachts um zwölf noch Junk rein im ‚Gasthaus zur goldenen Möwe‘. Das kommt schon mal vor. Zuhause schau‘ ich ziemlich auf gute Kost und Zutaten. Schon allein der Kinder wegen gibt`s oft Abwechslung, auch wenn die Kleinen eher das ganz Einfache mögen und ich gern mal mehr Zeit und Mühe ins Kochen lege. Ich koche gerne – von italienisch bis Thai, im Rahmen meiner Möglichkeiten.“
Was kochst Du am liebsten und was isst Du am liebsten?
„Neulich erst gab`s wieder eine scharfe Spaghettini aglio olio mit frischen Tomaten und sehr viel Petersilie – das geht immer. Ich lass mich sonst gern inspirieren beim Einkauf oder beim Lesen von Kochbüchern, auch von meinem! Aber zum Beispiel thai oder vietnamesisch könnt‘ ich täglich essen, weil‘s da so viel Varianten und Geschmacksfreuden gibt.“
Essen und Trinken sind für Astor nicht nur ein Nahrungsmittel, sondern Genuss und elementarer Teil von Lebensqualität. Er fühlt sich privilegiert und dankbar, in einem Land leben zu dürfen, wo gesundes Essen und sauberes Wasser überall verfügbar sind. Die gekonnte Zubereitung von Essen – für ihn ein traditionelles Handwerk, bei dem er Angst hat, dass es in Deutschland verloren geht. Mit Blick auf unsere Gastronomie in Bayern: Was bringt Dich zum Lachen, was zum Weinen?
„Mich bringt jede Gastro zum Freuen und Jubeln, wenn die Qualität des Konsums einhergeht mit der Freundlichkeit oder dem Charme des Personals. Leider keine Selbstverständlichkeit. War es aber auch noch nie. Manchmal hat man halt Glück mit dem Personal, den Köchen und dem Gasthaus an sich. Dann schmeckt`s gleich dreimal besser. Zum Weinen bringen mich lustloses Servieren und der Personalmangel in der Branche.“
Hast Du eigentlich einen Favoriten in Deinem Kochbuch?
„Es gibt so viele Favoriten im Buch, das ist undenkbar eigentlich, sich festzulegen, weil alles so großartig schmeckt und ein Fest war … - sogar mein selber Gekochtes. Aber klar, es ist schon wirklich der Hit, wenn Du die Gerichte von Eckart Witzigmann (Blumenkohlcurry) und Hans Haas (Forelle im Ciabatta-Mantel) verkosten darfst. Da wird nix dem Zufall überlassen und sowohl das Auge als auch die Zunge gibt volle Punktzahl. Auch so ein einfaches Schmorgericht wie das von Gerhard und Tini Polt kommt am Gaumen mega an! Ich bin also rundherum superglücklich mit dem Ergebnis.“
„Wir seh´n uns vorm Gericht!“ Wie kamst Du zur Titel-Idee des Kochbuchs?
„Nun, als ewiger Jäger des verlorenen Satzes und Wortspiel-Freund kam mir der Titel plötzlich ins Gehirn geschossen, und ich fand ihn zu originell, um ihn liegen zu lassen.“
Der Wortverdreher und Silben-Fischer der Nation scheint aus einer schier endlosen Inspirationsquelle zu schöpfen. Freu-willig folgt das Publikum dem Verb-Brecher zu seiner Reim Time auf der Bühne. Bei so viel kreativem Feuerwerk reagieren die Lachmuskeln manchmal schneller als der Kopf.
Wo und wie findest Du Inspiration für Deine Texte?
„Gute Frage, ich suche ständig (wie alle Kollegen, die selber texten) auch nach Antworten in dieser Causa für die Herstellung von neuen Texten. Also die Kreativitätstheorie ist eine Wissenschaft. Es kann halt überall passieren. Meine Antennen sind auf Dauerempfang, das ist mein Schicksal als Schreiber seit über 40 Jahren. Sowas wie Verfolgungswahn, weil eine Idee immer willkommen ist und sofort notiert werden will, egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit. Im besten Falle kommen Ideen nach einer geraumen Zeit der Langeweile. Die ist der Nährboden für alles, der Müßiggang halt, das kontemplative Moment. Aber sich zur Langeweile zwingen, das ist dann schon das Schwerste, weil der Geist sich oft schwer beruhigen lässt. Wir sind ja auch zu einem bestimmten Maß Nachrichten-Junkies, und das ist auch oft der Feind des Kreativseins. Also, am besten ist sandeln, blöd rumschaun und nix erwarten. Die Welt beobachten. Ich hab ja auch ein paar Kinder, die oft um mich rumflitzen. Der Alltag in einer Familie ist oft ein harter Gegner von Normalität und auch die Tour eines reisenden Künstlers fordert ihren Tribut. Dennoch: Am Ende hab ich`s immer hingekriegt, das zu schreiben, was ich unbedingt wollte – ohne Ghostwriter ein oft grausames und mühevolles Unterfangen. Aber immerhin kann ich behaupten: Bei mir kommt der Humor direkt vom Erzeuger.“
Wo und wann bist Du absolut uninspiriert?
„Zum Beispiel wenn ich auf Tour fahre am Freitag und vielleicht schon im ersten Stau steh‘, während sich meine Freunde treffen zum miteinander Feiern oder Musizieren. Es gibt viele Entbehrungen, wenn man Deutschland-Reisender ist.“
Gibt es Themen, über die Du nicht humoristisch schreiben oder sprechen würdest?
„Ich schreib eigentlich nur über das, was mich interessiert oder anspringt. Ich muss nicht auf Züge aufspringen oder Zeitgeistiges liefern oder anecken auf Befehl. Ich polarisiere mich schon allein durch meine Stilistik, die keine ist.“
Kommt man mit Humor besser durch’s Leben? Wenn ja, warum?
„Definitiv!!! Humor ist ein natürliches Antidepressivum und nachgewiesenermaßen ein Erzeuger von Resilienz, also gesund. Mein Credo als Komiker ist ja eh: Albernheit verhindert den Ernst der Lage. Und die Lage ist ernst.“
Wird Dein Schmäh im gesamten deutschsprachigen Raum verstanden? Oder ist es beim Humor wie mit dem Dialekt: Es gibt lokale Besonderheiten, die ein Verständnis woanders erschweren?
„Es ist halt so, da wo ich hinfahre, kommen die Leut gern zu mir, weil sie wissen, wo sie hingehen. Ich geb‘ immer alles an einem Abend. Da spielt der Ort tatsächlich keine Rolle. Vielleicht sind die nördlichen Oberpfälzer tatsächlich ein insgesamt reservierteres Publikum, das seine Emotionalität nicht auf der Zunge trägt. Aber dafür stillere Genießer und wertschätzend allemal. Insgesamt mag ich diese Kategorisierungen nicht so.“
Worüber kannst Du so gar nicht lachen oder anders gefragt, wann ist ein Witz ein schlechter Witz?
„Das wäre natürlich anmaßend, ich bin ja nicht der Anwalt für Humor. Aber klar: Alles was jemanden wirklich verletzt und billig ist, ist nicht mein Fall und lehne ich ab. Für mich ist der Job ein Handwerk mit Mundwerk und kein Leute-fertig-Machen.“
Findet Deine Familie Dich lustig?
„Streckenweise, wenn, dann mehr meine Kinder. Der Alltag ist schlicht oft überfordernd, da bleibt auch mein Humor auf der Strecke. Aber ich weiß, wenn meine Frau mal lacht über eine Bemerkung von mir, dann ist das ein Ritterschlag … aber zuhause ist halt auch zuhause und nicht Bühne.“
Gab’s auf der Bühne schon mal einen peinlichen oder unangenehmen Moment?
„Klar, gab`s und wird`s immer geben. Es sind ja Menschen, die die Bühne bevölkern und Gott sei Dank noch keine K.I.-Roboter … Ich hab schon ein paar Klöpse geliefert in 40 Jahren. Gottseidank wenige, aber von kolossalen Texthängern bis zum komplett Blackout in einer ARD Live-Sendung um 20.15 Uhr war alles dabei. Beim Auftritt bei „Wetten, dass …“ hat zum Glück alles sehr gut geklappt, aber da geht dir schon die Muffe hinterm Vorhang bei 20 Millionen Zuschauern damals.“
Inspiriert haben Dich unter anderem Otto Waalkes und Dieter Hildebrandt – hast Du die beiden denn je persönlich kennenlernen können? Waren sie menschlich so, wie von Dir erwartet?
„Otto und ich sind wunderbar miteinander. Als ich Kind war, war er schon mein Idol gewesen und zack, 30 Jahre später sitzt er bei mir in der Vorstellung in Hamburg. Ich hab`s nicht fassen können. Und ja, das ist eine Art Ritterschlag, wenn zum Beispiel große Kollegen wie Gerhard Polt plötzlich hinterm Bühnenvorhang auftauchen und einfach mal „Servus“ sagen und einem Glück wünschen. Oder Rudi Carrell mich zu seinem 70. Geburtstag einlädt. Dieter Hildebrandt hab ich die letzten zehn Jahre seines Lebens kennenlernen dürfen und er hat sich als Fan meiner Kalauer geoutet. Ihn hätte ich mir am liebsten immer mit nach Hause genommen, weil er als großer Politkabarettist unfassbar nahbar war und eine moralische Instanz nebenbei. Ich hab` ihn so gerne gemocht, ja fast möchte ich sagen: geliebt! Kollegen-Freundschaften pflege ich im Allgemeinen sehr gern, weil es was Besonderes ist, mit ein paar Brüdern im Geiste verbandelt zu sein und auch privat miteinander Schabernack zu machen, wie zum Beispiel in meinem Fall auch mit Badesalz oder Piet Klocke.“
Auch musikalisch kann Astor in die Tasten hauen, beziehungsweise die Seiten zupfen. Zuerstgriff er zum Akkordeon. Doch die Herzen der Frauen flogen ihm leichter zu, als er auf Gitarre umsattelte. Mit dem „Stern des Südens“ dichtete er dem FC Bayern eine Ode an den Fußball. Und mit dem Projekt „The Sound of Islands“ beglückt er sein Publikum seit 1994 mit Instrumentalmusik. Die Gitarre war Deine erste große Liebe.
Schaust Du das Akkordeon auch noch an? Oder vielleicht Lust, mal zu einem anderen Instrument zu greifen?
„Nichts ist beständiger als der Wandel, und so bin ich vom Akkordeon zur Gitarre, weil mich mit 16 Jahren die Welt der Frauen begann zu interessieren. Und da hatt´ ich mit Akkordeon ein zu altmodisches Instrument am Körper, auch wenn ich‘s echt gern gespielt hab. Aber generell liebe ich alle gut klingenden Resonanzkörper. Ich komponiere auch sehr gern auf dem Klavier, das ich mit 36 Jahren noch anfing zu lernen. Ich bin ein Instrumenten-Junkie. Werde ich immer sein. Darin liegt eine große Freude.“
Welche Musik läuft bei Dir daheim?
„Ich höre sehr ausgewählt Musik, oft gerne was ganz Fremdes, ob Jazz oder Klassik – das putzt die Gewohnheiten aus dem Ohr und man bekommt wieder neue Zugänge zum Komponieren. Sonst hör ich kein Radiogedudel. Ich leg‘ gern‘ Schallplatten wieder auf und bin auch für sonst alles offen und auch gern laut in meinem Atelier. Am schönsten ist es auch fast, selbst Musik zu machen, auch mit Freunden eine Session zu spielen.“
Unsere Zeit neigt sich dem Ende. Der Cappuccino ist schon leer, der Friseurtermin sitzt uns im Nacken…. Schnell noch ein paar letzte Fragen: Welche Bedeutung hat das Wirtshaus für Dich?
„Ein guter Platz, um mit Freunden die Freundschaft zu pflegen und im besten Fall eine gute Zeit mit gutem Essen und guten Getränken zu verbringen. Einen Teil vom Leben und seinen Genuss zu pflegen.“
Ist das Publikum bei Bier und Schweinsbraten ein anderes als in gediegenem Kulturambiente?
„Wenn ich ehrlich bin: Ich mags nicht gern, wenn die Leute während der Vorstellung essen. Es riecht bis zur Bühne und es ist auf eine gewisse Weise auch respektlos. Gerne davor oder danach, kein Problem.“
Egal ob kleine Bühne oder Circus Krone – Du bekommst die Plätze überall voll. Wo spielst Du lieber: auf großer oder kleiner Bühne?
„Ich liebe beides, ich komm‘ aus der Kleinkunst und hab jahrelang dafür gekämpft, vor größerem Publikum spielen zu können – ich hab‘s überall gern, wo mich die Leut´ hören und sehen wollen.“
Wir spannen den Bogen zu Hotels: Wo schläfst Du lieber? Klein und familiengeführt? Oder großer Markenname und Platzhirsch?
„In jedem Fall unbedingt ruhig und da wo es nicht nach Teppichkleber riecht oder nach einem Zimmer, in dem vorher heimlich geraucht wurde. Ich hab so viel Hotels beschlafen dürfen und ja, was Individuelles ohne Luxus aber mit Herz ist mir oft lieber, als die großen Ketten. Die Hotels in Deutschland gehen allgemein auf eine Rezeption zu. Im Ernst, ein schönes Hotel mit einem atmosphärischen Zimmer ist mir jedes Geld wert, da fühl‘ ich mich gleich wohl und das entschädigt für`s nicht zuhause sein.“
Der Kellner kommt mit der Rechnung ... Ach, Willy: Hast Du noch einen Wortwitz für uns mit Hotelmarkennamen?
„Ich weiß noch gut, als wir mit dem Auto in Frankreich plötzlich in Paris hilton.“
Unter allen Lesern, die bis 31. Juli 2024 eine E-Mail mit dem Stichwort „Gericht“ an gewinnspiel@gastgeber.bayern senden, werden drei Exemplare des Kochbuchs „Wir sehn uns vorm Gericht!“ von Willy Astor verlost. Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.