rau von Kretschmann, wir gratulieren Ihnen herzlich zur Auszeichnung Hotelière des Jahres 2022! Alle, die wir kennen, sagen: Absolut verdiente, ja überfällige Auszeichnung. Doch alle Titel helfen nichts, sich dennoch mit der Realität auseinandersetzen zu müssen. Hand aufs Herz: Was machen Sie, um genügend Mitarbeiter zu finden?
Vielen Dank für die Glückwünsche und die Wertschätzung. Die Verleihung war und ist wirklich etwas ganz Besonderes und immer noch überwältigend. Ich habe die Auszeichnung nur stellvertretend für meine Eltern und unsere wunderbaren Kollegen entgegengenommen. So ein Preis ist nur als Team zu gewinnen. Es ist schön zu sehen, dass der Weg, den wir eingeschlagen haben, sowie unsere empathische und werteorientierte Führung eine solche Resonanz erfahren und mit dem Hotelier des Jahres jetzt gekrönt wurden. Unsere zutiefst menschenfreundliche Unternehmens- und Führungsphilosophie ist es übrigens auch, die uns hilft, ausreichend Kolleginnen und Kollegen in der angespannten Fachkräftesituation zu finden und diese zu halten. Die Mitarbeitenden stehen bei uns an erster Stelle, noch vor dem Gast und weit vor dem Unternehmen und sie gehören zum erweiterten Kreis der Familie. Wir versuchen in der Führung aus großer Überzeugung Rahmenbedingungen zu schaffen, dass unsere Teamkollegen und -kolleginnen ihr ganzes Potenzial entfalten und sie dadurch wachsen können. Und dass es ihnen bei uns gut geht. Diese Haltung übt offensichtlich eine hohe Anziehungs- und Bindungskraft aus.
Was wünschen sich Mitarbeitende heute aus Ihrer Sicht?
Die Anforderungen an die Attraktivität von Arbeitsplätzen haben sich aus meiner Sicht grundsätzlich geändert. Frühere Generationen konnte man vielfach noch mit Karriereperspektiven locken und zum Beispiel mit Firmenfahrzeugen, hohen Gehältern und Beförderungen motivieren. Heutzutage wollen viele junge Menschen tendenziell eine ausgewogene Balance zwischen Arbeits- und Privatleben, eine Aufgabe, die ihnen sinnvoll erscheint, ein nachhaltiges Agieren des Unternehmens und eine gewisse Gemeinwohlorientierung der Unternehmung. Zielführende Ansätze wie beispielsweise die Vier- Tage-Woche und flexible Arbeitszeitmodelle, welche das Private und Berufliche besser in Übereinstimmung bringen und angemessene Gehälter, von denen man gut leben kann, sind dabei wichtige Grundvoraussetzungen. Entscheidend ist meiner Ansicht nach aber vielmehr eine kooperative, empathische und werteorientierte Unternehmens-, Führungs- und Kommunikationskultur, die durchgängig, authentisch und überzeugend gelebt wird.
Neben dem Arbeitskräftemangel belasten derzeit die Unsicherheit bezüglich der Gasversorgung sowie enorm steigende Energiepreise das Gastgewerbe. Wie gehen Sie damit um und welche Maßnahmen haben Sie schon eingeleitet?
Wir haben nur einen sehr geringen Teil Gas in unserem Energiemix. Der Hauptenergiebedarf wird bei uns über Fernwärme abgedeckt. Ich weiß aber, dass es in der Branche auch Befürchtungen gibt, dass es im Herbst und Winter zu einem teilweisen Gas- beziehungsweise Energie-Lockdown kommt. Hier erwartet die Hotellerie von der Politik, dass Vorkehrungen für eine sichere und finanzierbare Energieversorgung getroffen werden. Erneute Beschränkungen und Schließungen werden viele Betreiber nicht mehr überleben. Die stark steigenden Preise werden auch uns vor große ökonomische Herausforderungen stellen. Konkret versuchen wir, so gut es geht Energie zu sparen, wir überprüfen alle Kostenblöcke systematisch in Bezug auf Optimierungsmöglichkeiten und wir kompensieren so gut es geht die steigenden Kosten, die auch in allen anderen Bereichen wie bei den Lebensmitteln, der Wäsche und so weiter regelrecht explodieren, durch entsprechende Preissteigerungen bei unseren Leistungen.
Trotz aller Krisen und Herausforderungen: Warum lieben Sie Ihren Beruf?
Wer ein warum im Leben hat, erträgt fast jedes wie, hat Nietzsche so schön gesagt. Wir verfolgen im Europäischen Hof einen höheren Sinn. Unsere Vision ist es, das herzlichste 5-Sterne-Stadthotel Deutschlands zu werden und einen Ort zu schaffen, an dem Menschen glückliche Momente erleben. Und das beginnt für uns in der Geschäftsführung bei den Mitarbeitenden. Wenn Sie erkannt haben, dass das Geheimnis des Glücks nicht im Besitz liegt, sondern im Geben und Sie selbst glücklich werden, wenn Sie andere glücklich machen, dann stehen die Chancen gut, dass Sie in der Hotellerie glücklich werden. Als Mitarbeitender, der den Gästen glückliche Momente bereitet und in der besten Form würdig dient und genauso als Führungskraft, die dem Mitarbeitenden dient. Ich liebe es, Mitarbeitenden und Gästen zu dienen und sie in meinen Möglichkeiten glücklich zu machen. Daher liebe ich meinen Beruf. Zudem liebe ich die Emotionalität des Produkts, die Komplexität der Aufgabe, die Abwechslung und Unvorhersehbarkeit aber vor allem das Arbeiten in einem grandiosen Team. Das alles ist sehr erfüllend.
Ihr Unternehmenscredo lautet "Wir lieben was wir tun"- welche positiven Auswirkungen hat das für das ganze Unternehmen?
Es ist unser Ziel, jeden Mitarbeitenden an den Platz im Unternehmen zu setzen, an dem er oder sie liebt, was er oder sie tut. Dann folgen aus unserer Erfahrung Freude, Begeisterung, Leichtigkeit und Erfolg meistens von selbst. Wir wollen aus tiefster Überzeugung Rahmenbedingungen schaffen, die unseren Mitarbeitenden gute Möglichkeiten bieten, um ihre Fähigkeiten freisetzen und ganzheitlich entwickeln zu können – im Idealfall finden sie so ihre Berufung. Wenn das passiert, baut sich ein positives Kraftfeld auf. Es ist berührend, Menschen wachsen zu sehen und zu erleben, wenn sie in ihrem jeweiligen Feld aufgehen.
ZUR PERSON:
Dr. Caroline von Kretschmann ist geschäftsführende Gesellschafterin des Europäischen Hofs in Heidelberg. Sie führt das 5 Sterne Superior Hotel in 4. Familiengeneration. Nach einer Banklehre bei der Deutschen Bank Frankfurt studierte sie Betriebswirtschaft an der Hochschule St. Gallen, wo sie auch promovierte. Vor dem Eintritt ins Familienunternehmen war sie als Strategie- und Organisationsberaterin tätig, davon 4 Jahre in der internationalen Strategie- und Organisationsberatung Bossard Consultants und 11 Jahre als Gründungspartnerin in der Metropolitan Consulting Group. Mit dem Eintritt ins Familienunternehmen gründete sie mit Melanie Frowein die Komplementärberatung DUE CONSULTANTS. Neben zahlreichen Ehrenämtern ist sie Vizepräsidentin des Verbandes DIE FAMILIENUNTERNEHMER.