RAU STAATSMINISTERIN KANIBER, WAS BEDEUTET FÜR SIE GENUSS?
Genuss ist für mich die Kombination aus heimischen Produkten, ausgezeichneter Küche, herzlichen Menschen und beeindruckenden Landschaften. Dazu tragen vor allem unsere Wirte und Genusshandwerker bei, die es verstehen, lokalen Besonderheiten durch handwerkliches Können und mit hervorragenden Rohstoffen einen besonderen Charakter zu verleihen.
WO IN BAYERN GENIESSEN SIE AM LIEBSTEN?
Als Ministerin bin ich in ganz Bayern unterwegs. Da habe ich die unglaubliche Vielfalt, die Bayerns Regionen an kulinarischen Genüssen bieten, kennen und lieben gelernt. In jeder Region gibt es ganz unverwechselbare Spezialitäten. Ich kann nur jedem empfehlen, diese Schätze für sich zu entdecken. Aber ich genieße natürlich auch ein gemütliches Essen mit meiner Familie und Freunden zu Hause im Berchtesgadener Land.
WIE FINDET MAN IN EINEM VON SORGEN GEPRÄGTEN JAHR ÜBERHAUPT DIE ZEIT ZUM GENIESSEN?
Ein bewusster Genuss ist wichtig. Wer genießen kann, kann sich für einen kurzen Moment aus den Sorgen und Herausforderungen des Alltags herausnehmen. Das gibt Halt und Sicherheit, daher ist es in schwierigen Zeiten vielleicht umso wichtiger. Man muss es schaffen, kleine Genussinseln in den Tages- oder zumindest in den Wochenablauf einzubauen. Beispielsweise öfters in ein Wirtshaus gehen und sich dort verwöhnen lassen.
MIT WELCHEN HERAUSFORDERUNGEN SEHEN SIE DAS GENUSSLAND BAYERN AUS IHRER SICHT ALS ERNÄHRUNGS- UND LANDWIRTSCHAFTSMINISTERIN DERZEIT KONFRONTIERT?
Eine besondere Herausforderung ist natürlich die Corona-Krise und ihre Auswirkungen auf alle Bereiche. Wenn den Gastwirten die Gäste und die Umsätze fehlen, leiden natürlich auch die Produzenten und die gesamte Wertschöpfungskette. Insofern ist diese Herausforderung derzeit zentral. Ansonsten ist es weiterhin unser Ziel, möglichst viele Menschen für unsere einzigartigen bayerischen Spezialitäten zu begeistern.
WIE STEHEN SIE ZU DER IDEE, ZU REGIONALEREN LEBENSMITTELKREISLÄUFEN ZURÜCKKEHREN? AUCH ANGESICHTS DER VORFÄLLE IN DER FLEISCHINDUSTRIE IN NORDRHEIN-WESTFALEN.
Die Situation bei Tönnies hat uns gezeigt, welche Risiken sehr große, zentrale Schlachtbetriebe bergen. Dezentrale Strukturen geben hingegen mehr Stabilität und sichern die regionale Versorgung. Ich möchte daher eine noch engere Verknüpfung zwischen Landwirtschaft und Gastronomie erreichen. Auf regionale Produkte umzustellen heißt, auf das „Naheliegende“ zu bauen. Bei der Suche nach passenden Lieferanten aus der Region unterstützen wir die Gastronomen mit der Plattform „Wirt sucht Bauer“.
WO MÜSSEN POLITIK UND BAYERISCHES GASTGEWERBE IHRER MEINUNG NACH IN ENGEM AUSTAUSCH STEHEN?
Der enge und regelmäßige Austausch mit allen gesellschaftlichen Gruppen und Branchen ist der Staatsregierung extrem wichtig. Sie hört immer genau hin, um zu wissen, wo der Schuh drückt und wo sie unterstützend eingreifen kann. Die aktuelle Mehrwertsteuer-Senkung zum Beispiel, die auch dem Gastgewerbe zugutekommt, geht maßgeblich auf unseren Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder zurück. Der Freistaat verfolgt ja viele Ansätze, die Wirtshäuer voranzubringen. Paradebeispiel ist die Klassifizierung „Ausgezeichnete Bayerische Küche“. Mit den „Lokal-Helden“ haben wir beispielsweise in der Corona-Krise eine Plattform geschaffen, um das Angebot von Gastronomen zu bündeln, die ihre Speisen zum Mitnehmen anbieten oder nach Hause liefern.
FRAU KANIBER, MAN NENNT SIE AUCH DIE „BAUERNFLÜSTERIN“. WIE SCHAFFT MAN ES, DEN RICHTIGEN TON ZU TREFFEN?
Ich bin ja aus einer Gastwirtsfamilie und habe schon früh in der elterlichen Wirtschaft mithelfen müssen. Dabei habe ich nicht nur gelernt, wie man mit den verschiedensten Menschen umgeht, sondern auch wie wichtig Dienstleitung ist. Das prägt einen. Auch als Ministerin sehe ich mich als Dienstleisterin. Bäuerinnen und Bauern reden sehr offen, ehrlich, ohne Schnörkel und kommen gleich zum Kern des Anliegens. Das gefällt mir. Sie schätzen es auch, wenn man ihnen offen und ehrlich antwortet. Man braucht dabei natürlich auch ein Gespür für das Thema und das atmosphärische Umfeld. Und man muss die Fakten kennen.
IN IHRER POSITION STOSSEN SIE SICHERLICH AUCH OFT AUF GEGENWIND. WIE GEHEN SIE MIT KRITIK UM?
Politik zu machen, die dem Gemeinwohl dient, ist nicht immer eine Wohlfühlveranstaltung. Denn es gibt immer andere Ansichten, Ziele und auch Einzelinteressen. Solange Kritik offen und konstruktiv ist, kann ich damit gut umgehen. Was mich ärgert ist, wenn Gesprächspartner die Fakten ignorieren oder bewusst verdrehen oder wenn sich jemand nicht an Vereinbarungen hält.
WAS WÜNSCHEN SIE SICH FÜR DIE ZUKUNFT VON BAYERN?
Die Corona-Krise hat uns vor Augen geführt, dass die Versorgung mit heimischen Lebensmitteln für die Gesellschaft einen sehr hohen Stellenwert hat. Sie ist viel wichtiger, als wir das zuvor in unserem Alltag beachtet haben. Ich wünsche mir, dass dieser Respekt vor den hochwertigen Nahrungsmitteln aus der Region auch nach Corona anhält. Dieses Verständnis zu verstetigen und die Bereitschaft, etwas mehr für qualitätsvolle Lebensmittel auszugeben, das möchte ich gerne erreichen.
ZUR PERSON
Die gelernte Steuerfachangestellte begann ihre politische Karriere als Beisitzerin im CSU-Ortsverband Bayerisch Gmain. Nach unterschiedlichen Positionen als stellvertretende Vorsitzende und Vorsitzende des Ortsverbands avancierte sie zur Kreisvorsitzenden der CSU im Berchtesgadener Land. Im Jahr 2008 wurde sie Gemeinderätin, seit 2013 ist Michaela Kaniber Landtagsabgeordnete. Nach 5-jähriger Tätigkeit im Ausschuss für Arbeit und Soziales, Jugend, Familie und Integration sowie im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst wurde sie 2018 zur Staatsministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ernannt.