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atenschutz und Digitalisierung müssen sich nicht ausschließen. Dr. Fabian Mehring (oben), Bayerischer Staatsminister für Digitales und Dr. Thomas Geppert (unten), Landesgeschäftsführer DEHOGA Bayern, sprechen darüber, wie sich technische Innovationen umsetzen lassen, ohne dass der Datenschutz auf der Strecke bleibt.
Dr. Fabian Mehring: Datenschutz und Digitalisierung sind zwei Seiten einer Medaille, die sich nicht prinzipiell entgegenstehen müssten - auch wenn unser typisch deutscher Umgang hiermit diesen Eindruck leider oft erweckt.
Tatsächlich ist kluger Datenschutz in unserer digitalen Welt wichtiger denn je. Schließlich führen uns Datenlecks und Pannen immer wieder eindrucksvoll vor Augen, wie schnell es kritisch wird. Bürger und Unternehmen brauchen schlichtweg das Vertrauen, dass ihre persönlichen Daten sicher verwahrt und verantwortungsvoll verarbeitet werden, statt unkontrolliert durchs Netz zu schwirren.
Was wir aber definitiv nicht brauchen, sind überzogene Regelungen und bürokratische Monster, die sich hinter dem Schutzmantel des Datenschutzes verstecken und den digitalen Fortschritt ausbremsen. Genau deshalb arbeite ich seit meinem Amtsantritt mit Hochdruck daran, das Datenschutzgesetz von unnötigem Ballast zu befreien. Meine Haltung ist dabei klar: Datenschutz ist unverzichtbar – aber er muss mit Maß, Ziel und gesundem Menschenverstand gestaltet sein!
Dr. Thomas Geppert: Auch ich finde: Datenschutz ist richtig. Doch wie so oft wird dieses wichtige Ziel dann ein bisschen zu Deutsch umgesetzt. Die Folge: Nicht der Datenschutz steht im Fokus, sondern die Auswirkungen durch eine teils übertriebene Umsetzung. Das beschränkt und behindert uns beim Digitalisierungsfortschritt. Datenschutz und Digitalisierung müssen Hand in Hand gehen. An erster Stelle sollte die Digitalisierung stehen. Im zweiten Schritt müssen wir schauen, wie sich sensible Daten schützen lassen.
Dr. Fabian Mehring: Ich finde: Die Zukunft des Gastgewerbes ist digital – aber das Herz der Branche muss menschlich bleiben. Was heißt das konkret? Digitale Tools sind heute unverzichtbar: Sie steigern die Zufriedenheit der Gäste, entlasten das Personal und können sogar den Fachkräftemangel abfedern. Technologisch ist schon jetzt vieles möglich, und die Entwicklungen – vor allem bei Künstlicher Intelligenz – schreiten in einem atemberaubenden Tempo voran. Doch die spannende Frage lautet: Wie setzen wir diese neuen Möglichkeiten so ein, dass wirklich alle profitieren? Wie gelingt eine Digitalisierung, die den Menschen dient?
Ein Beispiel: Wenn KI dafür sorgt, dass Bestellungen so optimiert werden, dass weniger Lebensmittel verschwendet werden, dann ist das eindeutig ein Gewinn für alle. Doch bei Roboter-Kellnern wird es kniffliger: Gehört nicht gerade der persönliche Kontakt zu den Menschen zu dem, was einen Restaurantbesuch besonders macht? Umso mehr besteht unsere gemeinsame Herausforderung darin, die richtige Balance zwischen digitalem Fortschritt und demjenigen menschlichen Erlebnis zu finden, das unsere bayerische Gastronomie seit jeher so besonders macht. Unser Ziel muss die richtige Kombination aus Heimat und Hightech sein.
Dr. Thomas Geppert: Digitalisierung, Robotik, Automatisierung und KI: All diese technischen Innovationen können uns bei der Arbeit unterstützen, wenn man sie an den richtigen Stellen einsetzt. So lassen sich Arbeitsprozesse effizienter gestalten, Strukturen besser umsetzen und Ressourcen effizienter nutzen. All das kann Mehrwerte bringen. Nur einfach blind digitalisieren ist gefährlich. Das kann auch mal zu einer Kostenfalle werden. Für das Gastgewerbe bleibt immer der Mensch entscheidend, aber es gibt Prozesse, bei denen diese Technologie sehr gut unterstützt. Wollen Betriebe langfristig erfolgreich sein, führt kein Weg daran vorbei. Ganz wichtig für unsere Mitglieder: Unser Verband wird auch hier helfen, technologische Chancen zu sehen und zu ergreifen.
Dr. Fabian Mehring: Das ist eine Frage, die mich ganz besonders umtreibt. Denn: Wer morgen noch im Wettbewerb mitspielen will, muss sich heute zwingend mit Zukunftstechnologien wie Künstlicher Intelligenz auseinandersetzen. Doch gerade in Europa gibt es durch die strenge Regulierung, wie den AI-Act, viele Vorschriften, die beachtet werden müssen – während der Rest der Welt oft freier agiert. Um bayerische Unternehmen auf diesem Weg zu unterstützen, bringe ich gerade unseren Bayerischen „Innovationsbeschleuniger“ an den Start. Damit will ich die Hürden für unsere Betriebe im Freistaat so niedrig wie möglich halten.
Im Zuge dessen veranstalten wir Schulungen und Netzwerktreffen, die unseren Betrieben das nötige Rüstzeug an die Hand geben. In Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern entwickeln wir zudem eine Plattform, welche die komplexen Vorgaben des AI-Act formalisiert und Bayerns Mittelstand eine einfache und praktische Hilfe bietet. Aber das ist noch nicht alles: Eine virtuelle Testumgebung wird es Bayerns Unternehmen zukünftig ermöglichen, ihre KI-Produkte auf die Einhaltung wesentlicher Vorschriften zu prüfen, bevor sie auf den Markt kommen. Im Grunde spannen wir also einen Schutzschirm vor EU-Bürokratie über Bayerns Mittelstand auf und machen unsere Unternehmen darunter fit für das KI-Zeitalter – schnell, unkompliziert und kostengünstig.
Dr. Thomas Geppert: Ich glaube bei dieser Frage ist wichtig, dass man den richtigen Partner an seiner Seite hat. Auch hier können wir als Verband mit unserem Partnermodell unterstützen. Die Partner prüfen wir auf Herz und Nieren. Dadurch können Betriebe relativ sicher sein, dass hier alle nötigen Auflagen und gesetzliche Vorgaben auch eingehalten werden.
Dr. Fabian Mehring: Ich bin fest davon überzeugt: Die Zukunftschancen unserer bayerischen Wirtschaft hängen maßgeblich von der Digitalisierung des Mittelstands ab. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen, besonders im ländlichen Raum, müssen unkomplizierten Zugang zu Technologien wie KI finden. Im Vergleich zu Großkonzernen fehlt es ihnen dafür oft an ungebundenen Ressourcen. Dabei bieten die flexiblen Strukturen und schnellen Entscheidungswege im Mittelstand eigentlich beste Voraussetzungen für Innovation. Umso entscheidender ist es, das Bewusstsein für den konkreten Nutzen von Zukunftstechnologien in den Köpfen der Entscheider zu stärken – mit greifbaren Anwendungsbeispielen. Bayerns Mittelständler sind Macher. Für ihren Sprung ins KI-Zeitalter brauchen sie keine blumigen Sonntagsreden, sondern praxisnahe, passgenaue Unterstützung für ihre individuellen Geschäftsprozesse.
Dr. Thomas Geppert: Gerade für Kleinstbetriebe sind die Herausforderungen in allen Bereichen eigentlich immer besonders groß. Sie haben nicht die Ressourcen, um Digitalisierungsthemen in eine eigene Abteilung auszulagern. Das gilt ja auch generell für Verwaltungsauflagen und Bürokratie. Es gibt keine Rechtsabteilung, keine Personalabteilung, keine Dokumentationsabteilung, sondern schlicht eine Familie, die hinter allem steht. Da ist man vielleicht Koch, Servicekraft und Unternehmer in Personalunion. Wichtig für diese Betriebe ist eine gute Beratung vom passenden Partner. Wir als Verband bemühen uns darum, kleineren Betriebe klarzumachen, dass sie in der Digitalisierung Chancen sehen und nicht Probleme. Gelingt das, profitieren die Betriebe enorm, weil Prozesse effizienter ablaufen und Zeit frei wird, um Gastgeber zu sein.
Dr. Fabian Mehring: Ich habe eine klare Mission für Bayern: Unser Land soll „Heimat für Hightech“ sein. Mit einer entschlossenen Digitalpolitik entwickeln wir den Freistaat zu einem Premium-Standort für die Zukunftstechnologien. Auf diese Weise stärken wir Bayerns internationale Wettbewerbsfähigkeit und nehmen die digitale Transformation selbst in die Hand. Unsere Hightech Agenda – eine Rekord-Investition von 5,5 Milliarden Euro in Zukunftstechnologien – ist eine Erfolgsgeschichte, die in Europa ihresgleichen sucht. Damit hat Bayern sich als Zuhause führender Universitäten und Forschungseinrichtungen des digitalen Zeitalters etabliert. Jetzt geht es darum, innovative Ideen hier vor Ort in die Tat umzusetzen und den Sprung von der Forschung in den wirtschaftlichen Alltag zu schaffen.
Daher habe ich das Programm „KI-Transfer Plus“ ausgerollt. Damit holen wir Künstliche Intelligenz aus den Zeitungsüberschriften und bringen sie direkt ins Herz unseres bayerischen Mittelstands. In unseren acht Regionalzentren im ganzen Land erhalten Unternehmerinnen und Unternehmer gezielte Unterstützung, um KI ganz konkret in ihre Arbeitsprozesse zu integrieren. Mit der Digitalinitiative „NextGen4Bavaria“ bereiten wir zeitgleich die nächste Generation des Mittelstands auf die digitale Zukunft vor. Neben dem Wissenstransfer steht dabei der Austausch mit Gleichgesinnten im Vordergrund – damit Bayerns Unternehmen den digitalen Wandel nicht nur irgendwie bewältigen, sondern aktiv zu ihrem Vorteil gestalten können.
Dr. Thomas Geppert: Einerseits kann der Staat helfen, indem er Digitalisierung richtig versteht. Digitalisierung heißt, dass man Standards definiert, Schnittstellen ermöglicht und den Marktkräften freien Lauf lässt. Dann können Unternehmen sich entwickeln, um wiederum andere Betriebe mit ihren Lösungen unterstützen. Ein zweiter wichtiger Punkt ist, dass sich auch der Staat, speziell die Verwaltung, digitalisiert. E-Government, also digitale Behördengänge, sollten nicht nur Schlagworte, sondern gelebte Realität sein. Es entlastet Betriebe ungemein, wenn sie ihre Daten nicht bei jedem Amt von neuem eingeben müssen, sondern diese Informationen zwischen den Behörden weitergereicht werden können. Ein einzelner Bürger hat vielleicht ein maximal zwei Behördenkontakte pro Jahr. Beim Unternehmen ist das deutlich häufiger der Fall – nicht nur in Bezug auf Förderprogramme.
Dr. Fabian Mehring: Der demografische Wandel stellt uns längst vor gewaltige Herausforderungen. Uns gehen schlicht die Köpfe aus. Umso bedeutsamer sind die Chancen, die Digitalisierung und insbesondere Künstliche Intelligenz uns eröffnen. Die digitale Transformation ist unser schärfstes Schwert gegen den grassierenden Fachkräftemangel.
Klar ist deshalb: Digitale Kompetenzen sind der Schlüssel zu unserer Zukunft. Wer in der modernen Arbeitswelt erfolgreich sein will, muss digitale Tools souverän und sicher nutzen können – darin besteht die Schlüsselqualifikation des 21. Jahrhunderts.
Um die Menschen in Bayern fit für die digitale Welt zu machen, haben wir eine Vielzahl an Programmen ins Leben gerufen: Zum Beispiel die „Goldi-App“, die Grundschulkindern das sichere Surfen im Netz zeigt. Oder „BayCode for Teens“ unter der Schirmherrschaft von unserer Torwartlegende Manuel Neuer, worüber Jugendliche kostenlos in Programmierkursen auf die Arbeitswelt von morgen vorbereitet werden. Für Berufstätige gibt es die Webinar-Reihe „Digitalimpulse“, die IT-Wissen in KMUs vermittelt und mit der „Allianz für Digitale Kompetenzen“ bieten wir Fortbildungsangebote für alle. Auch für unsere Senioren gibt es Hilfe bei der Digitalisierung – mit „zusammen digital“ bieten wir persönliche Unterstützung rund um Smartphone und Internet. Zeitgleich machen wir unsere Vereine und deren Ehrenamtliche an 28 Workshop-Standorten in ganz Bayern mit dem Programm „digitalverein(t)“ fit für die digitale Zeitenwende. Besonders fördern wir Frauen in der Tech-Branche: Mit unserem BayFiD-Programm wollen wir mehr Frauen in Digitalberufe bringen und den Fachkräftemangel in der IT bekämpfen.
Angst davor, wegen der fortschreitenden Digitalisierung seinen Arbeitsplatz zu verlieren, muss angesichts der Bevölkerungspyramide hierzulande wahrlich niemand haben. Im Gegenteil: Bis die Babyboomer in den Ruhestand gehen, müssen wir alles digitalisieren und automatisieren, was wir nur können, damit Wirtschaft, Staat und Gesellschaft trotz Millionen weniger Arbeitskräfte weiter funktionieren können. Andernfalls drohen uns heftige Wohlstandsverluste und Staatsversagen!
Dr. Thomas Geppert: Sicherlich kann Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt Einfluss haben. Da gibt’s Branchen, wo es mehr oder weniger Effekte hat. Durch den demographischen Wandel befinden wir uns in der Situation, dass wir immer weniger arbeitsfähige Menschen haben bei gleichbleibender Arbeitslast. Die Babyboomer gehen in Rente – eine demographische Herausforderung. Digitalisierung kann im Gastgewerbe ganz sicher punktuell helfen, ist aber kein „Game Changer“. Wir werden immer eine personalintensive Branche bleiben. Deswegen brauchen wir eine Gesetzgebung, die sich den Bedürfnissen unserer Branche gezielt widmet: Wochenarbeitszeit, Anreize zum Arbeiten, Fach- und Arbeitskräftezuwanderung.