radition und Neuheiten – für viele auf den ersten Blick ein Gegensatz. Thomas Ruhl, Autor und Fotograf, reiste ein Jahr durch ganz Bayern, um die evolutionäre Weiterentwicklung der traditionellen, bayerischen Küche zu ergründen. Als Ergebnis seiner Recherche und Reise entstand ein Fachbuch, das Wissenschaft und Unterhaltung kombiniert, gespickt mit beeindruckenden Fotografien. Wegweisende Köche, namhafte Persönlichkeiten der bayerischen Küche, sowie einige ihrer Produzenten bekommen Platz für ihre Ansichten und Rezepte. Dazu werden moderne Gasthäuser vorgestellt sowie beispielhafte Netzwerker, die eine enge Zusammenarbeit von landwirtschaftlichen lokalen Produzenten mit den Küchen und Köchen verfolgen und fördern.
Das zentrale Thema lautet: Wie schaffen es die Gastgeber, die bayerische Küche vorbildhaft in eine neue Zeit zu transferieren? Das Buch soll Impulse liefern und alle Branchenbeteiligten ermutigen, neue Wege einzuschlagen. Die zentrale Botschaft lautet: „Habt Mut, einen eigenen Stil zu entwickeln und landestypische Gerichte individuell umzusetzen.“ Denn die Grundthese des Autoren lautet: „In Puncto Kochen, war Bayern schon immer weltoffen. Historisch gesehen gab es schon immer Neuerungen und dynamische Entwicklungen der bayerischen Küche.“ So sprechen auch Dr. Simon Reitmeier und Johanna Kallenbach vom Cluster Ernährung in ihrem Text „Von Stillstand und Fortschritt“ in Ruhls Buch über das Bewahren von Tradition und von Synergien zwischen alt und neu: „Es sind schließlich Dinge, die es wert sind, erhalten und gepflegt zu werden. Damit das gelingt, reicht es nicht, sie lediglich zu bewahren, vielmehr müssen sie immer wieder mit Leben erfüllt, neu gedacht und aufgefrischt werden. Diese Geisteshaltung lässt Neues zu, bewertet es und integriert es gegebenenfalls in die eigene Kultur. So war Bayern immer und so soll es bleiben. Und so hat es eine Zukunft. Stillstand bedeutet Rückschritt.“ Es geht um alte Genusstradition, quasi das „Best-of“ der Klassiker, versetzt in die heutige Zeit.
DIE ROLLE DER LEBENSMITTELPRODUZENTEN
Dieses Prinzip lässt sich jedoch nicht nur auf Gasthäuser und Rezepte anwenden, sondern auch auf die so wichtigen Lieferanten und Produzenten. Mit den neuen Zielgruppen, die junge bayerische Köche mit neuen Konzepten erschließen, müssen sich auch die Erzeuger weiterentwickeln. „Auch in der Lebensmittelproduktion finden wir junge Menschen, die althergebrachte Produktionsmethoden infrage stellen und mit innovativen Konzepten Erfolge haben sowie Weichen für ihre eigene und die Zukunft ganzer Branchen stellen“, schreiben Reitmeier und Kallenbach. Denn fest steht: Ein hervorragendes Produkt für den Gast entsteht nicht nur in der Küche. Deshalb wird auch die Zusammenarbeit von Gastronomie und Bauern, Gärtnereien und Fischereien aufgezeigt und beleuchtet: „Die besten Rohstoffe von großartigen Erzeugerbetrieben, verarbeitet von Ernährungshandwerkern, die ihre Kunst beherrschen wie niemand sonst, zubereitet und verarbeitet von kreativen Köchen auf höchstem Niveau – eine neue Wertschöpfungskette, die auch eine Wertschätzungskette darstellt, ist am Entstehen“, so Reitmeier und Kallenbach zur Rolle der Produzenten und Lieferanten.
FÜR DEN GAST ERLEBNISSE SCHAFFEN
Diese Ansätze müssen, um zu wirken, auch für den Gast greifbar gemacht werden. „Die Gäste wollen auf jeden Fall etwas mitnehmen, schlauer aus dem Restaurant wieder herauskommen. Sie wollen Storys. Die muss der Service oder der Koch erzählen. Geschichten von Produzenten, von den Ideen hinter dem Gericht. Sie wollen ein Erlebnis. Und sogar Produkte kaufen, die sie kennengelernt haben”, so Tobias Bätz, Küchenchef des Gourmetrestaurant Alexander Hermann, im Gespräch mit Ruhl. Es geht darum, dass junge Leute die Gasthäuser wieder aufsuchen, Traditionen mit Lederhose und Dirndl aufleben lassen und Bayerns Möglichkeit zum Zentrum der gehobenen Kulinarik zu werden. „Bei uns bewegt sich was“, stellt Bätz fest. Und das erlebt auch Alexander Huber: „Durch Bayern geht ein Ruck, ein Genusshype.“ Doch die Gespräche mit Alexander Huber vom Huberwirt und Tobias Bätz vom Restaurant Alexander Hermann sind nur zwei von vielen spannenden Etappen von Ruhls umfangreicher Reise.
„Die junge bayerische Küche“ ist ein Lesetipp für alle, die sich für die bayerische Traditionsküche interessieren und dabei offen für spannende neue Ansätze und Einflüsse sind. Eine etappenreiche und eindrucksvolle Reise durch die kulinarischen Genüsse Bayerns
FÜR DEN GAST ERLEBNISSE SCHAFFEN
Thomas Ruhl, gebürtiger Bochumer, studierte Grafik und Fotografie. Nach seinem Abschluss war er zunächst als Art- und Creative-Direktor in internationalen Werbeagenturen tätig. 1987 machte sich der damals 28-Jährige selbstständig und gründete eine Webeagentur, später kam auch ein eigenes Fotostudio hinzu. Heute ist er Autor, Fotograf und Verleger. Zudem ist er Mitbegründer und Herausgeber der 2006 zum ersten Mal erschienenen Essenszeitschrift „Port Culinaire".