ie Kernaufgabe der künftigen Bundesregierung wird es sein, die Nachwirkungen der Corona-Pandemie so schnell wie möglich zu meistern. Die Zukunftssicherung der gastwirtschaftlichen und touristischen Betriebe ist dabei aus wirtschaftlichen, soziostrukturellen und kulturellen Gründen ein wesentliches Element. Nur dadurch kann die Grundlage geschaffen werden, damit das Gastgewerbe an die Vor-Corona-Jahre anknüpfen, Investitionen tätigen und Arbeitsplätze schaffen kann. Nach neun Monaten des Lockdowns und damit verbundenen herben Verlusten muss die Politik nun die Grundlagen schaffen, damit die Gastronomie und Hotellerie dauerhaft geöffnet bleiben können.
WETTBEWERBSFÄHIGKEIT UND ERTRAGSKRAFT DER BRANCHE STÄRKEN
Die Reduzierung der Mehrwertsteuer für Speisen in Restaurants ab 1. Juli 2020 bis 31. Dezember 2022 ist essenziell. Die Mehrwertsteuersenkung hilft den Unternehmern, die Folgen der Pandemie aus eigener Kraft besser zu bewältigen. Die Maßnahme stellt zudem die überfällige steuerliche Gleichbehandlung von Essen dar, egal wo und wie es verzehrt wird. Im Interesse eines fairen Wettbewerbs und zur Stärkung der Ertragskraft klassischer Restaurants sollten alle Speisen unabhängig vom Ort der Zubereitung und des Verzehrs dauerhaft gleichbehandelt werden.
Die positiven Effekte der Mehrwertsteuersenkung kamen bislang allerdings nur in den wenigen Monaten der Öffnung zum Tragen. Auch die im Zuge des Infektionsschutzes vorgeschriebenen Abstandsregelungen und damit verbundene Kapazitätsbegrenzungen schmälerten den Mehrwert für gastronomische Betriebe. Dadurch konnten lediglich Betriebe mit relevanten Speisenumsätzen durch die befristete Neuregelung profitieren. Darum ist es eine Kernforderung des DEHOGA, die Mehrwertsteuersenkung zu entfristen sowie die Einbeziehung der Getränke und der Eintrittsgelder für Clubs und Discotheken auf die politische Agenda zu setzen.
BETRIEBE BEI STEUERN UND ABGABEN ENTLASTEN
Das Gastgewerbe gehört zu den von der Corona-Krise hauptbetroffenen Branchen. Hotels und Restaurants haben 2020 und 2021 Verluste in historischem Ausmaß hinnehmen müssen. Auch nach der Wiedereröffnung sind die Betriebe von Normalumsätzen noch weit entfernt. Viele werden auf nicht absehbare Zeit weitere erhebliche Verluste erleiden. Steuererhöhungen und neue Belastungen sind fehl am Platz. Der DEHOGA Bayern setzt sich daher engagiert für eine Ausweitung des Zeitkorridors sowie des Volumens für den steuerlichen Verlustrücktrag ein. Gleiches gilt für die dauerhafte Erweiterung der Sofortabschreibungsmöglichkeiten, insbesondere für Investitionen in Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Zudem muss die Unternehmenssteuer reformiert werden, indem die steuerliche Belastung auf ein international wettbewerbsfähiges Niveau von 25 Prozent gesenkt und der Spitzensteuersatz nicht angehoben wird. Auch eine Vermögenssteuer schadet dem Wirtschaftsstandort Deutschland.
BESCHÄFTIGUNG UND AUSBILDUNG SICHERN UND STÄRKEN
Bereits vor der Corona-Krise war der Arbeits- und Fachkräftemangel in der gastgewerblichen Branche deutlich zu spüren. Die Sicherung des Arbeitskräftebedarfs ist und bleibt daher auch in Zukunft eine der drängendsten Herausforderungen. Die Betriebe wollen Arbeitsplätze schaffen und sichere, attraktive Perspektiven bieten.
Ein zentrales Element stellt hier unter anderem die Ausbildung in den eigenen Betrieben dar. Daher spricht sich der DEHOGA für eine Reduzierung beschäftigungsfeindlicher Reglementierungen sowie eine Stärkung der dualen Ausbildung aus. Ein weiteres Instrument, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, ist die gezielte, gesteuerte und am Bedarf der Wirtschaft in Deutschland orientierte Zuwanderung. Das im März 2020 in Kraft getretene Fachkräfteeinwanderungsgesetz hat dafür wichtige Weichen gestellt.
Um die Fachkräftezuwanderung optimal zu gestalten, müssen die Entscheidungsprozesse beschleunigt und effizienter gestaltet werden.
Für personalintensive Branchen wie das Gastgewerbe sind die Sozialversicherungsbeiträge ein gewichtiger Kostenfaktor. Je höher die Beitragssätze sind, desto stärker sind die Unternehmen der Hotellerie und Gastronomie im Wettbewerb benachteiligt. Höhere Sozialabgaben führen nicht zu positiven Arbeitsmarkteffekten. Stabile Sozialabgaben dagegen schaffen Impulse für Beschäftigung, sichern den Beschäftigten mehr Netto vom Brutto und tragen zur Generationengerechtigkeit bei. Im Interesse der Beschäftigten sowie der Arbeitgeber ist es deshalb von zentraler Bedeutung, den Gesamtsozialversicherungsbeitrag stabil auf unter 40 Prozent zu halten.
Auch Minijobs sind im Gastgewerbe unverzichtbar. Sie sorgen für Flexibilität und sichern mittelbar die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Um einer weiteren Aushöhlung und Entwertung der Minijobs entgegenzuwirken, erwartet der DEHOGA die dynamische Erhöhung der Verdienstgrenze in Form einer automatischen Koppelung an die Entwicklung des gesetzlichen Mindestlohnes. Zur Erhaltung der Flexibilität sollten auch Befristungen einfach und rechtssicher bleiben. Mit einer Umstellung von einer täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit könnten Arbeitszeiten im Sinne der Mitarbeiter und Gäste flexibler und individueller auf die Woche verteilt werden. Ein Rechtsanspruch auf Homeoffice benachteiligt klassische Dienstleistungsbranchen und wird vom DEHOGA abgelehnt. Die Tarifautonomie sollte erhalten bleiben. Kontraproduktiv wären hingegen staatliche Eingriffe durch Tariftreuegesetze oder eine weitere Absenkung von Hürden für Allgemeinverbindlicherklärungen von Tarifverträgen.
BÜROKRATIEABBAU BESCHLEUNIGEN
Bürokratische Vorgaben belasten die zumeist kleinen und mittleren gastgewerblichen Unternehmen schwer. Die Summe der Dokumentationspflichten ist in den letzten Jahren immer weiter gestiegen. Die jährliche Bürokratiebelastung typischer Unternehmen der Branche beträgt zwischen 12.000 und 60.000 Euro. Dadurch leidet das gastronomische Kerngeschäft und Investitionen werden gehemmt. Konsequenter Bürokratieabbau ist und bleibt einer der dringlichsten Aufträge an die neue Bundesregierung. Der DEHOGA fordert, den gesamten Erfüllungsaufwand der Unternehmen in besonders belastenden Regelungsbereichen wie dem Arbeits-, Steuer-, Hygiene- und Umweltrecht substanziell zu reduzieren und an die unternehmerische Praxis anzupassen.
Mit Blick auf Brüssel wäre die Einführung eines europäischen Normenkontrollrats zielführend. Um überflüssige bürokratische Hürden zu vermeiden, ist ein Praxis-Check bei neuen Gesetzen denkbar. Das heißt, Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften sollten unter Einbeziehung der Wirtschaft auf deren Umsetzbarkeit, Lebensnähe, Sinnhaftigkeit und ihren Erfüllungsaufwand geprüft werden, bevor sie in Kraft treten.
VERBRAUCHERSCHUTZ ZIELFÜHREND UND RECHTSKONFORM GESTALTEN
Eine gute Hygienepraxis ist elementarer Bestandteil der Gastfreundschaft. Die Wünsche der Gäste stehen im Mittelpunkt aller Handlungen und Überlegungen der gastgewerblichen Unternehmer. Bei gravierenden Verstößen gegen die zu Recht strengen Hygienevorschriften gibt es ausreichende und auch scharfe Sanktionsmöglichkeiten. Der DEHOGA spricht sich seit Jahren gegen immer wieder aufkommende Forderungen nach der Einführung von staatlichen Bewertungssystemen für die Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelkontrolle aus. Abgelehnt werden in diesem Zusammenhang Ampeln, Smileys, Kontrollbarometer und ähnliche „Transparenzsysteme“. Aus Sicht des Verbands ist es nicht nachvollziehbar, dass staatliche Veröffentlichungen gemäß § 40 Abs. 1a des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) einerseits zu Recht nur unter engen rechtlichen Voraussetzungen, hohen Hürden und mit einer zeitlichen Befristung erfolgen dürfen und andererseits seitens der Politik nichts unternommen wird, um die völlig unregulierte Bereitstellung von tausenden behördlichen Hygienekontrollberichten auf der Plattform „Topf Secret“ zu unterbinden.
DIGITALISIERUNG VORANTREIBEN UND FÜR FAIREN WETTBEWERB SORGEN
Der digitale Wandel ist in vollem Gange. Innovative Technologien wie Online-Reservierungs- und Lieferplattformen, softwaregestützte Bezahlsysteme oder Recruiting-Apps eröffnen den Betrieben neue Vermarktungsmöglichkeiten und Handlungsspielräume. Für die Zukunft werden verbesserte digitale Prozesse und Strukturen dringend benötigt. Um das Potenzial ländlicher Arbeits- und Lebensräume auszuschöpfen, erwartet das Gastgewerbe von der Politik umfassende Investitionen in eine leistungsfähige Infrastruktur. Klein- und Mittelstädte sowie der ländliche Raum liegen im Bereich der Digitalisierung deutlich zurück. Eine Beschleunigung des Breitband- und Glasfaserausbaus und die Schaffung der Voraussetzungen für funkbasierte Netze der nächsten Generation (5G) sind wichtige politische Ziele.
Die Politik steht aber in Bezug auf die Verlagerung von Marktpotenzialen hin zu großen, international tätigen Plattformbetreibern in der Verantwortung für ein „level playing field“ zu sorgen. Die gleiche Kernforderung gilt auch für gastronomische „Sharing“-Angebote. Die künftige Bundesregierung ist daher aufgerufen, einen Ordnungsrahmen für die Plattformökonomie zu gestalten, der Zukunftschancen eröffnet, jedoch monopolistische Strukturen verhindert.
ENERGIE- UND KLIMAPOLITIK PRAXISUND KOSTENVERTRÄGLICH GESTALTEN
Der Tourismus und mit ihm das Gastgewerbe sind ganz besonders auf nachhaltiges Wirtschaften und eine intakte Umwelt angewiesen. Dem Umwelt- und Klimaschutz wird daher in der Gastronomie und Hotellerie eine hohe Bedeutung zugemessen. Die gastgewerblichen Unternehmer sind für alle Aspekte des Klimawandels sensibilisiert. Bereits frühzeitig hat der DEHOGA die besondere Verantwortung der Branche erkannt und unterstützt seine Mitglieder bei allen Fragen rund um eine ressourcenschonende Betriebsführung. Das oberste Ziel der Energie- und Klimapolitik muss es sein, eine möglichst sichere und klimaschutzverträgliche, aber zugleich auch finanzierbare Energieversorgung sicherzustellen. Gerade mittelständische Unternehmen werden hier derzeit über Gebühr belastet. Wichtig ist, dass Kosten und Aufwand bei Neuregelungen praxisverträglich gestaltet werden.
Ein Anstieg der Energiekosten muss auch nach der Einführung der Kohlendioxid-Bepreisung wirksam und dauerhaft gebremst werden. Mehrbelastungen der Unternehmen sind zum Beispiel durch die Abschaffung der EEG-Umlage oder die Senkung der Stromsteuer zu kompensieren. Die Kohlendioxid-Bepreisung sollte auf ein ökonomisch verträgliches Maß gedeckelt werden.
TOURISMUSWIRTSCHAFT STÄRKEN UND PLANUNGSSICHERHEIT SCHAFFEN
Der Tourismussektor in Deutschland beschäftigt fast 3 Millionen Arbeitnehmer und erwirtschaftet einen Jahresumsatz in Höhe von 290 Milliarden Euro. Das entspricht einem Anteil in Höhe von 3,9 Prozent der bundesweiten Bruttowertschöpfung. Jeder 15. Arbeitsplatz in Deutschland findet sich in der Tourismusbranche. Um der großen Bedeutung des Tourismus als Leit- und Zukunftsbranche gerecht zu werden, regt der DEHOGA die künftige Bundesregierung dazu an, eine zentrale Anlaufstelle für die Belange der Tourismuswirtschaft einzurichten. Die könnte beispielsweise bei einem Parlamentarischen Staatssekretär der Fall sein, der die Interessen der Branche bündelt und auf politischer Ebene vertritt.