it der Marke „Ankerkraut“ wagten sich Stefan und Anne Lemcke 2016 in das bekannte Fernsehformat „Höhle der Löwen“. Seitdem gingen die Gewürzmischungen der Hamburger durch die Decke und verkauften sich erfolgreich in Deutschland und Österreich. Eine Expansion ins europäische Ausland ist bereits in Planung. Im Interview mit Gastgeber Bayern plaudern die beiden über Erfolgsrezepte, Qualität und die Auswirkungen der Corona-Pandemie.
WIE HAT SICH IHR LEBEN DURCH DEN ERFOLG VERÄNDERT?
Stefan Lemcke: „Eigentlich gar nicht, muss man sagen. Wir haben das was wir tun auch vor dem Durchbruch des Ankerkraut-Konzepts geliebt und wir tun das noch immer. Das ist wichtig im Leben. Dass einem das Spaß macht, was man tut. Sicher kann man sich durch den Erfolg das ein oder andere gönnen, das vorher nicht möglich war. Aber neben den Annehmlichkeiten hat man auch mehr Verantwortung. Wir müssen uns mittlerweile um über 200 Mitarbeiter kümmern und zusehen, dass sie jeden Monat ihr Gehalt bekommen. Die Leichtigkeit und Unbekümmertheit, die ich früher in meinem Leben hatte, habe ich heute nicht mehr.“
WAS MACHT IHRE GEWÜRZE SO BESONDERS UND ERFOLGREICH?
Stefan Lemcke: „Zum einen der komplette Verzicht auf Zusatzstoffe. Gewürze sind ohnehin haltbar, daher ergibt die Verwendung keinen Sinn. Auch Farbstoffe oder Geschmacksverstärker sind schlichtweg nicht nötig. Gewürze haben genug Geschmack und auf dem Teller sieht man die Farbe dann ohnehin nicht mehr. Daher können wir auf künstliche Zusatzstoffe getrost verzichten. Zum anderen macht unsere Gewürze eine herausragende Auswahl der Rohstoffe so besonders. Das erste halbe Jahr habe ich mich ausschließlich damit beschäftigt und sämtliche Händler abgeklappert. Ich habe mir die Rohstoffe vor Ort angeschaut, sie im Labor untersucht und natürlich selbst ausprobiert, bis ich mit allen Inhaltsstoffen und Produkten glücklich war.“
Anne Lemcke: „Das ist vergleichbar mit der Hotellerie. Man kann natürlich auch in einem 1-Stern Hotel übernachten, in einem 5-Sterne Hotel gibt es aber bessere Betten, ein gutes Frühstück und so weiter. Ähnlich verhält es sich bei den Gewürzen. Es gibt verschiedenste Pfeffer oder Paprika mit unterschiedlichster Qualität. Und wir wollen nur hochwertige Rohstoffe. Zudem nutzen wir nachhaltige Verpackungen aus Glas und Korken für unsere Gewürze.“
VIELE MENSCHEN NUTZEN DIE GEWÜRZE IN IHRER HEIMISCHEN KÜCHE. SIND DIE GEWÜRZE DENN AUCH ETWAS FÜR BAYERNS GASTGEBER?
Stefan Lemcke: „Ursprünglich sind wir mit klassischen Produkten für den Endverbraucher gestartet. In diesem Jahr wollen wir uns nun gezielt mit Produkten für die Gastronomie und Hotellerie weiterentwickeln und uns in diesem Bereich etablieren. Wir fangen mit etwa zehn bis 15 Gewürzmischungen an, beispielsweise mit einem Hähnchen-Gewürz oder mit einem für Frikadellen. Gewürze, die in der Gastronomie häufig Verwendung finden und die Köche gut gebrauchen können. Wir sind schon sehr gespannt, wie das angenommen wird.“
Anne Lemcke: „Obwohl wir bisher nur Standardgrößen im Sortiment haben, kam uns zu Ohren, dass unsere Produkte schon heute in so mancher Gatro-Küche eingesetzt wird. Als wir auf Sylt waren und den Kindern bei Gosch eine Pommes holen wollten, haben wir zufällig mitbekommen, dass sie dort auch die Ankerkraut-Mischung zum Würzen ihrer Pommes nutzen. Es freut uns natürlich sehr zu sehen, dass unsere Produkte überzeugen. Derzeit versuchen wir, mit den Lieferanten ins Geschäft zu kommen. Die Produkte sind dann in der richtigen Größe und allgemein leichter zu erwerben. Die Gewürze müssen dann nicht mehr postalisch versendet werden, sondern können direkt beim Großhändler bestellt werden.“
UNSER MAGAZIN BEFASST SICH MIT DEM THEMA ERFOLGSREZEPTE. WAS IST FÜR SIE DAS REZEPT ZUM ERFOLG?
Stefan Lemcke: „Zum Erfolg kann aus meiner Sicht nur eine Mischung aus verschiedenen Faktoren führen – dazu gehören Fleiß, eine gute Idee oder auch Ausdauer. Zufall oder Glück allein reichen nicht aus, um erfolgreich zu sein. Um unternehmerisch erfolgreich zu sein, ist auch ein gewisses Startkapital nötig. Man braucht ein bisschen Geld oder jemanden, der einem Geld leiht, denn man muss Leute bezahlen, Räume mieten, Verträge abschließen und so weiter.“
Anne Lemcke: „Wir nehmen unseren Erfolg nicht als selbstverständlich hin. Eine gute Idee und Fleiß bringen viele Leute mit. Für uns standen die Sterne einfach irgendwie richtig. Wichtig für Ankerkraut war auch das Zusammenspiel zwischen meinem Mann und mir. Was für viele eher ein Albtraum ist, war für uns eigentlich der Schlüssel zum Glück – sowohl privat als auch beruflich.“
SIE INVESTIEREN JA WAHRSCHEINLICH VIEL ZEIT IN IHR UNTERNEHMEN. WIE VEREINBAREN SIE DAS MIT IHREM PRIVATLEBEN UND IHREN KINDERN?
Anne Lemcke: „Zwischen Berufs- und Privatleben gibt es keinen Unterschied. Wir haben auch nie so wirklich frei. Wir haben das große Glück, dass wir Arbeit nie als etwas Negatives betrachten. Wir beschäftigen uns eigentlich den ganzen Tag mit Ankerkraut, ohne dass es zur Belastung wird. Die Kinder sind so alt wie das Unternehmen. Sie sind damit aufgewachsen und kennen es nicht anders."
Stefan Lemcke: „Wir haben das Glück, an einem Punkt zu sein, an dem wir nur noch Sachen machen, die wir wirklich machen möchten. Wäre dieses Interview eine Belastung oder Arbeit, würden wir es nicht machen. Es ist ein echter Luxus für uns, dass sich die Arbeit nicht nach Arbeit anfühlt.“
DIE CORONA-PANDEMIE HATTE UND HAT NOCH IMMER GROSSE AUSWIRKUNGEN AUF DAS GASTGEWERBE. HAT DIE PANDEMIE SIE BETROFFEN ODER HABEN SIE EHER DAVON PROFITIERT, DASS MEHR ZU HAUSE GEKOCHT WURDE?
Anne Lemcke: „Zunächst einmal haben uns die Gastronomen sehr leidgetan. Wir sind beide privat große Fans von gastronomischen Orten. Es ist sehr bedauerlich, dass in der Pandemie zwar auch einige Gewinner aber eben auch viele Verlierer gibt. Wir haben versucht, die Betriebe in unserem Umfeld so gut es geht zu unterstützen, sind in Restaurants gegangen, haben Gutscheine gekauft und Essen abgeholt. Bei uns selbst waren die Folgen der Krise nicht so schlimm. Aber als Boost würde ich es auch nicht bezeichnen. Wir haben ja auch fünf Geschäfte deutschlandweit, die monatelang zu waren. Den Berliner Store hatten wir gerade erst aufgemacht, eine Woche später mussten wir wieder schließen. Aber ja, während Corona haben sich auch neue Werte entwickelt. Gemeinsam kochen und auch Zusammensein bei gutem Essen werden zelebriert, was mittelfristig auch der Gastronomie zugutekommt. Und auch Ankerkraut vertritt diese Werte.
WAS LERNEN WIR AUS DER KRISE DURCH DIE VERÄNDERTEN RAHMENBEDINGUNGEN?
Anne Lemcke: „Die Arbeitswelt hat sich auf jeden Fall verändert. Mobiles Arbeiten bekam plötzlich eine ganz neue Bedeutung. Bei uns musste zum Glück nicht das ganze Unternehmen umstrukturiert werden. Zwei Wochen vor dem ersten Lockdown haben wir die Computer abbauen lassen und haben alle ins Homeoffice geschickt. Auch das ist eine der wenigen echten Positivfolgen: Die Pandemie wird die Digitalisierung in Deutschland spürbar vorantreiben.“
Das Gespräch führte Karolina Wojdyla
VOM STARTUP ZUM 200-PERSONEN UNTERNEHMEN
„Ankerkraut“ ist eine Geschmacksmanufaktur aus Hamburg, die ausgefallene Gewürzmischungen herstellt. Die Marke erfuhr in den letzten Jahren eine unglaubliche Erfolgsgeschichte. Als frischgebackenes Start-Up 2016 in der Höhle der Löwen, ist Ankerkraut mittlerweile in rund 5.500 Geschäften vertreten. Wer mehr vom Würz-Wunder des Ehepaars Lemcke sehen möchte, wird im Internet unter www.ankerkraut.de fündig