Herr Henkel, Sie sind bekannt als ausgeglichener Küchenchef, der seine Mitarbeiter auf Augenhöhe führt. Sie werden nie laut und bleiben immer sachlich. Welche Philosophie steckt hinter Ihrer Mitarbeiterführung?
Da steckt keine Philosophie dahinter. Ich bin ein Mensch, der Harmonie schätzt und ich möchte auch abends nach einem stressigen Arbeitstag immer noch mit einem guten Gefühl in den Spiegel schauen können. Ich versuche als Chef immer fair und immer ansprechbar zu sein.
Warum ist es Ihnen so wichtig, auf Augenhöhe mit Ihren Mitarbeitern zu kommunizieren? Wie gelingt es Ihnen, nicht die die Bodenhaftung zu verlieren?
Ich bin auch Teil des Teams, ohne meine Mitarbeiter kann ich nicht erfolgreich sein. Und mein Team braucht mich als Impulsgeber und Führungspersönlichkeit. Ein vertrauensvoller Austausch findet für mich immer auf Augenhöhe statt. Ich sehe mich auch nicht als Star, ich bin ein bodenständiger Mensch, ich komme ganz gut ohne Allüren aus.
Was denken Sie über TV-Shows, bei denen auch mal Teller und Töpfe fliegen und ein rauer Ton herrscht? Cooles Image für die Küche oder eher kein gutes Licht für unsere Branche?
Da kann ich nicht viel dazu sagen, ich schaue fast kein Fernsehen. Aber im TV den Küchenproleten raushängen zu lassen, finde ich unangebracht. Was unsere Branche braucht, sind positive Signale und Vorbilder. Natürlich gibt es in der Küche klare Ansagen, gerade wenn es stressig wird. Das gehört aber zu den Abläufen dazu, eine gute organisierte Küche funktioniert wie ein Uhrwerk. Und das macht für mich auch den Reiz aus, selbst wenn der Beruf nicht immer einfach ist.
Wie haben Sie die vergangenen Jahre in Bezug auf Ihre Mitarbeiter erlebt? Wie konnten Sie sich gegenseitig unterstützen? Haben Sie alle Mitarbeiter halten oder wieder zurückgewinnen können?
Wir haben das Papa Rhein Hotel nach dem ersten Lockdown im Sommer 2020 aufgemacht. Wir hatten einen tollen Sommer und das Gefühl, die Gäste hätten nur auf uns gewartet. Dass dann nochmal sieben Monate Lockdown folgen würden, hätten wir alle nicht gedacht. Aber wir haben die Zeit genutzt, um die Mitarbeiter zu schulen, die Konzepte zu optimieren und auch die vielen Kleinigkeiten, die nach einem Neubau noch nicht perfekt waren, zu erledigen. Wir haben in der Zeit tatsächlich sehr wenige Mitarbeiter verloren und konnten wieder mit einem hochmotivierten Team starten.
Zusätzlich zu einem großartigen Team, einem Chef, der Vorbild ist, und einem spannenden Aufgabenbereich: Welche Benefits müssen gegeben sein, um gute Mitarbeiter an sich zu binden?
Natürlich bieten wir einige Benefits für unsere Mitarbeiter an, wie zum Beispiel Family and Friends-Raten. Ein wichtiger Punkt ist heute auch die Arbeitszeit, die bei uns von Anfang an akkurat erfasst wurde. Da wir das Restaurant mittags und abends öffnen, versuchen wir mit einer Vier-Tage-Woche zu arbeiten. Das ist für viele Mitarbeiter ein wertvoller Aspekt. Aber tatsächlich ist ein gutes Arbeitsklima immens wichtig. Die Möglichkeit, sich bei uns im Bootshausteam weiterzuentwickeln, ist ein gutes Argument, sich längerfristig ans Haus zu binden.
Welche Werte sind Ihnen in der Küche besonders wichtig?
Mir persönlich ist es am wichtigsten, dass ein neuer Mitarbeiter gut ins Team passt, Flexibilität mitbringt und unsere Wertvorstellungen sowie die Freude am Beruf teilt. Die fachlichen Anforderungen spielen sich in der Regel schnell ein, die Abläufe sind gut organisiert und es gibt für alle Posten feste Rezepturen.
Was macht unsere Branche für Sie so besonders? Wie könnten noch mehr Menschen für einen Beruf in der Branche begeistert werden?
Wir müssen auf die Wünsche der jungen Generation eingehen. Es ist notwendig, die Arbeitszeiten in den Griff zu bekommen. Ich denke, eine Vier-Tage-Woche ist der einzige Weg, um heute eine Zufriedenheit der Mitarbeiter zu erreichen. Gleichzeitig müssen wir respektvoll mit unseren Mitarbeitern und auch mit den Produkten, die wir verarbeiten, umgehen. Nachhaltigkeit ist in allen Bereichen gefragt. Meiner Meinung nach ist das ein wichtiges Kriterium, um gute Mitarbeiter und gerade junge Menschen für eine Gastronomielaufbahn zu begeistern.
Thema Wertschätzung: Wie könnte man manchen Gästen besser vermitteln, wie wertvoll Ihre Arbeit ist und warum gute Qualität ihren Preis hat?
Ich habe immer viel gearbeitet. Vor einigen Jahren waren zehn Servicezeiten pro Woche ganz normal, die Gehälter dafür überhaupt nicht angemessen. Aber ich habe immer für meinen Beruf gebrannt, deshalb hat mir das nichts ausgemacht. Heute sehen wir, dass uns diese Einstellung viel kaputt gemacht hat. Uns fehlt heute der Nachwuchs. Es ist gut, dass sich die Branche wandelt und in vielen Bereichen fairer und flexibler wird. Andererseits muss man auch sehen, dass man am Ende Geld verdienen muss, auch um angemessene Gehälter bezahlen zu können. Das heißt letztendlich für den Gast, dass er bereit sein sollte, angemessene Preise zu bezahlen. In Rheinland-Pfalz sind die Tarifverträge gerade allgemeinverbindlich geworden und die Bruttolöhne sind ordentlich gestiegen. Diese Mehrkosten müssen nun erstmal wieder erwirtschaftet werden. Natürlich müssen das auch unsere Gäste mittragen. In diesem Punkt sollten die Verbände ganz entschlossen hinter den Betrieben stehen und mit einer guten Öffentlichkeitsarbeit für die wichtigsten Werte wie Qualität und Nachhaltigkeit der Gastronomie werben.
Zur Person
Nils Henkel ist ein kulinarisches Ausnahmetalent und zählt seit vielen Jahren nicht nur zur Speerspitze der deutschen Kulinarik, sondern gilt auch als Pionier der modernen Gemüseküche. Seine naturverbundenen, farbenfrohen und frischen Kreationen orientieren sich an den Jahreszeiten und sind ein Hochgenuss für die Sinne. Seine Küche steht für nachhaltige, innovative und moderne Gerichte mit starkem Fokus auf Gemüse und schafft eine Symbiose aus regionaler und weltoffener Küche. Nils Henkel ist seit 2020 Küchenchef des Restaurants Bootshaus im Papa Rhein Hotel in Bingen. Zuvor arbeitete er in zahlreichen namhaften Restaurants. 2017 wurde er vom Magazin „Der Feinschmecker“ zum Koch des Jahres ausgezeichnet.