sychologische Tricks bei der Speisenkartengestaltung
WENIGER IST MEHR
Zu viele Gerichte auf einer Speisekarte sind nicht nur ein Hinweis auf Fertigprodukte statt frischer Ware in der Küche. Sie können auch die Gäste in ihrer Entscheidung überfordern. Sieben Gerichte pro Rubrik – wie Vorspeisen, Hauptgerichte, Desserts – sind ideal, so der „Speisekarten-Ingenieur“ Gregg Rapp, der seit 36 Jahren Restaurants berät. Auch der Restaurantberater Aaron Allen plädiert für wenige Gerichte: Je größer ihre Zahl, so seine Argumentation, desto eher könne sich beim Gast das Gefühl einstellen, sich falsch entschieden zu haben – zum Stammgast werde man dann nicht.
DER PREIS IST HEISS
Viele Restaurants haben ein paar sehr teure Gerichte auf der Karte, beispielsweise Hummer oder große Filetsteaks. Selbst wenn diese wegen ihres Preises vielleicht nicht allzu oft bestellt werden, haben sie dennoch eine wichtige Funktion: alles andere auf der Speisekarte vergleichsweise günstig erscheinen zu lassen. Dieses Phänomen nennt man Ankereffekt – und er funktioniert sogar bei Menschen, die sich dagegen immun wähnen.
EIN ECHTER HINGUCKER
Speisen, an denen das Restaurant besonders gut verdient, sind auf klug gestalteten Karten auffällig präsentiert. Das kann zum Beispiel durch eine Platzierung oben rechts auf der Seite geschehen, wo sie leichter gesehen werden. Oft werden sie auch durch Kästen, Weißraum oder eine größere Schrift hervorgehoben. Auch Bilder von einzelnen Gerichten können deren Umsatz steigern. Vorausgesetzt, es sind nicht zu viele, und das Restaurant ist nicht zu fein – Fotos und Sterneküche vertragen sich nicht.
DIE MISCHUNG MACHT‘S
Die Wissenschaftler Michael L. Kasavana und Donald I. Smith, Autoren des Buches „Menu Engineering“, prägten in den 80er-Jahren eine Speisekartenaufteilung, die bis heute angewandt wird. Sie sagen, dass jedes Restaurant sogenannte Stars, Puzzles, Ackergäule und Hunde auf der Karte hat. Stars sind profitable Gerichte, die bei den Gästen beliebt sind und häufig bestellt werden. Puzzles sind Gerichte mit hohen Margen, die aber nur selten bestellt werden – wie etwa die Käseauswahl zum Nachtisch. Das Ziel einer optimalen Speisekarte muss also sein, die Puzzles zu Stars zu machen. Zum Beispiel durch blumige Beschreibungen oder eine Platzierung als erstes oder letztes Gericht in einer Rubrik – dann werden sie häufiger bestellt. Ackergäule sind hingegen beliebte Gerichte, an denen das Restaurant wenig verdient. Sie sind wichtig, um Gäste anzulocken, die dann hoffentlich noch etwas Rentableres dazubestellen. Hunde sind selten bestellte Gerichte, die noch dazu wenig Marge abwerfen. Sie können trotzdem wichtig sein, um eine bestimmte Klientel anzuziehen – ein Restaurant, das keine Kinderteller anbietet, kann möglicherweise Familien als Kundschaft verlieren.
HERZ STATT KOPF
Der US-Autor William Poundstone, der sich in seinem Buch „Priceless“ mit der Speisekarten-Psychologie befasst hat, rät Restaurantchefs, Folgendes zu bedenken: Stehen die Preise nicht übersichtlich in einer Spalte untereinander, sondern in mehrzeiligen Beschreibungen der Gerichte versteckt, fällt es dem Gast schwerer, auf die Schnelle nach den billigsten Gerichten zu suchen. Wer leicht vergleichen kann, so Poundstone, entscheidet sich eher rational – und das ist schlecht für das Geschäft. Gepunktete waagerechte Linien, die das Gericht mit dem Preis am rechten Seitenrand verbinden, seien deshalb hilfreich für den preisbewussten Gast, aber nicht unbedingt gut für den Wirt.
RICHTIG AUSHOLEN
Vor allem die profitablen Gerichte sollten auf einer Speisekarte möglichst ausführlich und detailliert beschrieben werden. Eine Studie der Cornell Universität in Ithaca, New York, kam zu dem Ergebnis, dass beispielsweise ein Nachtisch um 27 Prozent häufiger bestellt wurde, wenn er als New York Style Cheesecake mit Godiva Schokoladensauce verkauft wurde statt nur als Cheesecake. Beschreibungen, die Emotionen wecken – seien es sonnengetrocknete Tomaten oder ein altes Familienrezept –, funktionieren ebenfalls sehr gut und lassen den sorglosen Genießer über den rationalen Rechner triumphieren.
MUT ZUR LÜCKE
Wortkarg darf es bei den Preisen zugehen. Kluge Restaurantbesitzer lassen auf der Speisekarte die Währungsangabe weg, damit der Gast weniger über das Geld nachdenkt, das er im Begriff ist auszugeben. Oder sie verzichten gleich ganz auf eine Preisangabe, wie auf manchen handschriftlichen Tagesgericht-Tafeln oder den persönlichen Empfehlungen des Kellners. Wer will sich schon den raffinierten und butterzarten Loup de Mer in Himalaya-Salzkruste von einem schnöden „28 Euro“ vermiesen lassen? Bei ausgeschriebenen Preisen – also achtundzwanzig Euro – gehen die Theorien auseinander: Während einige Psychologen davon ausgehen, dass auch diese Schreibweise für leichtfertigere Bestellungen sorgt, konnte eine Studie der Cornell Universität diese These nicht bestätigen.