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erschiedene Treiber ändern die Planung und Wahrnehmung
eines Urlaubs seitens der Reisenden stetig. Hierzu zählen
insbesondere die folgenden drei Faktoren:
Doch welche konkreten Auswirkungen haben diese Entwicklungen für die
Hotellerie? Und wie kann die Branche von diesen Trends profitieren?
Denkt man an Covid, denkt man schnell an Schlagworte wie „Abstand“
und „kontaktlos“. Doch nicht erst seit der Pandemie ist die Verbindung zwischen
Mensch und Maschine vergleichbar mit der zwischenmenschlichen.
Die Technisierung prägt unser gesellschaftliches Miteinander, getrieben
durch den derzeitigen Siegeszug der Künstlichen Intelligenz. Die „Menschzu-
Mensch-Branche“, das Gastgewerbe, muss den Drahtseilakt meistern
zwischen Technisierung und persönlichem Kundenkontakt.
Angesichts des noch immer vorherrschenden Mitarbeitermangels und
der veränderten Kundenbedürfnisse verspricht die Digitalisierung in der
Hotellerie vor allem eines: Entlastung. So lassen sich etwa über Pre-Checkin-
Prozesse Verwaltungsaufgaben vom Gast bereits bequem vor der Anreise
abwickeln. Mehr noch: Der Kunde kann schon im Vorfeld viel über die
Unterkunft und Region erfahren, Angebote erhalten oder Zusatzleistungen
buchen. Ohne lästige Apps und Login-Prozesse sind diese Informationen
heute über QR-Codes abrufbar.
Doch der persönliche Kontakt zum Gast darf unter diesen Angeboten nicht
leiden. Vielmehr erhalten Angestellte mit digitalisierten Prozessen mehr
Freiraum und Zeit für den direkten Austausch mit ihren Gästen. Nicht nur
bei technischen Problemen sollten die Mitarbeiter greifbar sein. Schließlich
bevorzugen viele Gäste noch immer ein kurzes Gespräch an der Rezeption,
anstatt ihr Smartphone zu bemühen. Hier gilt das Motto: „Hightech ersetzt
nicht den ‚Hightouch‘“! Gleichzeitig ist es für die Branche überlebensnotwendig,
die ganze Klaviatur der Digitalisierung bespielen zu können, um auf
dem Markt zu bestehen.
„Big Data is watching you!“, könnte die Maxime für alle Smartphone Nutzer lauten. Unternehmen wissen längst: Wir sind, was wir konsumieren. Egal ob Musik, Dienstleistungen, Kleidung oder die Bestellung beim Essenslieferanten: Dank ausgefeilter Algorithmen lassen sich Kundenansprache und Angebote immer detaillierter auf ein Individuum zuschneiden. Das hat Auswirkungen auf die Erwartungshaltung von Kunden – auch im Urlaub.
„Wer sind meine Gäste? Wen will ich wie erreichen? Was können wir unserer Zielgruppe bieten?“ – all dies sind für Hotels existentiell entscheidende Fragen, heute mehr denn je. Dabei stechen vor allem drei Trends hervor:
Je nach Gestaltung und Konzept entfalten Hotels eine ganz bestimmte Wirkung auf den Gast. Dabei genügt es nicht mehr, in einer schönen Umgebung (Meer, Berg, Stadt) das passende Bett zu bieten. Das Hotel muss das Lebensgefühl seiner Gäste aufgreifen, ihm entsprechen.
Der Grad der Spezialisierung erreicht dabei nie gekannte Ausmaße: Erwachsene wollen unter Erwachsenen reisen und wählen „Adults only Hotels“, in denen Zutritt erst ab 16 oder 18 Jahren gewährt wird. Familien können aus einer wachsenden Zahl spezieller Familienhotels wählen. Reisende mit Haustier finden Unterkünfte, in denen nicht nur ein „Hunde erlaubt“ gilt: Spezielles Mobiliar, Futterangebote und Spazierwege sind auf die vierbeinigen Begleiter ausgerichtet. Frei nach dem Motto „Zusammen ist man wenigerallein“ gibt es Single Hotels. Und 2019 eröffnete auf Mallorca das erste Hotel, das ausschließlich Frauen Zutritt gewährt.
Urlaub soll vor allem eines bieten: Erholung vom Alltag. Doch passives Entspannen in der Saunalandschaft genügt vielen nicht mehr. Immer mehr suchen Gäste nach einer ganzheitlichen Entspannungskultur mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Hotels waren und sind zwar keine medizinischen Rehabilitationszentren. Aber sie können das Gesundheitsbewusstsein ihrer Gäste unterstützen.
Das beginnt bei entsprechend gestalteten Hotelzimmern, wie der Verwendung von gesundheitsfördernden Bau- und Einrichtungsmaterialien (Allergiker-freundlich). Restaurants können verstärkt gesunde und heilende Zutaten verarbeiten. Vor Jahren noch undenkbar, vermarkten einige Hotels heute erfolgreich Fastenkuren: Geschulte Experten unterstützen Gäste bei den Programmen, begleitet von sorgsam abgestimmten Speiseplänen und Aktivitäten. Im Zeitalter der Informationsüberflutung wächst das Bedürfnis nach Orten, an denen man sich sammeln kann. Erste Hotels bieten schon jetzt netzfreie Zonen an oder zelebrieren „Urlaub offline“ als Attraktion unter dem Motto „Digital Detox“. Abstand vom Alltag funktioniert nicht mehr, wenn jeder per Smartphone immer und überall erreichbar ist. Daher werden Mobiltelefone mancherorts schon beim Check-in abgegeben. Bleiben Gäste während ihres Aufenthalts „Smartphone abstinent“, erhalten sie zur Abreise eine Belohnung, etwa ein Stück Bergkäse (Hubertus Alpin Lodge & Spa im Allgäu). In Zürich und Genf postet in ibis Hotels ein eigener Instagram-Butler unter der Kampagne „Relax, we post“ für Gäste, während sie digital detoxen.
Ein Bett im Kornfeld, im Baum oder gleich in der Felswand? Heute scheint alles machbar und möglich. Die Nacht wird zum Event, der Schlafplatz fototauglich in Szene gesetzt. So individuell wie die Gäste ist auch das Spektrum an Angeboten: ob naturverbundenes Schlafen im Wald, einsam im Leuchtturm oder abenteuerlustig in einer Höhle. Standard war gestern. Heute braucht es außergewöhnliche Ideen und Kooperationen, um bei Gästen zu punkten.
Dabei gilt: Je individueller das Gästeerlebnis, umso erfolgreicher ist auch die Individualität des Anbieters. So gelingt es Hotels am besten, sich auf dem umkämpften Markt um Gäste von ihren Mitbewerbern abzusetzen. Fehlt es an Felswand, Baumhaus und Co. können Hotels mit einer persönlichen Kundenansprache hervorstechen. Sei es ein Willkommensgeschenk, eine Grußbotschaft oder ein Menü: Im Fokus steht dabei stets die Frage „Was kann ich tun, um ein Erlebnis zu personalisieren?“ Ein zufriedener Kunde ist ein Multiplikator: Er wird positive Gästeerlebnisse mit anderen (digital) teilen und somit zum kostenlosen Markenbotschafter.
Das – auch zukünftig – erfolgreiche Hotel sollte also idealerweise auch zum Lifestyle seiner Gäste passen. Eine Spezialisierung muss damit kein karges Nischendasein fristen. Vielmehr ist sie Chance und Sprungbrett für eine Abhebung von der Masse. Es bleibt abzuwarten, welche Trends sich durchsetzen und Bestand haben werden. Doch jene Betriebe, welche die Bedürfnisse ihrer Kunden durch ein kluges Profiling erkennen und ihre Konzepte konsequent danach ausrichten, haben gute Chancen, auf dem Markt zu bestehen.
Bei Verbrauchern wächst das Bewusstsein für Regionalität, Herkunft und einen fairen Umgang mit der Umgebung. Auch Mitarbeiter wünschen sich vermehrt ein nachhaltiges und soziales Handeln ihres Arbeitgebers.
Es sind die vermeintlich kleinen Aspekte, die Strahlkraft für die Marke entfalten: Die Zusammenarbeit mit lokalen Designern und Handwerkern beim Hotelbau, die Verwendung regionaler Zutaten am Frühstücksbuffet und im Restaurant oder der Einsatz nachhaltiger Reinigungsmittel. Eine enge Verzahnung mit der lokalen Gemeinschaft fördert die Akzeptanz für den Tourismus. Es steigert die Wertschätzung der Mitarbeiter für ihren Arbeitgeber. Und es führt zu einer positiven Resonanz bei Gästen. Nicht zuletzt zeigt der Siegeszug kleiner Boutique Hotels auf dem Dorf, Almresorts, Heustadel und Co., wie sehr Touristen nach einer geerdeten Alternative zum klassischen Hotel suchen, das sich harmonisch in die Umgebung einbettet.
Insbesondere Nahrungsmittel sind heute ein enormer Identifikationsfaktor für eine Region aber auch für das Selbstverständnis von Gästen. „Du bist, was Du isst!“, avanciert zum Credo einer breiten Masse. „Spätzle mit Sauce“ hat als Angabe ausgedient. Ein Gast hat heute Freude daran, sich bis ins Detail mit seiner Mahlzeit auseinanderzusetzen. Hotels können diese Entwicklung für sich nutzen und daraus ein eigenes Storytelling entwickeln: Welche Alm produziert für uns den Käse? Was fressen die Rinder, die als Steak auf dem Teller landen? Und welche Kräuter
wachsen im hoteleigenen Garten? Aus diesen Aspekten lassen sich sehr lokale Erlebnisse entwickeln, die Gästen Genuss und ein positives Lebensgefühl vermitteln.
Welche Gäste kommen schon heute? Wer soll morgen kommen? Und wer soll lieber fernbleiben? Der Gast ist stets ein Mensch mit sehr differenzierten Bedürfnissen und (Reise-) Motiven. Betriebe, die den Blick für ihre Kunden schärfen, einen persönlichen Zugang nicht scheuen und ein klares Profil entwickeln, wofür sie stehen, haben gute Chancen am Markt zu bestehen.
Bei allen aktuellen Trends braucht es dabei auch stets Offenheit und Neugier für die Entwicklungen von morgen. Technologische Innovationen werden neue Türen aufstoßen und Angebote ermöglichen, die heute kaum vorstellbar sind. Vielleicht werden Speisekarten bald überflüssig, weil die Hotelküche über implantierte Chips schon früh die Vorlieben und Allergien der Gäste kennt. Womöglich empfehlen DNA-Analysen künftig die passende Spa-Anwendung. Und Connected-Room-Konzept passen Temperatur und Zimmerbeleuchtung an die Vorlieben der Gäste an. Intelligente Sensoren sorgen für einen erholsamen Schlaf, indem sie den Schlafzyklus erkennen, das Bett anpassen und so schmerzende Rücken vermeiden. Über Neurotechnologie werden Träume „bestellbar“. Und über Nanotechnologie lassen sich Form und Design von Zimmern individuell an den Gast anpassen. Klingt undenkbar? Das hätte man vor 50 Jahren über hochpreisige Fastenkuren in Hotels auch gesagt…um nur ein Beispiel zu nennen.