IEBER CHRISTIAN, DU HAST MIT WOLFGANG BOSBACH DEN NEUEN PODCAST „RACH UND BOSBACH – DIE WOCHENTESTER“ GESTARTET. WIE WICHTIG IST ES DIR, SICH IMMER WIEDER NEU ZU ERFINDEN?
Wir sollten alle nicht stehen bleiben. Wenn man ein Interesse daran hat, sich persönlich stehts weiterzuentwickeln, ist es das Salz in der Suppe. Wolfgang Bosbach und ich haben uns vor langer Zeit kennengelernt und waren uns sehr sympathisch. Da wir uns beide gerne einmischen, entstand schnell die Idee für einen gemeinsamen Podcast. Wir haben ein kleines, sehr professionelles Redaktionsteam und viel Spaß.
IM GASTGEWERBE ARBEITEN VIELE EINFALLSREICHE KÖPFE. DIE KREATIVEN IM ALLGEMEINEN TRIFFT DIE KRISE SEHR HART. WAS WÜRDEST DU DIR FÜR DIE BRANCHE WÜNSCHEN?
Dass es endlich wieder losgehen kann mit sozialen Kontakten, denn dann ist auch das Ausgehen wieder möglich. Ich wünsche mir sehr, dass der Lockdown absehbar ist. Ich mahne jedoch auch vor der Gefahr; zu früh zu lockern. Dann haben wir in vier Wochen den ganzen Schlamassel von vorne. Das will keiner und kann auch keiner mehr wirtschaftlich überleben. Laut Umfragen haben 75 Prozent aller Gastronomen größte Zukunftssorgen – wie viele andere Branchen auch. Ich hoffe, dass diejenigen die überleben, die Zeit nutzen, um sich selbst neu zu erfinden.
IM RAHMEN DEINER ZAHLREICHEN TÄTIGKEITEN KOMMST DU VIEL HERUM. WELCHE KONZEPTE SIND DIR AUFGEFALLEN, VON DENEN AUCH ANDERE KOLLEGEN LERNEN KÖNNEN?
Das ist schwierig pauschal zu beantworten, denn ein Konzept ist sehr individuell. Es gibt nicht das eine goldene Rezept. Es gibt jedoch vier nützliche und hilfreiche W-Fragen. „Was kann ich wirklich?“ Wenn ich weiß, was meine Stärken sind, dann eröffnet sich die zweite Frage: „Was will ich damit machen?“ Die dritte Frage ist die Standortfrage: „Wo will ich das machen, was ich kann?“ Was kann ich gegebenenfalls an meinem Standort verbessern? Wenn es an einem Standort nur mäßig lief, ist jetzt der richtige Zeitpunkt, diesen zu überdenken. Es wird viel Leerstand geben, der genutzt werden kann. Es muss auch gar nicht zwangsläufig die Münchner Innenstadt oder der Tegernsee sein. Das „Wo“ ist immer abhängig von dem, was ich anbiete. Das muss zusammenpassen. Ich warne stets davor, zu viel Miete auszugeben. Die Pacht sollte 5 bis 10 Prozent der Nettoeinnahmen entsprechen. Zahlt man also 10.000 Euro Miete, so muss man 100.000 Nettoumsatz machen, das ist schon eine Hausnummer. Es geht also nicht um die 1A-Lage, sondern um die passende Lage. Manchmal ist ein kleines Stadtviertel die bessere Wahl. Nach der Standort-Frage folgt schließlich die vierte Frage: „Mit wem gelange ich an mein Ziel?“ Wenn ich meine Schwächen kenne, weiß ich welche Kompetenz ich an meiner Seite brauche. Bin ich der beste Koch, brauche ich beispielsweise jemanden, der gut mit Zahlen umgehen kann und mich in dieser Hinsicht berät und unterstützt.
DEINE RESTAURANTS HATTEN IMMER AUCH AUSGEFALLENE, DURCHDACHTE NAMEN. WIE WICHTIG IST DIE INSZENIERUNG EINES RESTAURANTS ÜBER DEN NAMEN?
Für den Anfang ist das vielleicht ein Thema, für das Bestehende ist der Name nicht so wichtig, wie man meint. Es kommt lediglich auf den Inhalt und die Außendarstellung an. Mit den heutigen Möglichkeiten von Social Media hat man völlig neue Werbeplattformen. Dafür brauchen wir jedoch digitale Mitarbeiter. Außendarstellung ist eine Tätigkeit, die man nicht einfach nebenbei erledigen kann. Oft kommt sie daher viel zu kurz.
LASS UNS EINEN KLEINEN BLICK IN DIE ZUKUNFT WERFEN: GLAUBST DU, DIE SITUATION WIRD SICH IM LAUFE DES JAHRES ANDERS DARSTELLEN ALS IM VERGANGENEN JAHR? SIEHST DU EINE ÖFFNUNGSPERSPEKTIVE GEGEN SOMMER BEZIEHUNGSWEISE HERBST?
Das ist jetzt noch spekulativ. Die Öffnung muss kommen. Das Wasser steht allen bis zum Hals. Ich sehe ein kolossales Versagen der Politik im Punkt Verwaltung. Die Absichten waren gut, das muss man anerkennen. Aber wenn die Hilfen 75 Prozent des Umsatzes von November 2019 entsprechen sollten, müsste es prinzipiell durch die Digitalisierung ja sehr einfach sein, eine Summe beim Finanzamt zu ermitteln und es müsste doch folglich eine Sofortauszahlung möglich sein. Aber die Verwaltung wurde da von dem Wirtschafts- und Finanzministerium komplett im Stich gelassen. Die Auszahlungen kommen nur schleppend und das bricht vielen Unternehmern in verschiedenen Branchen zurzeit das Genick. Eine weitere effektive Hilfe wäre es außerdem, die Mehrwertsteuer für Gastronomen weiterhin bei 7 Prozent zu belassen.*
WORAUF FREUST DU DICH IN DIESEM JAHR?
Menschen zu umarmen, ohne ein schlechtes Gewissen oder das Gefühl zu haben, etwas falsch zu machen – und Geld bei Kollegen auszugeben (lacht).
Das Interview führte Karolina Wojdyla
ZUR PERSON
Christian Rach ist ein deutscher Fernseh- und Sternekoch. Eigentlich studierte er Philosophie und Mathematik. Während seiner Nebenjobs zu Studentenzeiten entdeckte er seine Leidenschaft für das Kochen. Gelernt hat er daraufhin in Frankreich und Österreich. Nach seinem Job als Souschef im Korso (Wien) zog es Rach nach Hamburg zurück, wo er auch seine Studentenzeit verbrachte. Er führte zahlreiche eigene und namenhafte Restaurants, darunter das Tafelhaus, das Engel und Rach & Ritchy. Sein Restaurant Tafelhaus erhielt ab 1991 einen Michelin-Stern. Im Fernsehen startete er 2005 mit Teufels Küche durch und erlang schließlich mit dem Format Rach der Restauranttester große Bekanntheit. 2019 war er Mitglied bei der Neuauflage der VOX-Kochshow Grill den Henssler. Auch brachte Rach bereits fünf eigene Kochbücher heraus.
*Das Interview wurde Ende Januar 2021 und damit vor der Verlängerung der Mehrwertsteuersenkung geführt.