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ch werde so lange im Museum arbeiten, bis ich ausgestopft hier lande, sagt Markus Wasmeier, der „blonde Bub vom Schliersee“. Er ist Skifahrlegende, doppelter Olympiasieger, heimatverbundener Trachtenträger und leidenschaftlicher Bewahrer alter Architektur. Aber werden ihm diese Zuschreibungen überhaupt gerecht?
Wer ist dieser Mann, der auf zahlreichen Siegertreppchen stand? Der bei vielen Höhen auch herbe Tiefschläge erlitten hat? Wir treffen einen Menschen, der mal ernst, mal voller Selbstironie auf sich, seinen Sport, sein Leben blicken kann. Was vielleicht am meisten überrascht: Bei allem Ruhm und Popularität ist Markus Wasmeier sich erstaunlich treu geblieben. Er bietet damit etwas, das in unserem glitzernden Instagram-Kosmos zur Rarität geworden ist: Authentizität.
Lieber Herr Wasmeier, Sie sind viel und weit in der Welt herumgekommen aber aus Schliersee nicht weggegangen. Was hält Sie hier?
„Es gibt den Begriff Heimat. Heimat ist aber ein großes Wort und für mich eigentlich nicht ortsbezogen. Man kann viele Heimaten haben. Für mich war das der Sport, die Sportfamilie, das Zuhause, wo ich Wurzeln geschlagen haben. Das was mir wichtig ist, finde ich in unmittelbarer Umgebung: Meine Familie, Freunde, die Berge, die Kultur, die Dialekte. All das gibt es so für mich woanders einfach nicht.“
Naturverbundenheit steckte Markus Wasmeier schon in den Kinderschuhen. Zum Spielen ging es mit den Eltern viel raus in die Berge – weg von der Mietswohnung und Nachbarn, die sich von der jungen Familie schnell gestört fühlten. Auf Bäume klettern, in Zelten übernachten, über zugefrorene Seen schlittern – all das sind Erlebnisse, die ihn bis heute prägen. Weiße Berghänge und ein paar Skilifte lockten ihn auf die Piste. Doch was trieb ihn, immer schneller und besser zu fahren als die anderen? Der Auslöser überrascht: Mobbende Mitschüler, die ihn nach der Schule mit Prügeln überzogen. Statt daran zu zerbrechen, stärkt Markus Wasmeier sein Selbstbewusstsein auf dem Berghang. Frei nach dem Motto „Jetzt zeig ich’s euch!“ wird er besser und besser. Heute stapeln sich Medaillen und Pokale in seinen Schränken.
Wie ist es Ihnen geglückt, bei all dem Ruhm nicht die Bodenhaftung zu verlieren?
„Die Familie war immer meine Basis, ein vertrauensvoller, ehrlicher Umgang auf Augenhöhe. Sich selbst nicht so wichtig zu nehmen und das Gegenüber so zu behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte, öffnet einem eigentlich immer alle Türen. Und auch das Scheitern erdet! Man kann sich viele Ziele stecken. Aber das Leben kann dadurch so schwer werden, dass man an seinen eigenen Wünschen zerbricht.“
Apropos Ziele: Hat sich im Spitzensport eigentlich viel verändert, seit den 1980er und 1990er-Jahren?
„Alles, was am Berg im Wettkampf passiert, ist im Wesentlichen gleichgeblieben. Du musst alles riskieren bei 140 Stundenkilometern. Es tut genauso weh wie früher, wenn Du stürzt. Zu meiner Zeit war vielleicht noch ein Holzzaun im Weg – aber grundsätzlich sind die Rahmenbedingungen heute die gleichen.“
Und gibt es Trends, die den Skisport heute prägen?
„Im Rennsport ist vieles gleich geblieben. Neu hinzugekommen ist der Bereich der Freestyle Szene. Viele junge Menschen wollen den Profis nacheifern. Sie überschätzen sich dabei schnell. Denn auch hier braucht es viel Training und Vorbereitung, um diese Leistungen zu erreichen.“
Die Förderung von Sport und Bewegung bei Kindern und Jugendlichen ist Markus Wasmeier wichtig. Aber für ihn gibt es in Deutschland viel zu früh einen viel zu hohen Leistungsdruck beim Jugendsport. Der Spaß sollte am Anfang im Vordergrund stehen. „Der Ehrgeiz kommt dann von selbst“, ist er überzeugt. Und: Eltern sollten Spaß bei der Bewegung vorleben. Überlastungen im Training junger Sportler können nicht nur demotivieren, sondern auch den Köper schädigen.
„Jeder entwickelt sich unterschiedlich. Das sollten auch Trainer bedenken und den Nachwuchs individuell fördern. Jeder sollte selbst ein Gespür für seinen Körper und die eigene Leistungsfähigkeit entwickeln.“
LEGO FÜR ERWACHSENE: DAS BAUERNHAUSMUSEUM
Stillstand gibt es nicht für einen Mann, der mit über 100 Stundenkilometern Tempo die Berge hinabglitt. Und so entflammte in Markus Wasmeier nach seiner Zeit als Spitzensportler eine neue Leidenschaft: Er gründete das Freilichtmuseum Schliersee. Während in seinem ersten Lebensabschnitt jede Millisekunde zählte, geht es hier nun um Entschleunigung. Jahrhundertealte Bauernhäuser, die sonst dem Verfall anheimfallen würden, werden von ihm „eingesammelt“ und zwischen blühenden Wiesen wieder aufgebaut. Wie ein riesiges Puzzle setzten er und sein Team Almhütten, eine Schmiede oder Schreinerei Stück für Stück auf dem Gelände neu zusammen. Was es dafür braucht? Geduld, Herzblut und einen genauen Blick für’s Detail.
„Wir sind sehr nachlässig geworden, was das Bauen anbelangt! Es ist unglaublich, was die Menschen früher leisten konnten. Wie sehr sie, trotz widriger Umstände, auf schöne Proportionen und eine angenehme Haptik geachtet haben. Und Qualität! Diese alten Häuser stehen heute immer noch.“
Beim Ab- und Aufbau der alten Gebäude entdeckt er viele Details, die ihn staunen lassen. Und er lernt stetig dazu: Beim Blick auf die verwendeten Techniken und Materialien zollt er den einstigen Erbauern tiefen Respekt. Schon damals wurde versucht, energetisch effizient zu bauen. So diente Moos etwa als hervorragender Isolator.
.BAUERNHAUS VERSUS LOFT
Fühlen Sie sich denn auch wohl in moderner Architektur?
„Nein, nicht auf Dauer. Ich kann darin ein paar Tage verweilen. Aber ein altes Haus hat für mich eine spezielle Seele und Geborgenheit. Auch wenn die Fenster kleiner sind, stört mich das überhaupt nicht. Ich will kein modernes Haus bauen und auch nicht in so etwas einziehen. Ich komme aus einer Restauratoren Familie, wir ticken alle so.“
Wertschätzung für das Alte haben ihm seine Eltern früh vermittelt. Über moderne Trends wie Upcycling kann er daher nur schmunzeln.
„Wenn ich meinem Vater solche Begriffe nenne, fragt er mich „Kann man das essen?“
VOM KULTURBOTSCHAFTER ZUM HELFER
Begegnungen mit anderen Menschen und Kulturen waren für Markus Wasmeier schon immer eine besondere Bereicherung. Sei es das Leben mit der „Sportfamilie“ in seiner Zeit als Skifahrer, Zusammentreffen auf Reisen oder das Leben mit Frau und Söhnen. 2009 begann er einen engen Kulturaustausch mit der Ukraine. Auslöser war die Bekanntschaft mit einer ukrainischen Nachbarin in Schliersee. Über sie knüpfte er Kontakt zu einem Freilichtmuseum in Kiew. Es entspann sich ein enger Austausch über Themen wie Musik, Tracht, Tanz und Handwerk. Längst ist er auf vielen persönlichen Ebenen mit der Ukraine verbunden. Konfrontiert mit dem Krieg, versucht er zu helfen, wo er kann. Über den Verein „Wir helfen Menschen e.V.“ nutzt er seine Popularität, um Spenden zu sammeln und möglichst viele Hilfsgüter in die Ukraine zu transportieren.
Zwischen Handwerk und Hilfsgütertransport avancierte der einstige Skistar auch zum Wirt. Im Wirtshaus „Zum Wofen“ auf dem Gelände des Freilichtmuseums bietet er seinen Gästen bayerische Küche.
Was verbinden Sie eigentlich mit dem Begriff „Gastlichkeit“?
„Wir freuen uns über jeden Gast, auch wenn er nur kurz vorbeikommt. Solche Begegnungen sind eine Bereicherung im Tagesablauf. Mit Gastlichkeit verbinde ich daher Freude. Und Wertschätzung. In der Gastronomie ist das genau das Gleiche: Gäste kommen, um bei uns eine schöne Zeit zu verbringen. Gelingt das, ist es eine Bereicherung für den Gast und für mich. Wertschätzung drückt sich dabei in vielen Details aus. Zum Beispiel in sauberen Toiletten. Oder in lächelnden Servicemitarbeitern.“
Und gibt es eine persönliche Leibspeise?
„Schweinsbraten! Da gibt es solche Unterschiede. Jede Region hat ihre eigene Version. A g’scheite Kruste mit einer guten Biersauce – das ist einfach das Beste.“
Und schwingen sie auch einmal selbst den Kochlöffel?
„Na logisch. Meine Spezialität ist Papiergulasch mit Luftknödel“, sagt er und fügt lachend hinzu: „Ich möchte lieber nicht, dass meine Gäste essen, was ich koche. Man muss ja auch seine Schwächen kennen.“