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eit genau 20 Jahren ist Melanie Huml bereits Abgeordnete des Bayerischen Landtags. 2017 wurde sie zur stellvertretenden CSU-Parteivorsitzenden gewählt. Im Gespräch mit Gastgeber Bayern äußert sich die amtierende Staatsministerin für Europaangelegenheiten und Internationales in der Bayerischen Staatskanzlei unter anderem zur vielzitierten „Überregulierung“ in der Republik und im Freistaat. Die Ministerin stellt dabei unmissverständlich klar, an welchen Stellen die Umsetzung europäischen Rechts aus ihrer Sicht auch bewusst in Grenzen gehalten werden muss.
Huml: Fluorierte Gase, sogenannte F-Gase, sind Chemikalien, die zum Beispiel als Kühlmittel in Kühl- und Gefrierschränken, Klimaanlagen,
Wärmepumpen oder als Treibmittel in Spraydosen oder Feuerlöschern Verwendung finden. Sie besitzen eine starke Treibhausgaswirkung
und tragen zum Klimawandel bei. Schon seit 2006 gibt es europäische Vorgaben zur Reduktion dieser Gase. Gleichzeitig wurden Alternativen mit geringerem Treibhausgaspotenzial entwickelt. Im April letzten Jahres hatte die EU-Kommission einen Vorschlag vorgelegt, der strengere Ziele vorgibt.
Huml: Der Umweltausschuss des EU-Parlaments hatte den Kommissionsvorschlag sogar nochmal deutlich verschärft. Dies hätte in vielen Branchen einen enormen Investitionsbedarf verursacht. Vor der Abstimmung im EU-Parlament hatten sich verschiedene bayerische Verbände gegen eine Verschärfung ausgesprochen. Ich habe mich dann im Vorfeld der Abstimmung unter anderem auch an die
bayerischen Abgeordneten mit der Bitte gewandt, unser Anliegen – also eine zusätzliche Verschärfung abzuwenden – zu unterstützen.
Mit Erfolg. Die EVP-Fraktion hat daraufhin Änderungsanträge ins Verfahren eingebracht, die eine pragmatische Umsetzung insbesondere
auch im Lebensmittelhandwerk vorsahen. Diese Anträge wurden vom Plenum mehrheitlich angenommen. Damit soll eine Wartung und Instandhaltung zumindest mit recycelten fluorierten F-Gasen wenigstens für eine Übergangszeit möglich sein. Somit stünde bis 1. Januar 2030 ein Verwendungsverbot jedenfalls nicht im Raum. Die endgültige Einigung zwischen Parlament, Rat und Kommission bleibt aber abzuwarten.
Huml: Die Übererfüllung von europarechtlichen Vorgaben, das sogenannte Gold-Plating, muss endlich aufhören. Deutschland kann und darf es gerade den mittelständischen Unternehmen nicht unnötig schwerer machen, indem immernnoch mehr bürokratische Hürden aufgestellt werden. Wir setzen uns daher bei der Umsetzung von EU-Vorgaben in nationales Recht dafür ein, dass der Bund nicht über die europäischen Mindestanforderungen hinausgeht. So sollte zum Beispiel das von Ihnen angesprochene Arbeitszeitgesetz dringend flexibilisiert werden. Warum muss Deutschland hier ohne Not die Arbeitszeit auf 10 Stunden pro Tag begrenzen, wenn das europäische Recht mit der Beschränkung auf eine Wochenhöchstarbeitszeit von durchschnittlich 48 Stunden deutlich flexiblere Möglichkeiten eröffnen würde? Dieser Spielraum muss vom Bund genutzt werden, um gerade in mittelständischen Unternehmen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu steigern und den Arbeitsmarkt zukunftsfest zu machen. Notwendige Flexibilisierungen müssen dabei im Interesse der KMU auch ohne Tarifbindung ermöglicht werden. Für andere Bereiche – wie etwa den Datenschutz – gilt das natürlich genauso.
Huml: Bürokratieabbau hat für die Bayerische Staatsregierung hohe Priorität. Hier besteht eine Vielzahl an Instrumenten, mit denen die Gefahr der Überregulierung in Bayern bereits wirksam adressiert wird: Die Zentrale Normprüfstelle in der Bayerischen Staatskanzlei, der Beauftragte für Bürokratieabbau als „Kümmerer“ für Einzelfälle und Praxis-Checks zur Überprüfung von Normen, um deren Praxistauglichkeit zu gewährleisten. Regelmäßig unterziehe ich auch EU-Vorschriften unter Einbindung der anderen Ministerien einem Praxis-Check und schicke ihn an die EU-Institutionen. Seit Juni 2022 berät und unterstützt der neu gegründete Bayerische Normenkontrollrat die Staatsregierung unter anderem in den
Angelegenheiten der Deregulierung und des Normabbaus. Er soll Vorschläge zur Entlastung von Bürgerinnen und Bürgern, Wirtschaft und Verwaltung abgeben. Bayern setzt sich darüber hinaus nachdrücklich für Deregulierung auch auf Bundes- und EU-Ebene ein.
Zur Person:
Geboren 1975 in Bamberg begann die politische Karriere von Melanie Huml nach dem Abitur und einem erfolgreich absolvierten Medizinstudium in Nürnberg 1993 mit ihrem Eintritt in die Junge Union. Mitglied in der CSU und Frauen Union (FU) wurde sie 2001. Neben ersten leitenden Funktionen innerhalb der Jungen Union fungierte Huml von 2002 bis 2005 als Kreisrätin des Landkreises Bamberg. Von 2008 bis 2014 war sie Stadträtin der Stadt Bamberg. 2007 wurde sie von Ministerpräsident Dr. Günther Beckstein zur Staatssekretärin im Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen ernannt. Unter Horst Seehofer wurde Huml 2008 als Staatssekretärin in das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit berufen. 2013 wurde sie als Staatsministerin im neuen Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege vereidigt. Seit Januar 2021 fungiert sie als Staatsministerin für Europaangelegenheiten und Internationales in der Bayerischen Staatskanzlei.