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21. Juni 2023Im Gespräch mit Prof. Dr. Klaus Hurrelmann, Senior Professor of Public Health and Education, Herite School Berlin
W
er ist die Generation Z, von der alle sprechen und was macht sie so besonders? Prof. Dr. Klaus Hurrelmann, Bildungs-, Gesundheits- und Sozialwissenschaftler, beschäftigt sich intensiv mit dem Bereich der Gesundheits- und Bildungspolitik, Bildungssystemen und der Gesellschaft. Mit mehr als fünfzig Jahren Erfahrung als Forscher und Wissenschaftler erklärt der Professor an der Hertie School in Berlin im Gespräch mit Gastgeber Bayern, warum die Generation Z so tickt, wie sie tickt, welchen Fokus sie im Arbeitsleben setzt und was das aus Unternehmenssicht für das Arbeiten von morgen bedeutet.

Herr Professor Hurrelmann, Sie haben schon viel über
die Generation Z und den damit neuen Verhaltensmustern auf dem Arbeitsmarkt geforscht. Was ist für Sie der größte Unterschied dieser Generation im Vergleich zu den vorherigen?
Prof. Hurrelmann: Wir bezeichnen die unter 25-jährigen jungen Menschen als Generation Z. Sie sind kurz vor oder nach der Jahrtausendwende geboren worden und finden seitdem eine Lebenssituation mit vielen Krisen und neuen Herausforderungen vor: Klimakrise, die große Pandemie, danach ein Krieg direkt in Europa, welcher wirtschaftliche, soziale und ethische Folgen mit sich bringt. Das ist alles wirklich starker Tobak für die Psyche. Zum Glück haben diese jungen Menschen schon früh ein Bewusstsein für ein (mental) gesundes Leben entwickelt und fordern das von einem Arbeitgeber auch ein. Die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt stehen für sie aufgrund der demografischen Verhältnisse günstig, sodass ihre Chancen gegenüber den vorherigen Jahrgängen besser stehen. Die jungen Leute müssen nicht mehr zittern, um in Ausbildung und Beruf hineinzukommen.
Manchmal herrscht das Klischee vor, dass diese Generation sich
auf ihren guten Chancen ausruht und (zu) viele Forderungen
stellt. Was würden Sie als Wissenschaftler darauf entgegnen?
Prof. Hurrelmann: Es gibt eindeutige Studien, die erklären und bestätigen, warum die jungen Leute mehrheitlich so denken und handeln, wie sie das tun. Sie sind großgeworden in einer Situation, in welcher nicht klar ist, wie es weitergeht. Das macht Angst, deswegen sind viele jungen Leute sehr vorsichtig und im Vergleich zu Älteren sehr viel stärker auf ihre Gesundheit bedacht. Es mag auch sein, dass die Elternhäuser sie verwöhnt haben. Die Generation Z wünscht sich einen Arbeitsplatz, der sie nicht überfordert – also auf die gesundheitliche Belastung Rücksicht nimmt. Die Marktmacht der jungen Leute ist sehr groß, sodass sie ihre Bedürfnisse,
Wünsche und auch ihre Mentalität direkt am Arbeitsplatz durchsetzen können. Das
ist neu und birgt natürlich Konfliktpotenzial. Das ist aber keine Faulheit und darf auch nicht als mangelnde Motivation zu arbeiten verstanden werden.
Arbeitsmotivation ist das Stichwort: Sie haben in einem Zeitungsartikel geschrieben, wer denn eigentlich festlege, dass
man nur dann nicht als faul gelte, wenn man mindestens 60 Stunden die Woche arbeitet. Aber eigentlich hat Produktivität ja nichts mit der verbrachten Zeit bei der Arbeit zu tun, oder?
Prof. Hurrelmann: Die meisten jungen Leute wägen heute viel mehr als die Generationen davor ab, wie viel sie in den Beruf investieren möchten – und vor allem warum. Der ideelle Gewinn spielt eine große Rolle, denn neben Spaß und Erfüllung geht es vielen jungen Arbeitnehmern um eine sinnvolle Tätigkeit. Darüber hinaus ist natürlich der Faktor Geld ebenfalls ausschlaggebend. Gerade der Blick auf die Pandemie und die damit verbundene Lebenserfahrung in einer verhältnismäßig kurzen Zeit hat jungen Menschen gezeigt, wie wertvoll eine gesunde Lebenssituation ist. Dieses Verständnis wird ganz weit nach oben auf die Liste der Bedingungen für eine Arbeitsstelle gesetzt – und sicherlich überschreiten sie dabei manchmal auch gewisse Regeln, wie etwa die traditionelle Zurückhaltung, die als Novize am Arbeitsplatz eigentlich gilt. Man darf auch nicht vergessen, dass die Inflation gerade auch bei den jungen Leuten zuschlägt. Sie wissen genau, dass sie von einem Gehalt heutzutage keine riesigen Sprünge mehr machen können – das war bei ihren Eltern und Großeltern meist ganz anders. Das ist im Übrigen auch ein ganz zentraler Faktor, den viele junge Arbeitnehmer angeben: Was bringt es mir, intensiv zu arbeiten, wenn ich von dem Lohn am Ende auch mit Überstunden noch immer nicht so leben kann, wie es meine Eltern und Großeltern konnten?
Das wird insbesondere dann spannend, wenn ein Betrieb auch vielelangjährige, erfahrene Mitarbeiter hat, die auch eine andere Einstellung zu ihrer Arbeit haben …
Prof. Hurrelmann: Absolut, das ist kritisch und Unternehmen müssen hierbei auch
wirklich aufpassen. Es müssen Regeln und Vereinbarungen mit den jungen Leuten getroffen werden, die selbstverständlich auch für alle anderen Mitarbeiter gelten. Sonst gibt es starke Spannungen im Unternehmen. Und das geht von der Arbeitszeit über die Arbeitsaufgaben bis hin zur Entlohnung.
Was würden Sie Unternehmen raten, wie man für junge Menschen attraktive Anreize schafft, jenseits der Arbeitszeit und der Entlohnung? Gerade bei Angeboten zum betrieblichen Gesundheitsmanagement mit Fokus auf die mentale Gesundheit hat sich in den letzten Jahren enorm viel verändert.
Prof. Hurrelmann: Das muss ein Unternehmen ausprobieren, dafür gibt es leider keine pauschale Lösung. Die Angebote müssen für alle Altersgruppen und auch Geschlechter als attraktiv empfunden werden. Was sich als hilfreich erwiesen hat, sind vor allem gemischte Teams, um die Stärken und Schwächen der einzelnen
Mitglieder und unterschiedlichen Generationen auszugleichen. Beispielsweise können langjährige Mitarbeiter zeigen, warum das Pflichtgefühl und das Durchhalten bei einer langweiligen Aufgabe von Bedeutung ist. Und die Jungen können zeigen, an welcher Stelle das vielleicht gar nicht benötigt wird, da Abläufe beispielsweise dank digitaler Lösungen optimiert werden können. Generell profitieren Unternehmen vom digitalen Wissen der jüngeren Arbeitnehmer und
sollten sie in ihre Umstrukturierungsprozesse einbinden – das stärkt das Vertrauen
und die Bindung beider Seiten. Insbesondere junge Frauen haben heute einen guten bis sehr guten Abschluss und möchten de- mensprechend auch etwas bewegen. Wenn ein Unternehmen darauf achtet und Frauen eine angemessene Rolle bereitstellt, hat es sehr gute Chancen, wettbewerbsfähig und attraktiv für die Generation Z zu bleiben.
Eine provokant gestellte Frage: Würden Sie sagen, dass die Generation Z durchaus auch eine Leidenschaft für den Beruf entwickeln kann, wenn sie merkt, dass diese Sinn ergibt?
Prof. Hurrelmann: Auf jeden Fall! Ein Arbeitsplatz mit einem guten Betriebsklima lädt jeden Arbeitnehmer – egal ob jung oder alt – ein, die persönlichen Eigenschaften einzubringen. Und das ist der jüngeren Generation eben sehr wichtig. Auch regelmäßiges Feedback von den Personen um sie herum – gerne auch in flachen Hierarchien geordnet – ist gewünscht. Dann entwickeln auch jüngere Arbeitnehmer ein verbindliches Gefühl zu ihrem Beruf und ihrer Arbeitsstätte und damit auch im besten Falle eine wirkliche Leidenschaft.
Welche Herausforderungen, aber auch welche Chancen sehen Sie für die Hotellerie und Gastronomie, um für die Generation Z interessanter zu werden?
Prof. Hurrelmann: Zunächst einmal wirken die Arbeitszeiten für die jungen Menschen sicherlich ungewöhnlich. Die Betriebe müssen versuchen, den jungen Leuten deutlich zu machen, warum diese Arbeitszeiten notwendig sind und welche Alternativen geboten werden können. Was können wir verändern und gelangen wir gemeinsam zu einer Lösung? Das sind sicherlich einige intensive Gespräche, die geführt werden müssen, aber die Branche zeichnet sich ja gerade im Hinblick auf ihre Flexibilität und Leidenschaft als so besonders aus. Dadurch entstehen nicht nur
produktive Arbeitsplätze, sondern auch eine gemeinschaftliche Atmosphäre. Natürlich ist ein angemessenes Gehalt unabdingbar, aber auch über das Trinkgeld geht natürlich viel – auch das macht viele Arbeitnehmer zufrieden. Dadurch wird auch der Sinn hinter der Arbeit im Gastgewerbe erfüllt: Den Gast zufrieden zu machen – und das macht sowohl Arbeitgeber, als auch Arbeitnehmer glücklich.
Das Interview führte Julia Schiffer
Zur Person:
Klaus Hurrelmann wurde 1944 geboren und studierte an den Universitäten in Münster, Freiburg und Berkeley (USA) Soziologie, Psychologie und Pädagogik. Nach seiner Promotion habilitierte er sich 1975 zum Thema „Erziehungssystem und Gesellschaft“ an der Universität Bielefeld. Als Gründungsdekan der ersten Fakultät für Gesundheitswissenschaften in Deutschland legte Hurrelmann den Fokus auf Bildungssysteme und Gesellschaft. Im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) koordinierte er zahlreiche Forschungsbeiträge über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren zur europaweiten Studie „Health Behaviour in School-aged Children“. Seit 2009 ist Klaus Hurrelmann Professor für Public Health and Education an der Hertie School of Governance in Berlin und wurde neben zahlreichen anderen Awards auch für sein Lebenswerk ausgezeichnet.