ieber Herr Raue, Sie sind nicht nur einer der bekanntesten Köche Deutschlands, sondern Ihr Restaurant zählt zu den besten weltweit. Warum ist Ihre Liebe zu Ihrer Leidenschaft, dem Kochen, auch nach vielen Jahren und Herausforderungen wie der Pandemie nach wie vor so groß? Was macht die Branche aus?
Ich koche, weil es mein Beruf ist, weil ich das ganz gut kann und weil ich meine Berufung grundsätzlich nicht in Frage stelle. Ich habe mich dazu entschieden diesen sozialen Job zu machen, weil ich gerne etwas für andere Menschen tue und es mich erfreut, ihnen eine temporäre Freude mit einem unserer Gerichte zu machen. Als Gastronom sollte man generös sein, mit vollen Händen geben und einschenken. Denn das Schönste im Leben ist es doch, das was man hat, mit anderen zu teilen.
Welche Rolle spielt für Ihren Erfolg ein gutes Team?
Das Team ist essenziell, um das jeweilige Konzept administrativ und operativ umzusetzen. Ich sehe mich als Teil dieses Teams, meine Aufgaben sind genau wie bei allen anderen klar definiert. Ich kreiere mit den jeweiligen Köchen die Gerichte und nehme sie final ab, ich nutze zudem meine Möglichkeiten in der Öffentlichkeit, um alle Restaurants und Projekte möglichst bekannt zu machen.
Wie schaffen Sie es, Ihr Team zu derartigen Höchstleistungen zu begeistern?
Die Begeisterung und der innere Antrieb müssen bei jedem vorhanden sein. Wie ein guter Trainer gebe ich ihnen eine Struktur für ihre Aufgabe mit. Vor allem stärke ich meine Führungskräfte und lasse sie eigenverantwortlich arbeiten – in dem Wissen, dass ich jederzeit bei Problemen für sie da bin, um mit ihnen Lösungen zu finden. Und ich stehe jederzeit an ihrer Seite, vertraue ihnen. Wenn ich korrigierend eingreife, dann unter vier Augen.
Das Gastgewerbe kämpft derzeit mit massiven Herausforderungen bei der Mitarbeitersuche. Worauf legen Mitarbeiter Ihrer Sicht nach heutzutage besonders großen Wert?
Die Frage ist nicht einfach zu beantworten, denn das was die Generation der 16 bis 25-jährigen öffentlich einfordert – Work-Life- Balance und eine Vier-Tage-Woche sowie ständige Auszeiten – das ist unternehmerisch nicht zu leisten. Ich habe auch noch keinen erfolgreichen Menschen kennengelernt, der vor allem in seinen jungen Jahren nicht richtig viel Zeit investiert hat. Mit sechs Stunden am Tag, an vier Tagen in der Woche kann man nichts Außergewöhnliches schaffen, das ist schlicht unmöglich. Das Einzige, was man in seinen jungen Jahren reichlich hat, ist Zeit. Und die sollte man nutzen, um sich Wissen anzueignen, in einem handwerklichen Beruf kann man das zu 30 Prozent in der Theorie – den Rest muss man sich mit praktischer Arbeit beibringen. Ich bin ein leistungsorientierter Mensch und suche nach Gleichgesinnten. Was ich den Mitarbeitern anbiete ist eine strahlende Zukunft, weil sie bei uns gefördert und gefordert werden, weil wir sie stetig weiterentwickeln und sie mit Wissen und Fachkenntnissen ausstatten.
Vor welche Herausforderungen stellt das die Unternehmer und wo ist vielleicht ein Umdenken gefragt?
Man muss immer am Puls der Zeit sein, aber nicht jeden Trend mitmachen.
Corona hat nicht nur die Sicht der Mitarbeitenden auf die Branche verändert, sondern auch die der Gäste. Worin sehen Sie hier die größte Veränderung?
Ich sehe diese Veränderung vor allem bei den deutschen Gästen zwischen vierzig und siebzig Jahren, die haben sich in der Pandemie viel besser ernährt und im Supermarkt sehr gute Lebensmittel eingekauft. Sie sind deutlich anspruchsvoller, wenn sie in ein Restaurant gehen, was die Lebensmittelqualität angeht, das stärkt die ordentlichen Gastronomien.
Wenn Sie selbst einmal als Gast unterwegs sind, worauf legen Sie besonders großen Wert?
Ich trinke meinen Rotwein am liebsten aus Zwiesel Gläsern der Enoteca Serie, und in meinem Lieblingsrestaurants habe ich jeweils einen Karton davon, damit ich mich nicht mit schlechten Gläsern rumärgern muss. Da ich um die ganze Welt reise und ständig essen gehe, bin ich grundsätzlich ein entspannter Gast. Wenn ich glücklich und zufrieden bin, lobe ich und hinterlasse ein saftiges Trinkgeld. Wenn mir etwas nicht schmeckt, es aber dem Stil des Hauses entspricht, dann spare ich mir Kommentare dazu und gehe einfach nicht wieder hin. Handwerkliche Fehler, wie ein übergartes Stück Fleisch, spreche ich freundlich an und bitte um ein erneutes Gericht mit dem bestellten Gargrad.
ZUR PERSON
Nach der Ausbildung von Tim Raue im Restaurant Chalet Suisse im Grunewald 1992 folgten Stationen im First Floor und mit 23 Jahren als Küchenchef im Restaurant Rosenbaum. 1998 ging er als Küchenchef zu den Kaiserstuben und wurde er zum Aufsteiger des Jahres (Der Feinschmecker) gewählt. 2002 wechselte er als Küchenchef zum Restaurant 44 im Berliner Swissôtel. 2007 kürte ihn der Gault-Millau zum Koch des Jahres. Seine Küche im 44 wurde mit einem Michelin-Stern und 18 Punkten im Gault-Millau ausgezeichnet. Ebenfalls 2008 wechselte er als Kulinarischer Direktor zu der zur Fundus-Gruppe gehörenden Adlon-Collection, die im Hotel Adlon fünf Restaurants betrieb. Im September 2010 eröffnete Raue Raue gemeinsam mit seiner Geschäftspartnerin Marie-Anne Wild in Berlin-Kreuzberg das Restaurant Tim Raue, dem 2012 vom Guide Michelin zwei Sterne verliehen wurden. 2012 erschien das Restaurant erstmals auf der „The World´s 50 Best Restaurants“ Liste. Inzwischen belegt es dort Platz 31 und ist damit das einzige deutsche Restaurant in den Top 50. Vom renommierten Gourmetführer Gault&Millau wurde Raue zum „Restaurateur des Jahres 2014“ausgezeichnet. Damit wird neben seiner Arbeit als Sternekoch auch seine Tätigkeit als Unternehmer ausgezeichnet. So sagt er selbst: „Mit dem Restaurant Tim Raue habe ich mir einen Lebenstraum erfüllt – meine anderen Projekte bedeuten für mich jedoch kulinarische Freiheit und die Möglichkeit, meine vielen Ideen mit Hilfe meiner Küchenchefs voll auszuleben.“ Zurzeit zeichnet er als Kulinarischer Berater für die Brasserie Colette Tim Raue in München, Konstanz und Berlin, für die Hanami by Tim Raue Restaurants auf Schiffen der TUI Mein Schiff Flotte sowie für die Villa Kellermann in Potsdam verantwortlich. Tim Raue ist außerdem Markenbotschafter der METRO.