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eit 40 Jahren zieht der Münchner Club P1 die Schönen und Reichen an, fasziniert mit seinem legendären Türsteher-Mythos und bleibt als „Wohnzimmer der Promis“ bis heute ein Magnet der Nacht. Club-Legende Franz Rauch erzählt von den Anfängen und der Herausforderung, auch heute den Zeitgeist zu treffen.
„Gemma Oanser“, so warben die Plakate rund um die Wiesn-Zeit für einen Besuch in einem der ehrwürdigsten Nachtclubs der Stadt München: dem P1. Der wohl berühmteste Promiclub Deutschlands hat in diesem Jahr sein 40-jähriges Bestehen gefeiert. Doch bleibt es mehr ein kurzer Moment, eine Ahnung dessen, was sich hinter der laut Medienberichten „härtesten Tür der Welt“, und dem „Wohnzimmer der Schönen und Reichen“ verbirgt.
Einer, der die Geschichten hinter der Tür kennt und lange Zeit die Fäden in der Hand hielt, ist Franz Rauch, der uns im Interview aus der bewegten Zeit des P1 berichtet.
(lacht) Ich fühle mich zwar geehrt, sehe mich aber eher als „Handwerker in der Nacht“. Ich messe meinen persönlichen Erfolg daran, was ich in der Nacht schaffe und ob unsere Gäste nach einer gelungenen Clubnacht zufrieden nach Hause gehen.
Da muss ich ein bisschen ausholen. Ich habe meinen Hotelkaufmann und Restaurantfachmann im Bayerischen Hof gelernt; und an Fasching war Michael Käfer der Faschingsprinz und hatte im Palais Montgelas einen Raum belegt und Partys gefeiert. Ich, als Etagenkellner, war damals für die Versorgung der Party zuständig und lernte Michael kennen. Mein damaliger Chef fragte mich, ob ich mich nicht mit Michael Käfer zusammensetzen wolle, da er das P1 aufmachen möchte. Ich war damals 21 Jahre alt, Michael 25, und dessen Vater hatte ihm das P1 mit den Worten überlassen: „Mach damit, was du willst.“ Und das haben wir dann auch.
Viele Jahre vor dem P1 gab es schon das Studio 54 – wir haben uns damals zig Läden in New York angesehen. Der New York Style war die Grundidee, die wir im alten P1 aufgenommen haben: weiße Wände und Integration einer Galerie. Bis zum heutigen Tage sehen wir uns gerne gute Clubs an und lassen uns inspirieren. Denn was gut ist, darf man auch kopieren.
Aleccos Spruch (Anm.d.Red.: der erste Betreiber des P1), der hier im Büro hängt, hat uns lange geprägt und gehört zu unseren Grundwerten. Er sagte einmal: „In zu sein ist eine momentane Erscheinung, der Beste zu sein ist eine Kunst, Alecco ist im Haus der Kunst.“ Wir waren zu den Anfängen New Wave – zwischen Punk und Funk, wir waren alle schwarz angezogen, trugen weiße Schminke im Gesicht und spitze Schuhe. Die Grundidee damals war, dass sich der Bänker mit dem Punk an der Bar trifft und sie sich unterhalten. So ist eine kunterbunte Mischung aus Leuten mit einer ordentlichen Portion Subkultur entstanden. Also ganz anders, als Außenstehende sich das heutzutage vorstellen würden (lacht).
Ich denke, das hatte mehrere Gründe. Als wir angefangen haben, war die Ausgehszene klein – es gab vielleicht 15 Clubs in der Stadt. Die Marke Käfer hatte den ein oder anderen Prominenten angezogen und wir haben dann ein großes Stammgast-Klientel aufgebaut. Einer meiner Lieblingsgäste, Gott habe ihn selig, war Bernd Eichinger. Ihm haben wir sehr viel zu verdanken. Ebenso Monti Lüftner, der damals bei der BMG arbeitete (Bertelsmann Music Group, Anm.d.Red.), der uns Whitney Houston brachte. Helmut Berger war auch immer mal für einen Skandal gut. Zu der Zeit hatten wir auch gute Firmen in der Stadt, es war die Zeit der Filmproduktionen, Models und Modelproduktionen – viele spannende Menschen kamen in die Stadt und so auch zu uns.
Damals war es so: Wir haben den Laden eröffnet mit einer Kapazität von etwa 500 bis 600 Personen. Es standen aber jeden Tag 1.500 Personen vor der Tür. Wir mussten also selektieren. Wir haben das „Stammgast-Entwicklung“ genannt und uns gefragt: Kommt jemand einmal pro Woche oder bis zu sieben Mal? Wie sieht die Mischung aus zwischen Frauen und Männern? Wer bringt Geld rein, aber auch, wer macht die Stimmung? Durch die begrenzten Plätze hatten wir eine fast natürliche Verknappung. Ein Klaus Gunschmann, ein Damir Fister oder ein Jan Klophaus, die selektiert haben, haben das Berufsbild des Türstehers bei uns sehr kultiviert. Wir hatten das Glück, dass wir die richtigen Leute zur richtigen Zeit am richtigen Ort hatten.
Die Frage, die wir uns stetig stellen, ist: Wie fähig ist man, sich zu verändern – mit den neuen Medien, der Musik, den DJs, den Mitarbeitern? In so einem Betrieb steckt sehr viel Dynamik und um die Pole-Position des P1 zu verteidigen, muss man sich konsequent weiterentwickeln und darf nicht stehen bleiben.
In einem Club muss es irgendwann auch mal eine Verjüngung geben. Mein Sohn und ich hatten im Vorfeld schon zusammengearbeitet und wir tun es heute noch gut und gerne. Er ist der Chef und ich bin immer noch ein bisschen da. Was ich als Unternehmer und Vater spannend fand: Ich musste lernen, dass man oftmals beide Augen zudrücken muss. Beispiel: Mein Sohn hat eine Idee, die ich schon vor 20 Jahren hatte. Vor 20 Jahren bin ich mit der Idee aber gefloppt. Probiert man es jetzt wieder? Manches funktioniert, manches nicht. Das anzunehmen und zu lernen ist nicht immer konfliktfrei und ein Lernprozess, aber wir haben das, wie ich finde, sehr gut hingekriegt – wir haben uns aber auch coachen lassen, was uns sehr geholfen hat.
Ja, können sie. Auch wenn eventuell mehr aufs Geld geschaut wird, die Leute wollen die unbeschwerten Stunden dann erst recht genießen. Wir konnten zum Beispiel mit dem „Day Club“ ein Angebot für diejenigen machen, die um Mitternacht wieder daheim sein wollen. Grundlegend würde ich sagen, dass die Leute heute kontrollierter, konzentrierter und selektiver feiern. Früher ist man ausgegangen, stand in einem Club, hat getanzt und auf die Freunde gewartet, und daraus ist eine gute Nacht entstanden. Heute kommt einer rein, mit dem Handy in der Hand, filmt kurz rein und zieht weiter, wenn in dem Moment noch nicht viel los ist. In den drei Stunden, in denen wir früher in einem Laden waren, sind die Leute heute in drei Läden. Das hat natürlich auch die Kommunikation drastisch verändert. Wir haben anfangs Plakate und Flyer produziert, jetzt beschäftigen wir zwei Vollzeitangestellte im Bereich Social Media.
Wir tauschen uns viel mit Kollegen aus anderen Städten und auch Ländern aus. Viele Nachtclubs haben sich, auf die Musikrichtungen bezogen, spezialisiert. Electroclubs, Technoclubs, Mainstream et cetera. Diese Spezialisierungen unterliegen aber auch dem Wandel – unter anderem durch die sozialen Medien bedingt. Durch die Inflationsraten hat die Industrie die Preise kräftig angezogen, die man nicht einfach an die Gäste weitergeben kann. Getränke, Spirituosen – die Preise sind extrem nach oben gegangen und haben bei vielen einen erheblichen Verlust an Margen erzeugt. Die Personalkosten sind gestiegen. Und wir mussten uns auch mit massiv gestiegenen Energiekosten auseinandersetzen. In den letzten zwei Jahren haben wir 50.000 Euro gezahlt – und das nur für Strom. Aber uns geht es gut. Und wir jammern auf hohem Niveau, das gehört auch ein bisschen dazu. (lacht)
Auf die 80er und 90er Jahre wollen und können wir uns nicht stützen. Uns geht es in erster Linie um das Angebot der perfekten Dienstleistung. Wir wollen unseren Gästen jede Nacht das Beste bieten. Und das tun wir über Service, Getränke, Musik, Sauberkeit – alles, was man von einem gelungenen Abend erwarten kann. Ein sehr besonderes Event – mein Lieblingsevent – ist Heiligabend. Hier kommen oft Stammgäste mit 19, 20 Jahren mit ihren Eltern und den Großeltern. Und wenn dann die Oma erzählt, dass sie schon bei unserem ersten Betreiber Alecco war, und die Eltern von den Partys der 80er schwärmen, dann ist das schon etwas ganz Besonderes für uns.
Das Interview führte Sonja Viktoria Ruschke
ÜBER DAS P1: Im Jahr 1984 wurde der „Nachtclub für Electro- und Popmusik mit zwei Tanzflächen, Außensitzbereich und schickem Dresscode“ in seiner jetzigen Form eröffnet. Zuvor wurden die Räumlichkeiten von US-amerikanischen Besatzungstruppen als Offizierstreff genutzt. Dem Standort in der Prinzregentenstrasse 1 gaben sie bald eine einfach auszusprechende Bezeichnung „P-One“. Nachdem die Räumlichkeiten sowohl für mehrere Restaurantbetriebe als auch einen New-Wave Club genutzt wurden, übernahm der Feinkost-Gastronom Michael Käfer 1984 das P1, dessen Vater es ihm übergeben hatte. 1981 lernten sich Michael Käfer und Franz Rauch kennen und beschlossen, gemeinsam mit Florian Oberndorfer in den Nachtclub zu investieren und ihr eigenes Konzept umzusetzen. Seit 2013 leitet Franz Rauchs Sohn Sebastian Goller die Geschäfte.