ngela Inselkammer griff in ihrer Rede die für Bayern existentielle Wichtigkeit sowie die Nöte und Forderungen des Gastgewerbes auf. So betonte sie, dass der Tourismus neben der Automobil- und Maschinenbauindustrie die wichtigste Branche in Bayern sei. Neben 10.000 Auszubildenden und Dualstudierenden gibt es 447.000 gastgewerbliche Erwerbstätige – 44 Prozent mehr als noch vor zehn Jahren. Die Branche bildet jeden zehnten Auszubildenden aus und beschäftigt jeden 17. Erwerbstätigen im Freistaat. Mit den 150.000 direkt zuordenbaren Erwerbstätigen in anderen Bereichen hängt von Hotellerie und Gastronomie sogar jeder 13. Erwerbstätige Bayerns ab.
Inselkammer hob ferner die besonderen Herausforderungen hervor, mit der sich die Branche tagtäglich auseinandersetzen muss: So kritisierte sie stellvertretend für die ausufernde Bürokratisierung im Gastgewerbe die Kassenrichtlinie, die Allergenkennzeichnungspflicht oder die peniblen Dokumentationen von Arbeitszeiten: „Kontrollen sind gut und wichtig, aber wir haben das Maß und Ziel aus den Augen verloren. Jede einzelne Vorschrift mag ja für sich sinnvoll erscheinen. Es ist aber die Masse der Vorschriften, die nicht mehr zu bewältigen ist.“
An den Finanzminister gewandt, sprach sie auch die Ängste und Befürchtungen der von ihr vertretenen Wirte vor Betriebsprüfungen an: „Wenn ich meine Stammgäste auf eine Halbe Bier einlade, muss ich das akribisch dokumentieren, um dann nach drei Jahren bei der Betriebsprüfung den erhöhten Wareneinsatz argumentieren zu können.“
Die Forderung nach gleichen Steuern für Essen thematisierte die Präsidentin ebenso: „Unabhängig davon, wo gekauft, wie zubereitet und wo gegessen. Die Reduzierung der Umsatzsteuer für alle Lebensmittel würde allen Betrieben sofort die zum Überleben so notwendige finanzielle Luft verschaffen. Direkt und ohne Umwege. Und die im Anschluss stattfindenden Investitionen würden massiv positive Wirtschaftseffekte gerade auch im ländlichen Raum auslösen. Wir brauchen hier Chancengleichheit. Die Hotellerie hat es vorgemacht, dass es funktioniert.“
Das in den Medien derzeit omnipräsente Thema Hygienepranger „Topf Secret“ bewegt weiterhin die Gemüter im Gastgewerbe. Inselkammer warf den Initiatoren vor, dass diese auf verantwortungslose Art und Weise Existenzen sowie Arbeitsplätze leichtfertig gefährde, dies sei reiner Populismus und habe mit Verbraucherschutz nichts zu tun. Inselkammer wörtlich: „Das ist Denunziantentum in Reinform.“ Inselkammer war auch beim Kernthema des Verbandes, der „Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes“, ganz klar; sie forderte die Politik auf, den Menschen wieder in den Mittelpunkt zu stellen und nicht Parteiideologien, die auf dem Rücken von Wirten sowie Arbeitnehmern ausgetragen würden. „Angesichts weniger hundert Betriebsräte in einer Branche mit rund 225.000 Betrieben ist eine Öffnung nur mittels Betriebsvereinbarung keine Lösung, sondern eine Farce. Es geht uns explizit nicht darum, dass mehr gearbeitet werden soll. Es geht letztlich um eine flexiblere Aufteilung der Arbeitszeit innerhalb einer Woche, so wie es die EU vorsieht. Es muss ein Vollzeitjob in vier Tagen ermöglicht werden. Es kann mir keiner sagen, warum dies gesundheitsgefährdend sein sollte. Die Arbeit muss dann erledigt werden können, wann sie anfällt. Die Flexibilisierung wollen nicht nur die Wirte, das wollen vor allem auch die Angestellten. Die Angestellten wären in der Lage ihren Alltag flexibler zu gestalten und könnten somit besser auf die Bedürfnisse ihrer Familien eingehen“, so Inselkammer.
Ein die Branche bewegendes Thema ist auch die Verdienstgrenze des Minijobs. Präsidentin Inselkammer: „Eigentlich eine Selbstverständlichkeit: wenn der Mindestlohn steigt, muss auch die Verdienstgrenze beim Minijob angepasst werden. Es geht hier nicht um ein Instrument der Grundsicherung, sondern um eine Hinzuverdienst-Möglichkeit.“
Zum Schluss ihrer Rede brannte der Präsidentin noch die von der EU geplante Richtlinie, Leitungswasser per Gesetz kostenfrei auszuschenken, auf der Seele. Sie nannte das Vorhaben schlichtweg „verrückt“ und erinnerte an den Wert von Dienstleistungen, der auch honoriert werden müsse. „In unserer Branche verkaufen wir keine Produkte – wir verkaufen Dienstleistungen. Für den Wirt und den Mitarbeiter ist es völlig unerheblich, ob sich Leitungswasser oder ein teures Getränk in dem Glas befindet – die entstehenden Kosten für Service, Heizung, Licht sowie für Einrichtung und Immobilie selbst bis hin zum Glas selbst, sind immer dieselben. Es wird eine Dienstleistung von Menschen für Menschen erbracht und diese ist etwas wert.“
Neben Inselkammer trat auch Finanz- und Heimatminister Albert Füracker ans Rednerpult, der in dieser Funktion erstmals am GastroFrühling teilnahm. „Ich habe von dieser Veranstaltung schon viel gehört, aber wie grandios es ist, kann man erst erleben, wenn man selber da ist. in wunderbarer Feiertag der Gastronomie“, so Füracker. Im Hinblick auf Inselkammers politische Forderungen machte er deutlich, dass man Politiker daran messen solle, welche Versprechen letztlich gehalten werden. „Darauf kommt es auch an.“
Ein Umsatzsteuersatz von 7 Prozent auf Essen aller Art unterstütze er ausdrücklich, weshalb das Thema bereits in Berlin eingebracht worden sei. „Wir kämpfen weiter dafür.“ Darüber hinaus frage er sich, so Füracker weiter, warum er als Bayerischer Heimatminister nicht für Gastronomie und Fremdenverkehr zuständig sei. „Wenn Sie das gefordert hätten“, sagte er in Richtung Inselkammer, „ich wäre heute noch zum Ministerpräsidenten gegangen.“ Da Hoteliers und Gastronomen Träger von Geschichte, Kultur, Wirtschaft und Tourismus seien, „müssen wir sehr darauf achten, dass diese bayerische Gastronomie ihr Gesicht behält und damit auch Bayern sein Gesicht behalten kann. Damit dörfliches Leben auch in Zukunft funktioniert.“ Deshalb sei es wichtig, sich auf Verbandsebene zu vernetzen. „Lassen Sie sich nicht alles gefallen“, so Fürackers Botschaft an die Runde.
Das war der GastroFrühling 2019 - ein Festival der Emotionen