Frau Aigner, wie schätzen Sie die Bedeutung des Gastgewerbes für Bayern ein?
Besonders leistungsstark sind unsere rund 40.000 gastgewerblichen Betriebe: Allein 2016 erwirtschafteten sie einen Umsatz von rund 15,8 Milliarden Euro. Das bayerische Gastgewerbe ist also mehr als ein Ausdruck bayerischer Lebensart, es ist von wichtiger regionalwirtschaftlicher, arbeitsmarkt- und gesellschaftspolitischer Bedeutung. Dessen ist sich die Bayerische Staatsregierung bewusst. Wir unterstützen die Branche deshalb seit Jahren auf vielfältige Weise: Im Rahmen der Regionalförderung stellen wir Mittel für wichtige Einzelprojekte bereit, bieten durch das bayerische Mittelstandskreditprogramm vergünstige Darlehen an und werben im In- und Ausland aktiv für Bayern als Urlaubs- und Reiseland.
Vor welchen Herausforderungen steht die Branche in der Zukunft?
Die Digitalisierung etwa bietet enorme Chancen, stellt Betriebe aber auch vor die Notwendigkeit, in neue Technologien und Möglichkeiten zu investieren. Wir haben deshalb das Förderprogramm Digitalbonus.Bayern aufgelegt, mit dem Unternehmen bei Investitionen in eine zukunftsfähige Soft- und Hardware unterstützt werden. Ein zentrales Thema auch im Gastgewerbe ist die Unternehmensnachfolge. Bayernweit und über alle Branchen verteilt ist bereits ein gutes Viertel aller Unternehmer älter als 55 Jahre, Tendenz steigend. Im Freistaat standen und stehen in den Jahren 2014 bis 2018 rund 24.000 Betriebe mit über 350.000 Arbeitsplätzen vor einem Generationswechsel. Darunter zahlreiche Betriebe des Gastgewerbes. Aus diesem Grund ist das Thema Unternehmensnachfolge ein zentraler Baustein bayerischer Wirtschafts- und Mittelstandspolitik. Zahlreiche Förderprogramme und Unterstützungsmaßnahmen des Bayerischen Wirtschaftsministeriums, der Kammern und anderer Einrichtungen begleiten den Nachfolgeprozess. Der Bund und das Land Bayern behandeln zudem Unternehmensnachfolger förderrechtlich wie Existenzgründer. Damit steht dem Übernehmer für die Finanzierung seines Einstiegs die gesamte Palette der Existenzgründerförderung zur Verfügung. Voraussetzung für den erfolgreichen Übergang sind vor allem frühzeitige und aktive Planung sowie die Einbindung von Experten. Das Bayerische Wirtschaftsministerium bietet daher eine entsprechende Coaching-Förderung für eine umfassende Beratung für potentielle Unternehmensnachfolger an. Wir müssen das Thema Unternehmensnachfolge jedoch noch stärker im Bewusstsein unseres Mittelstandes verankern. Deshalb habe ich kürzlich zusammen mit unseren Partnern aus der Wirtschaft eine Nachfolgeoffensive gestartet. Unter dem Motto „Offensive Unternehmensnachfolge.Bayern – Nachfolge planen, Erfolg sichern“ werben wir verstärkt für das breit gefächerte Unterstützungsangebot, und wir vernetzten und koordinieren die Akteure, Maßnahmen und Veranstaltungen noch effektiver. Grundlage für die Neuausrichtung sind die Ergebnisse einer Studie zum Nachfolgegeschehen in Bayern, die ich auf der Auftaktveranstaltung am 20. November dieses Jahres unserer Offensive vorgestellt habe. Ich bin zuversichtlich, dass wir mit dieser gemeinsamen Anstrengung Unternehmer für eine frühzeitige Nachfolgeplanung sensibilisieren können und die Aufmerksamkeit für dieses wichtige Thema erhöhen. Denn eine gelungene Unternehmensübergabe stellt nicht nur die Krönung einer erfolgreichen Unternehmerbiografie dar, sie sichert auch die Zukunft der entsprechenden Betriebe und Arbeitsplätze.
Gibt es neben der Nachfolgefrage weitere Hürden, die es zu meistern gilt?
Viele Unternehmer beschäftigt der steigende Fachkräftebedarf. Laut dem jüngsten IHK Fachkräftereport fehlen bereits in diesem Jahr über alle Wirtschaftsbereiche in Bayern hinweg rund 227.000 Fachkräfte; bis 2030 soll die Zahl auf über 400.000 steigen. Beim Nachwuchs sieht es ähnlich aus: Im laufenden Jahr konnten 12.000 Lehrstellen nicht besetzt werden. Daher unterstützt das Bayerische Wirtschaftsministerium die Fachkräftegewinnung mit zahlreichen regionalen und branchenspezifischen Initiativen: Allein im Zeitraum 2012 bis 2016 stellte das Bayerische Wirtschaftsministerium insgesamt Mittel in Höhe von rund 142 Millionen Euro für die Förderung der überbetrieblichen beruflichen Bildung im Bereich der bayerischen IHKs, HWKs sowie gemeinnütziger Bildungsträger bereit.
Welche weiteren Möglichkeiten gibt es, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken?
Wir haben gemeinsam mit den bayerischen IHKs und HWKs die Imagekampagne „Ausbildung macht Elternstolz“ gestartet um Eltern für Chancen und Möglichkeiten einer beruflichen Ausbildung für ihre Kinder zu sensibilisieren. Ab diesen Herbst führen wir die Kampagne um weitere zwei Jahre fort. Das Bayerische Wirtschaftsministerium bringt sich als Partner der „Allianz für starke Berufsbildung in Bayern“ mit der bayernweiten Woche der Aus- und Weiterbildung ein. Bereits Anfang 2016 fand auf Initiative des Wirtschaftsministeriums unter dem Dach der Allianz eine erste bayernweite Woche der Aus- und Weiterbildung statt. Rund 6.500 Schüler, junge Erwachsene und Eltern nutzten dabei das vielfältige Angebot, um sich über die Potenziale und Herausforderungen der Aus- und Weiterbildung in Bayern zu informieren und sich in Werkstätten einen ersten Eindruck von spannenden Berufsfeldern zu verschaffen. Darüber hinaus hat die Staatsregierung am 24. Juli 2017 gemeinsam mit den Partner der „Allianz für starke Berufsbildung in Bayern“ den „Pakt für Berufliche Bildung“ unterzeichnet. Dieser sieht neben einer Erhöhung des Meisterbonus von 1.000 auf 1.500 Euro ab 2018 unter anderem die Bereitstellung weiterer 10 Millionen Euro in 2018 für die Förderung der überbetrieblichen Bildungsstätten sowie die Unterstützung von Exzellenzzentren für berufliche Bildung und die Stärkung der Unterrichtsversorgung an den beruflichen Schulen vor. Gleichzeitig vertritt das Bayerische Wirtschaftsministerium den Freistaat im Rahmen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Fachkräftemangel im Hotel- und Gaststättengewerbe“, die aktuell nach der letzten Wirtschaftsministerkonferenz eingerichtet wurde.
Zum Abschluss: Was ist Ihrer Meinung nach das Besondere am bayerischen Gastgewerbe?
Das mittelständisch geprägte Gastgewerbe in Bayern zeichnet sich durch einen überdurchschnittliche Gründerdynamik, eine hohe Teilzeitquote und eine enorme Integrationsfähigkeit aus. Mit knapp 400.000 Beschäftigten und rund 10.000 Auszubildenden ist es zudem ein wichtiger Arbeitgeber und spielt gerade in strukturschwachen Gegenden eine oftmals existentielle Rolle für Wachstum und Wohlstand. Dieser Bedeutung bin ich mir als Wirtschafts- und Tourismusministerin voll bewusst. Daher ist es mir wichtig, optimale Rahmenbedingungen zu setzen und künftige Herausforderungen frühzeitig gemeinsam anzupacken. Denn das Gastgewerbe ist nicht nur Bayerns Visitenkarte für Gäste aus aller Welt. Das Gastgewerbe ist auch gelebte bayerische Tradition und Heimat.